"King of the Baggers": US-Phänomen auch auf die Superbike-WM übertragbar?

In den USA begeistern die Rennen mit den modifizierten Highway-Cruisern die Fans: Wäre eine derartige Klasse auch für das WSBK-Programm denkbar?

(Motorsport-Total.com) - Die im Rahmen der MotoAmerica ausgetragene Klasse "King of the Baggers" erfreut sich großer Beliebtheit. Nach einem Versuch in der Saison 2020 etablierte sich die Kategorie in der US-Meisterschaft und zog immer mehr Teilnehmer und Teams an. Gefahren wird mit über 300 Kilogramm schweren Cruisern von Harley-Davidson und Indian, die teilweise stark modifiziert sind.

Titel-Bild zur News: King of the Baggers

Die Klasse "King of the Baggers" zieht in den USA viele Fans an die Rennstrecken Zoom

Die Silhouetten der schwergewichtigen US-Bikes entsprechen der Serie. Es sind Koffer und ausladende Verkleidungen montiert. Doch bei den Komponenten kommt bewährte Rennsport-Ware zum Einsatz. Die Federelemente, Bremsanlagen und Schmiederäder ähneln denen der Superbikes. Zudem wird sehr viel Carbon verbaut.

Nach dem erfolgreichen Debüt vor dreieinhalb Jahren entwickelte sich die Baggers-Klasse zu einem Highlight im Rahmenprogramm der MotoAmerica. Motorrad-Legende Wayne Rainey, der Präsident der MotoAmerica, zeigte sich vom großen Zuspruch der Fans überrascht. Aber würde eine derartige Klasse auch in Europa funktionieren?

Rückläufige Verkaufszahlen: Sterben die Superbikes irgendwann aus?

Bei den Rennwochenenden der Superbike-WM wird aktuell ausschließlich mit voll verkleideten Sportmotorrädern gefahren. In den drei etablierten Klassen - Superbike-WM, Supersport-WM und Supersport-300-WM - werden die aktuellen Superbikes und Supersport-Bikes der japanischen und europäischen Hersteller eingesetzt.

Doch die Verkaufszahlen sportlicher Motorräder sind seit einigen Jahren rückläufig. Yamaha hat bereits angekündigt, die R1 ab 2025 nicht mehr in einer Straßenversion anzubieten (mehr Infos zum Aus des Kult-Superbikes). Diese Entwicklung sah man vor einigen Jahren bereits bei der R6, die nur noch als Trackday-Version erhältlich ist.

Yamaha ist nicht der einzige Hersteller, der Probleme dabei hat, Abnehmer für seine Sport-Motorräder zu finden. Auch die anderen japanischen Hersteller haben zu kämpfen, die sehr hohen Entwicklungskosten der Sportmodelle durch die Verkäufe wieder reinzuholen. Etwas weniger dramatisch sieht die Situation bei BMW und Ducati aus, deren Superbikes sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen.

Yamaha R1

Yamaha R1: Ab 2025 wird das Kult-Superbike in Europa nicht mehr für die Straße erhältlich sein Zoom

Würde die Baggers-Klasse auch in Europa funktionieren?

Warum sorgen die WSBK-Verantwortlichen nicht für Abwechslung und etablieren eine Klasse mit Naked-Bikes oder den Cruisern wie in den USA? Wir haben bei BMW-Motorradsport-Direktor Marc Bongers nachgefragt, was er von dieser Idee hält.

"Es ist eine megacoole Klasse, die viele Leute anzieht. Aber man Amerika nicht mit Europa vergleichen", warnt der BMW-Verantwortliche und weist im Fall der "King of Baggers" auf ein Problem hin: Laut Reglement sind in dieser Kategorie ausschließlich amerikanische Marken erlaubt.

King of the Baggers

Schwergewichts-Klasse: Die eingesetzten Cruiser wiegen über 300 Kilogramm Zoom

Der knappe Zeitplan an den WSBK-Wochenenden ist ein weiteres Kriterien gegen eine weitere Klasse. "Wir haben ab diesem Jahr den Womens Cup. Das hat zur Folge, dass wir kürzere Trainings haben. Es passt keine weitere Klasse in das Wochenende", ist Bongers überzeugt.

Der BMW-Motorradsport-Direktor zweifelt, ob die Baggers-Klasse in Europa funktionieren könnte. Die Märkte und Faninteressen unterscheiden sich deutlich. "Man kann das BSB-Reglement auch nicht in Deutschland kopieren. Es ist immer alles abhängig vom jeweiligen Markt", ist Bongers überzeugt.

Marc Bongers

Marc Bongers verfolgt auch das Geschehen in den USA Zoom

Welche Klasse sich BMW wünscht, um junge Talente auszubilden

Sollten sich die WSBK-Verantwortlichen offen zeigen, die Klassen zu überdenken, dann hätte BMW ohnehin einen anderen Wunsch. Die Münchner zeigen großes Interesse an einer Rückkehr der Stock-Meisterschaft, die vor ihrer Abschaffung Ende 2018 einige große Talente hervorgebracht hat. Ex-Superbike-Weltmeister Toprak Razgatlioglu und WSBK-Laufsieger Michael Rinaldi sind Fahrer, die über die Stock-EM in die Superbike-WM kamen.

"BMW wünscht sich eine Stock-Meisterschaft im Rahmen der Superbike-WM", bemerkt Bongers und begründet: "Es gibt viele Fahrer aus nationalen Meisterschaften, für die der Schritt in die Superbike-WM schlicht und einfach zu groß ist."

King of the Baggers

An den Highway-Cruisern kommen hochwertige Racing-Komponenten zum Einsatz Zoom

"Wenn ein Fahrer in nationalen Serien erfolgreich ist, bekommt er nur selten zwei Jahre Zeit, um sich in der Superbike-WM auf der großen Bühne zu beweisen", bedauert Bongers und fügt hinzu: "Das Risiko ist für die Hersteller zu groß. Die Stock-Meisterschaft war dafür eine gute Serie."

Toprak Razgatlioglu

Toprak Razgatlioglu wurde Vizemeister in der Stock-EM und stieg in die WSBK auf Zoom

"Man konnte mit überschaubarem Aufwand im internationalen Umfeld mitfahren, um sich zu beweisen. Das fehlt jetzt leider", stellt Bongers fest. "Die New-Generation in der Supersport-WM scheint für andere Hersteller zu funktionieren. Uns fehlt dafür schlicht und einfach das passende Basisprodukt."

Markus Reiterberger (BMW) ging als letzter Meister in die Geschichte der Superstock-EM ein. In der Saison 2018 holte sich der Deutsche den Titel und erhielt daraufhin die Chance, als BMW-Werkspilot in die WSBK zurückzukehren. Im Jahr zuvor gewann Michael Rinaldi (Ducati) knapp vor Toprak Razgatlioglu (Kawasaki) die Meisterschaft.

Markus Reiterberger

Markus Reiterberger auf dem Weg zum Titel in der finalen Saison der Stock-EM Zoom