V8STAR Teil 2: "Wow"-Effekt beim ersten Mal

Egal, ob Teams beim Prototyp oder Zuschauer an der Rennstrecke: Die V8STAR zog fast jeden von Anfang an in den Bann - Großer Fanzuwachs im ersten Jahr

(Motorsport-Total.com) - Am 17. November 2003 wurde die V8STAR-Serie eingestellt. Grund genug für 'Motorsport-Total.com', anlässlich der 15-jährigen Jahrestags auf eine der beliebtesten Tourenwagenserien ihrer Zeit zurückzublicken. Auf Basis exklusiver Gespräche zeichnen wir den Weg der Meisterschaft von den bescheidenen Anfängen bis zum plötzlichen Ende nach. Heute: Der rasche Aufstieg der Meisterschaft bis Mitte 2002.

Titel-Bild zur News: Johnny Cecotto, V8STAR

Die V8STAR-Serie zog die Fans von Anfang an in ihren Bann Zoom

Kaum war der erste Prototyp fertiggestellt, gingen die Testfahrten los: Altfrid Heger nahm diese persönlich in Angriff - erst auf dem Flugplatz in Bitburg, dann im italienischen Vallelunga, schließlich auf dem Nürburgring-Grand-Prix-Kurs. Die V8STAR befand sich noch immer in ihrer hektischen Aufbauphase. Binnen eines Jahres war es gelungen, von einem weißen Blatt Papier bis zu einem Prototyp zu kommen, der nun interessierten Teams vorgestellt werden sollte.

Das geschah im Oktober 2000 am Nürburgring. Und nicht wenige Münder standen weit offen: Die schwarze BMW-E39-Silhouette mit ihren breiten Kotflügeln, der für damalige Verhältnisse gigantischen Heckflügel und die schwarzen Lackierung sorgten schon optisch für Aufsehen. Als dann auch noch der Roush-V8 das erste Mal losbrüllte, gab es fast kein Halten mehr. "Dagegen klingen die DTM-Autos wie lahme Enten", entfuhr es einem Beteiligten.

Ohne Panne ging es nicht über die Bühne: Durch eine defekte Schlauchstelle geriet der Prototyp bei der Vorführfahrt in Brand. Doch alle Geladenen waren zu dem Zeitpunkt schon so hellauf begeistert, dass sie das gar nicht mehr negativ auffassten. Nicht nur das Fahrzeug weckte Begeisterung; vor allem die Tatsache, dass es ein halbes Jahr zuvor noch gar nicht existiert hat, wirkte als überzeugendes Argument für jeden Teamchef: Hier waren keine Blender am Werk, sondern echte Profis, die es ernst meinten.

Mit unter den Geladenen war ein gewisser Norbert Haug. Heger erinnert sich an die Reaktion des Motorsportchefs von Mercedes: "Wir wollten ihn freundschaftlich über unsere Pläne informieren. Auch wollten wir ihm klar machen, dass wir uns in keinerlei Konkurrenz zur DTM begeben wollten. Sie sollte erste Liga bleiben, wir wollten die zweite sein."


Fotostrecke: Erinnerungen an die V8STAR

Doch auch Haug entging es nicht: Was hier fuhr, war möglicherweise eine bessere DTM. Er zeigte sich nicht weniger beeindruckt als alle anderen. Doch die V8STAR hatte einen Feind gewonnen - einen mächtigen. Es gab in den Folgejahren immer wieder Versuche aus der DTM, die V8STAR zu diskreditieren. "Man warf uns die Knüppel zwischen die Beine, wo es nur ging", so Hegers Kommentar.

Vielversprecher Testerfolg

Für ihn war die Präsentation trotz des Feuers ein voller Erfolg. Über den Winter wurden 28 von 30 produzierten Chassis verkauft. Um Langlebigkeit und Sicherheit zu gewährleisten, wurde die die Dicke des Gitterrohrrahmens von 0,2 Zentimetern beim Prototyp auf 0,3 Zentimeter verstärkt. Ansonsten wurde die Technik fast unverändert übernommen. Die Teams bekamen die Fahrzeuge als Bausätze nach IKEA-Vorbild (mit verständlicherer Anleitung) geliefert. Heger erklärt: "Alle Teams haben dieses Angebot angenommen. So kannten die Mechaniker das Auto von der Pike auf."

Es wurde alles getan, um die Kosten gering zu halten: Die Silhouetten wurden aus GfK und nicht aus Kohlefaser gefertigt, es herrschte rigoroses Testverbot (damals eine Sensation), die Motoren wurden verliehen statt verkauft und wurden zur Debütsaison 2001 noch auf 450 PS gedrosselt. Ab 2002 leisteten sie rund 500 PS - noch immer eine Leistungsausbeute, die ein 5,7-Liter-Motor gut und lange verkraftet. Während der drei Jahre gab es genau einen Motorschaden. "Und der war nicht auf den Motor selbst zurückzuführen", weiß Heger, der 2000 neben dem Aufzug der V8STAR auch noch die 24 Stunden auf dem Nürburgring gewann.

Aus anderer Richtung wehte derweil mal wieder Gegenwind: Mehrere Hersteller waren nicht damit einverstanden, dass Boliden mit ihrem Aussehen, aber unabhängiger Technik Rennen fahren sollten. So mussten mehrere Silhouetten abgeändert werden. Am deutlichsten die BMW-5er-Silhouette, die als solche kaum noch zu erkennen war. Auch Audi A6 und Opel Omega mussten leicht verändert werden. Nahezu unangetastet blieben der Volkswagen Passat (hier kam gegen Ende der Serie sogar das VW-Logo drauf), der Ford Mondeo, der Jaguar S-Type und der Lexus GS.

