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BMW M5 E28 (1986) im Fahrbericht: Undercover-Boss
Nur 2.145 Exemplare der 286-PS-Performance-Limousine wurden gebaut: Zwischenzeitlich fast vergessen, wird heute oft sechsstellig gezahlt
(Motorsport-Total.com/Motor1) - Ordnung muss sein, deswegen schadet es auch nicht, die Dinge ein bisschen einzuordnen. Als mein heutiger Testwagen vom Band rollte, war ich dreieinhalb. Womöglich schob ich den guten E28 M5 zu der Zeit im Maßstab 1:43 über den Küchenboden und trieb meinen alten Herren zur Weißglut, wenn das Ding beim nächtlichen Nasch-Ausflug zum Kühlschrank unsanft mit seiner Fußsohle kollidierte (*jaul*).

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BMW M5 E28 (1986) im Fahrbericht Zoom
So stelle ich mir das jedenfalls vor, denn ansonsten hatte ich kaum Gelegenheit auf ein Zusammentreffen mit dem ersten seines Namens. In der Familie wurde nur Benz gefahren und für sportliche Fahrzeuge hatten die Eltern schon gleich dreimal nichts übrig. Selbst wenn, wie hätten sie ihn sich leisten sollen? Der M5 kostete bei Markteinführung 80.750 D-Mark. Dafür bekam man fast zweieinhalb Mercedes W123 280 E, das damalige Topmodell der Daimlerschen Mittelklasse.
In freier Wildbahn wird es auch eher schwierig gewesen sein, den dezenten Derwisch vor die Glubscher zu bekommen, denn von 1985 bis Ende 1987 liefen lediglich 2.145 Exemplare vom Band. Für die Bayerischen Motoren Werke war das damals dennoch ein stattlicher Erfolg. Ich meine, vom horrenden Preisschild hörten Sie ja soeben. Und dann befand sich das Land just zur Premiere inmitten einer hitzig geführten Umweltdiskussion (das ändert sich wohl nie).
Der M5 und sein diskreter Auftritt in schwierigen Zeiten
Da setzt so ein Ballermann mit astreinem Rennmotor ohne Kat Image-mäßig vielleicht nicht die komplett richtigen Signale. Entsprechend zurückhaltend kommunizierte man das Auto. Heute absolut undenkbar: die Presse wurde eher zaghaft informiert und die Weltpremiere ging ohne großes Getöse auf dem relativ bedeutungslosen Amsterdamer Automobilsalon vonstatten.
Dabei sieht man dem Urvater aller Limousinen-Kraftmeier seinen ausgeprägten rechten Haken von außen noch nicht einmal an. In keinster Weise. Das verwundert umso mehr, da der "kleine Bruder" M 535i mit seinem deutlich schwächeren 218-PS-Zweiventiler optisch ordentlich die Sau rausließ.
Beim neuen Big Boss hingegen sparte man sich derlei Scharmützel. Auf Spoiler-, Schweller- und Schürzenwerk wurde serienmäßig verzichtet ("mein" M5 trägt einen halbwegs dezenten Gummibürzel auf der Kofferraumklappe und eine etwas weniger dezente Heckschürze). Ohne den (nur beinahe) mittigen Doppelrohr-Auspuff und die etwas dickeren Schlappen würde er auch als profaner 524d mit 86 PS durchgehen.
Das Herzstück: Ein Rennmotor mit Charakter
Dass er stabile 200 PS mehr aus dem Ärmel schüttelt, verdankt er dem 3,5-Liter-Dohc-24-Ventiler aus dem legendären BMW M1, der kurz zuvor auch im scharfen M 635 CSi Unterschlupf fand.

