Andrea Dosoli (Yamaha): "WSBK kann sich nicht mit der MotoGP messen"

Im Exklusiv-Interview spricht Yamaha-Manager Andrea Dosoli darüber, wie die Superbike-WM parallel zur MotoGP bestehen kann und teilt eine spannende Vision

(Motorsport-Total.com) - Aufregende Rennen, starke Charaktere und Motorsport zum anfassen: Die Superbike-WM hat die Herzen vieler Fans erobert. Mit den Zuschauerzahlen der MotoGP kann die seriennahe Meisterschaft allerdings nicht konkurrieren. Und auch von der medialen Aufmerksamkeit der Königsklasse ist die Superbike-WM weit entfernt. Wir haben uns exklusiv mit Yamaha-Manager Andrea Dosoli, einem Urgestein des WSBK-Paddocks, über die Zukunft der Serie unterhalten.

Titel-Bild zur News: WSBK Start

Die WSBK-Fans sahen auch 2024 viele spannende Rennen Zoom

Da die MotoGP und die Superbike-WM vom gleichen Promoter geleitet werden, stellt sich immer wieder die Frage nach der Priorisierung. Vor allem mit Blick auf den Kalender für 2024 muss man sich fragen, wie viel Beachtung Rechteinhaber Dorna der seriennahen Meisterschaft geschenkt hat. Lange Pause, nur ein Überseerennen und fragwürdige Austragungsorte haben für reichlich Kritik gesorgt.

Beim Kalender für 2025 konnten einige Probleme beseitigt werden. Es gibt weiterhin nur ein Überseerennen, doch die langen Pausen des diesjährigen Kalenders gibt es nicht mehr, was Teams, Fahrer und Hersteller stark begrüßen.

Mehr WSBK-Überseerennen, aber nicht um jeden Preis

Laut Andrea Dosoli hat Yamaha in diesem Jahr erstmals alle Testtage aufgebraucht, weil die Pausen zwischen einigen Events so lang waren. "Ein Test kostet ein Team so viel Geld wie ein Rennwochenende, teilweise sogar mehr. Man muss alles bezahlen, die Reifen, die Streckenmiete und so weiter", verrät der Italiener.

Andrea Dosoli

Andrea Dosoli leitete bis Ende 2024 das Yamaha-WSBK-Projekt Zoom

Yamaha hat bereits mehrfach den Wunsch geäußert, mehr Rennen außerhalb von Europa zu haben. "Wir hätten natürlich gern mehr Überseerennen, aber nur dort, wo es auch ein Interesse gibt. Es ergibt keinen Sinn, auf Strecken zu fahren, auf denen wir die Leute nicht animieren können, weil wir dort keine Kunden haben", kommentiert Dosoli.

Jonathan Rea

Stimmung eines Geisterrennens: Die Superbike-WM fuhr in Katar vor leeren Rängen Zoom

"In der MotoGP geht es vorrangig um die TV-Rechte, in der Superbike-WM hingegen dreht sich alles um den direkten Kontakt mit unseren Kunden. Wir müssen in den Regionen fahren, in denen es eine gewisse Leidenschaft gibt", schildert Dosoli. "Sollten wir mehr Überseerennen haben? Ja! Aber es ergibt keinen Sinn, in Katar zu fahren", stellt der Yamaha-Manager klar und verweist auf das geringe Faninteresse in Doha.

Most und Cremona: Auf Kritik folgte Begeisterung

In den vergangenen Jahren wurde der Kalender der Superbike-WM mit einigen fragwürdigen Strecken bereichert. Kurse, wie Most in Tschechien oder Cremona in Italien, die nicht zwingend als WM-würdig gelten. Doch diese Events haben die Kritiker positiv überrascht.

Most

Knapp 60.000 Fans wurden bei der Superbike-WM in Most gezählt Zoom

Auch Dosoli wurde überzeugt. "Most ist ein gutes Beispiel. Ich war einer der Ersten, die sich wunderten, warum wir dort fahren. Rückblickend war es eine gute Entscheidung, dorthin zu gehen", bemerkt der Yamaha-Manager und fügt hinzu "Die Superbike-WM kann sich nicht mit der MotoGP messen. Wir sollten andere Rennstrecken für uns gewinnen."

Cremona Tribüne

Ausverkauft: Für die WSBK-Premiere in Cremona gab es keine Tickets mehr! Zoom

Dosoli staunt über die sehr positive Entwicklung der Zuschauerzahlen in Most von anfänglich unter 20.000 Besuchern zu 58.474 Fans in diesem Jahr. Damit war Most nach Misano das bestbesuchte Rennen der WSBK-Saison 2024. "In nur drei Jahren hat sich die Veranstaltung zum zweitbeliebtesten Event der Superbike-WM entwickelt", freut sich Dosoli.

Stärkerer Fokus auf das Fanerlebnis im WSBK-Paddock

Das Beispiel von Most verdeutlich gut, welche Nische die Superbike-WM in Zukunft besetzen muss. Weg von glamourösen Grand-Prix-Strecken in Regionen, in denen die Leidenschaft für den Motorrad-Rennsport groß ist.

Paddock Show

Publikumsmagnet: Die Paddock-Show bietet großartige Unterhaltung Zoom

"Wir sollten vermeiden, uns mit der MotoGP zu messen", so Dosoli. "Stattdessen müssen wir die bereits bestehenden Verbindung mit unseren Kunden weiter stärken und entwickeln. Die Superbike-WM bietet eine Plattform, die es erlaubt, den Endverbraucher zu aktivieren. Wir sollten Ideen entwickeln, um dem Fan ein noch besseres Erlebnis zu bieten."

Yamaha R1

Andrea Dosoli wünscht sich, dass die Fans vor Ort Probefahrten machen können Zoom

Das zugängliche Paddock der Superbike-WM ist ein großer Vorteil. "Man kommt direkt an die Teams und die Fahrer heran. Das müssen wir weiter stärken und ein noch offeneres Fahrerlager kreieren. Das WSBK-Paddock sollte sich zu einem Ort entwickeln, an dem wir unser Angebot präsentieren können", teilt Dosoli seine Zukunftsvision.

Wird die Superbike-WM zu einer Art Motorradmesse?

"Unsere Kunden sollten unsere Produkte testen können, egal ob es sich um ein Sportmodell, ein Touren-Motorrad oder ein Offroad-Bike handelt. Wir sollten versuchen, diese Erfahrungen zu stärken", erklärt der Italiener im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Total.com

Andrea Dosoli

Im Exklusiv-Interview teilt Andrea Dosoli seine spannende Vision Zoom

"Meine Vision ist es, in einigen Ländern ein Fahrerlager zu kreieren, das auch eine Motorrad-Ausstellung ist", schildert Dosoli und unterstreicht: "Das kann dann nur die Superbike-WM bieten und nicht die MotoGP, da nur wir ein offenes Fahrerlager haben."

Dosoli wünscht sich ein direktes Fanerlebnis und verweist auf den Motocross-Sport. "Beim Motocross fliegen die aufgewirbelten Steine durch die Luft, man spürt den Geruch und kann die Motorräder berühren. Das sind die Erfahrungen, die den Unterschied ausmachen", so der Yamaha-Manager.