V8STAR, Prototyp

Schwarz, kraftvoll, bullig: Der erste V8STAR-Prototyp sorgte für Staunen Zoom

Reifen-Debakel beim ersten Lauf

Mit einem ordentlichen Maß Aufbruchsstimmung ging es Ende April 2001 zum ersten Lauf in die Motorsportarena Oschersleben. Mit der Beru Top 10 hatte die V8STAR eine gute Plattform, um sich zu entwickeln. Fahrer und Teams waren sich im Klaren: Hier entsteht etwas Großes. Das Fahrerfeld war eine bunte Mischung aus Motorsport-Haudegen wie Heger, Johnny Cecotto, Ralf Kelleners, Kurt Thiim und Roland Asch, die den Rennsport zwar professionell angingen, aber dabei doch noch immer über sich selbst lachen konnten, und ambitionierter Nachwuchsfahrer wie Marcel Tiemann, Thomas Mutsch, Steffen Widmann und Christian Hohenadel. Eine spannende Mischung.

Alles war bereit für das erste Rennen, doch dann schlug eine Bombe ein: Im Training verloren die Boliden plötzlich reihenweise Reifen. Grund: Die Mechaniker, die um eine eigene Boxenstoppwertung in den Rennen kämpfen sollten und besondere Bedeutung vor allem beim Top-8-Qualifying (später: Top 12; ein 2-Runden-Minirennen mit vier Autos inklusive Boxenstopp), zogen bei den Boxenstopps alle Register. Und erstmals gingen Boliden nach einem Übungs-Boxenstopp auf die Strecke. Plötzlich gab es ein massives Problem.

So hieß es schon vor dem Start des ersten Rennens: Krisensitzung. Der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB) drohte mit einer Absage des Rennens. Geschäftsführer Max Welti und der DMSB einigten sich: Heger würde am Samstagmorgen eine Renndistanz mit Boxenstopp abspulen. Wenn das Fahrzeug keinen Reifen verlieren sollte, würde das Rennen stattfinden dürfen.

Und so kam es, dass um 6 Uhr morgens der V8 aufbrüllte. "Als ich losfuhr, gingen im Hotel an der Rennstrecke alle Lichter an", lacht der frühere BMW-Werkspilot. Nicht wenige Fahrer und Teammitglieder wachten panisch in dem Glauben auf, sie hätten verschlafen. Der Rest konnte aufgrund des bislang unbekannten monströsen V8-Sounds auch nicht mehr weiterschlafen. Immerhin: Die Räder hielten, das Rennen konnte stattfinden.

Später löste Entwicklungschef Peter Kaiser, früherer Manager bei Zakspeed, das Problem, indem man die Aufhängung von rechts nach links tauschte. Dann zogen sich die Radmuttern beim Bremsen von selbst fest. Heger riskierte sogar sein eigenes Leben für die Sicherheit: "Ich habe mit vier komplett losen Radmuttern in Bitburg voll hochbeschleunigt und dann gebremst. Die Räder blieben dran. Das würde ich heute nicht mehr machen."


V8STAR in Zandvoort 2003 (Start bei Minute 38)

Die neue Serie schlägt ein

Was die Zuschauer zu sehen bekamen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der "Wow"-Effekt wie bei den Testfahrten war wieder da. Die neue Rennserie traf einen Nerv bei den Zuschauern. Der Durchbruch gelang beim dritten Rennwochenende. Die Beru Top 10 stellte nämlich zu diesem Zeitpunkt das Rahmenprogramm bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring. Zwar sollte die V8STAR ihr Rennen nur auf der Grand-Prix-Strecke austragen, doch auch dort waren genug Zuschauer, die die Nachricht von der unglaublich spektakulären neuen Serie schnell verbreiteten.

Auf sportlicher Seite entwickelte sich in der ersten Saison das Titelduell zwischen Jung und Alt: Johnny Cecotto im Irmscher-Opel gegen Marcel Tiemann im Zakspeed-Jaguar. Das Duell wurde mit aller Härte ausgetragen, was zu teilweise chaotischen Rennen führte. Unvergessen das Rennen in Hockenheim 2001, als Tiemann Cecotto umdrehte, 30 Strafsekunden kassierte, Cecotto dann Tiemann in einem Revanchefoul abschoss und ebenfalls 30 Strafsekunden erhielt. Ein weiterer Unfall in der letzten Kurve sorgte für ein so chaotisches Ende, dass ein Roland Asch am Ende gar nicht wusste, wie er auf dem Podium gelandet war.

Die erste Saison war physisch hart: Die Entlüftung der Silhouetten-Tourenwagen war nicht ausreichend, sodass sich Hitzestaus im Cockpit bildeten. So mancher Fahrer musste dehydriert aus dem Cockpit geholt werden. Beim Saisonfinale war die Meisterschaft in aller Munde. Binnen weniger Monate hatte sich eine große Fangemeinde gebildet. Die Beru Top 10 hatte ein Aushängeschild. Sportlich setzte sich Routine durch: Cecotto war abgezockter und sicherte sich den ersten Titel der V8STAR.

Für 2002 wurde nachgewürzt: Die Leistung der Motoren stieg auf 495 PS. In Wirklichkeit waren es über 500, doch noch immer war die V8STAR um Ausgleich mit der DTM bemüht. "Deshalb haben wir die 500 nicht kommuniziert", sagt Altfrid Heger. Es sollte nicht helfen. Die erste Hälfte der Saison 2002 lief ähnlich wie die erste: Spektakulär, mit einer weiter wachsenden Fan-Community und einem neuen Herausforderer für Cecotto: Thomas Mutsch. Doch die Dinge sollten bald anfangen, sich in eine fatale Richtung zu entwickeln.

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