• 17.05.2011 11:06

Biaggi-Strafe: Ciabatti mit offenem Brief an die Fans

Die Strafe gegen Max Biaggi in Monza hat für so viel Empörung bei seinen Fans gesorgt, dass Infront-Direktor Paolo Ciabatti zu ungewöhnlichen Mitteln greift

(Motorsport-Total.com) - Die Fans von Max Biaggi sind leidenschaftlich. Sie feiern ihren Helden lautstark und begeistert, wo immer er geht und steht. Und ebenso leidenschaftlich scheint es eine Welle der Empörung gegen die Durchfahrtsstrafe gegeben zu haben, die der Aprilia-Pilot bei seinem Heimrennen in Monza kassiert hat. Denn anders lässt es sich nicht erklären, dass die Veranstalter der Superbike-Weltmeisterschaft sich nun auf ungewöhnliche Art dafür rechtfertigen.

Titel-Bild zur News: Max Biaggi

Max Biaggi muss die Durchfahrtsstrafe von Monza akzeptieren

Biaggi hatte das zweite Rennen mit deutlichem Vorsprung angeführt, als er die Schikane abkürzte. Dieses Missgeschick war zuvor auch anderen Piloten passiert, zum Teil mehrfach, unter anderem BMW Werksfahrer Leon Haslam und seinem Markenkollegen von BMW Motorrad Italia, Ayrton Badovini. Doch während diese beiden straffrei ausgingen, musste Biaggi einmal durch die Boxengasse fahren. Denn er hatte sich bei der Rückkehr auf die Strecke nicht an das vorgeschriebene Prozedere gehalten. Das warf ihn zurück bis auf den zwölften Platz, der Weltmeister kam schließlich als Achter ins Ziel.

Das scheint für so viele Proteste gesorgt zu haben, dass Paolo Ciabatti, der Motorsportdirektor von Vermarkter Infront und Mitglied der Rennleitung, sich nun in einem offenen Brief an "alle Max-Biaggi-Fans und Superbike-Enthusiasten" wendet. Darin begründet Ciabatti ausführlich, warum der Weltmeister für das Abkürzen der Schikane bestraft wurde. Wegen der Besonderheiten in Monza wurde schon vor dem Rennwochenende genau festgelegt, wie zu verfahren ist, falls einem Piloten dieses Missgeschick passiert. Dazu gab es am Donnerstagnachmittag sogar ein spezielles Fahrerbriefing.

Max Biaggi

Platz acht statt Sieg: Max Biaggi war nach dem Rennen entsprechend enttäuscht Zoom

"Zunächst muss man sagen, dass Monza nicht wie die anderen Strecken ist. Die Superbike-WM muss sich den Kurs mit einer extrem wichtigen Veranstaltung wie der Formel 1 teilen. Es ist deshalb einfach nicht möglich, an den Schikanen Auslaufzonen aus Kies anzubringen, denn diese Lösung wäre für die Formel 1 nicht besonders gut", beginnt Ciabatti seine Erläuterungen.

Die einzige Ausnahme sei die "Variante Ascari". "Man kann es sich leicht vorstellen: Wenn ein Fahrer eingangs der Ascari einen Fehler macht und im Kies landet, dann stürzt er entweder oder verliert auf dem Weg zurück zur Strecke viel Zeit. In diesem Fall ist es also nicht nötig, spezielle Regeln für die Schikane zu formulieren."

Anders sei die Lage aber in der ersten Schikane und in der Roggia-Schikane, da diese Auslaufzonen aus Asphalt haben. In diesen Bereichen sind seit drei Jahren weiße Linien aufgemalt. Sie formen eine Art Trichter, der in einen rund einen Meter breiten "Pfad" mündet. Wenn der Pilot durch diesen Trichter fährt, wird er automatisch langsamer und kehrt außerhalb der Linie auf die Strecke zurück, auf der die Fahrer unterwegs sind, die die Schikane normal durchfahren haben. Das Aufstellen von Barrieren oder Strohballen in den Auslaufzonen ist laut FIM-Streckenhomologation verboten.


Fotos: Superbike-WM in Monza


"Die Rennleitung, der ich gemeinsam mit Igor Eskinja und Giulio Bardi angehöre, hat deshalb entschieden, alle Fahrer am Donnerstagnachmittag zu einem außerordentlichen Briefing zu versammeln, um jedem zu erklären (denen, die schon in Monza gefahren sind und denen, die zum ersten Mal auf der Strecke waren), wie man im Falle eines Fehlers in diesen beiden Schikanen korrekt auf die Strecke zurückkehrt", erklärt Ciabatti.

Das Briefing habe fast eine Stunde gedauert. "Mithilfe von zwei großen Bildern der Schikane, die an den Wänden aufgehängt waren, wurde den Fahrern erklärt, dass sie im Falle eines Fehlers einzig und allein - und hier gelten keinerlei Ausnahmen - über diesen 'Trichter' auf die Strecke zurückfahren dürfen. Ansonsten würden sie mit einer Durchfahrtsstrafe bestraft", betont Ciabatti. "Wir haben ihnen auch erklärt, dass durch das Abkürzen der Schikane keinen Vorteil haben dürfen, entweder bei der Rundenzeit oder bei ihrer Position. In diesem Fall hätten sie durch Heben des Arms anzeigen müssen, dass sie die Position an den Fahrer zurückgeben, den sie unabsichtlich überholt haben."

"Biaggi war bei diesem Briefing nicht anwesend, aufgrund seiner privaten Verpflichtungen." Paolo Ciabatti

Viele Fahrer hätten dazu spezielle Fragen gestellt, "und wir haben immer und immer wieder betont, dass jeder Pilot, der bei der Rückkehr auf die Strecke nicht durch den aufgemalten Trichter fährt, eine Durchfahrtsstrafe bekommt. Das ist die einzige Sanktion, die im Regelbuch der FIM für solche Verstöße vorgesehen ist", so Ciabatti.

Und er erklärt: "Biaggi war bei diesem Briefing nicht anwesend, aufgrund seiner privaten Verpflichtungen. Aber er wurde von Aprilia-Teammanager Francesco Guidotti vertreten. Während des gesamten Rennwochenendes haben wir bei jedem Fahrer, der die Schikane abgekürzt hat, dieselben Kriterien angewandt, in jeder Serie. Das sind die Fakten."

"Vielleicht konnte ich nicht viele von Ihnen überzeugen, aber wenigstens habe ich klar und ehrlich erklärt, wie die Dinge gelaufen sind", schreibt Ciabatti in seinem offenen Brief an die Fans. Er fügt auch noch persönliche Worte an: "Manchmal zwingen einen Kohärenz und Korrektheit zu schwierigen und schmerzhaften Entscheidungen. Für mich ist Max nicht nur ein großartiger Champion, sondern auch eine intelligente und gefühlvolle Person. Vor allem ist er aber ein Freund, mit dem ich viele schöne, aber auch schwierige Momente auf und neben der Strecke geteilt habe. Ich überlasse es Ihnen, sich vorzustellen, wie schwierig es für mich und die anderen Mitglieder der Rennleitung war, diese Entscheidung zu treffen."

Um auch optisch darzulegen, was Biaggi in Monza falsch gemacht hat, hat die Superbike-Weltmeisterschaft auch Videos einer Streckenkamera auf 'Youtube' gestellt. Darin ist zu sehen, wie Haslam und Badovini durch den vorgeschriebenen Trichter fahren, Biaggi aber nicht. Die Bilder wurden vom Autodromo Nazionale di Monza zur Verfügung gestellt.