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BMW M5 E28 (1986) Zoom
Ein Querstrom-Leichtmetall-Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen, zentral liegenden Zündkerzen und einer digitalen Motorelektronik auf dem neuesten Stand verhalfen dem Reihensechser zu 286 PS bei 6.500 U/min und einem recht stämmigen Drehmoment von 340 Nm bei 3.400 Touren. Ein Augenschmaus ist das Aggregat obendrein. Der schwarze Zylinderkopf mit "M Power"-Schriftzug und die leicht frivol hervorblitzenden Ansaugrohre machen halt doch mehr her als die heute üblichen Plastikabdeckungen.
Damit der Potenzprotz trotz lauter Kraft noch anständig laufen kann, verständigten sich die Ingenieure auf neue Einrohr-Gasdruck-Stoßdämpfer und 220/55 VR 390er TRX-Breitreifen von Michelin, die man auf geschmiedete Leichtmetallräder montierte. Vorne gab es größere, innenbelüftete Bremsscheiben und Vier-Kolben-Sättel. Außerdem installierte man ein angepasstes ABS.
Fahrwerkskunst und technisches Feintuning
Wie der M 535i verfügt der M5 über eine verstärkte Hinterachse und ein stabileres 5-Gang-Schaltgetriebe von Getrag samt Sperrdifferenzial mit 25-prozentiger Sperrwirkung, welches den Schlupf der Räder an der angetriebenen Hinterachse minimieren soll. Für eine bessere Achslastverteilung beorderte man die 90-Ah-Batterie in den Kofferraum.

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Die interessanteste Frage bei solchen fast schon verblendet verehrten Sportler-Ikonen aus der Vergangenheit ist ja: Fährt das wirklich so traumhaft und charismatisch, wie der immergleiche Chor aus Experten, Enthusiasten und Nostalgikern bejubelt? Oder ist wie so oft die Erinnerung doch deutlich attraktiver als die Wahrheit?
Nun, rein optisch sind Erinnerung und Realität beim ersten ehrfurchtsvollen Gang ums Gefährt definitiv nicht auf Kollisionskurs. In puncto Attraktivität und Coolness dürfte diesem sehnigen, herrlich sachlichen Burschen kaum beizukommen sein.
Analoges Fahrgefühl: Nostalgie trifft auf Sportlichkeit
Beim Einsteigen fällt dann - neben der leichten Gänsepelle auf dem Unterarm des Autors - vor allem das gewaltige Knopf-Gewirr auf, das sich quer übers ganze Cockpit verteilt. Dazu ein wenig homogener Mix aus etwas klapprigem 80er-Charme und wahnsinnig hochwertigem Leder an Gestühl und Armaturenbrett.

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Obendrein verwirrt bei der eher asketischen Sportlichkeit das Vorhandensein einer vollumfänglichen elektrischen Sitzverstellung. Die auch noch einwandfrei funktioniert. Mit (wiederum) sehr vielen Knöpfen.
Erster Fahreindruck: Die Lenkung erweist sich als ziemlich zäher Bursche, was mit den gefühlt 12 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag für ordentlich Gekurbel sorgt. Wobei - eigentlich hätte ich's mir schlimmer vorgestellt. Vor allem, weil sie trotz ordentlich Spiel um die Mittellage einfach ein sehr schönes Gefühl nach außen hin gibt. Du merkst richtig, wie sich das Auto in der Kurve mit Seitenkräften auflädt. Und da lädt viel auf, glauben Sie mir.
Von Kurvenspaß bis Serpentinen-Show: Der M5 als Fahrmaschine
Es schwingt also recht viel M5 nach außen und der Daddy aller Sportlimousinen schaukelt sich gehörig auf. Recht viel Sportfahrwerk oder M-Vibes fühlt man in dem Moment wahrlich nicht. Es ist schon alles ziemlich weich und bequem. Aber zusammenhalten tut es trotzdem. Der M5 macht keinen Schmarrn und die Vorderachse tut, was man sich von ihr erhofft. Irgendwann kriegt man dann einen Impuls von hinten und glaubt sich bereits in einer heldenhaften Rutschpartie, aber eigentlich ist das nur eine saftige Pendelbewegung, die einen höchst gaudiös um die Kurve wuchtet. Ein vortreffliches Unterhaltungsprogramm ist das, ganz zweifellos.

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BMW M5 E28 (1986) Zoom
Vor allem eines, das man ohne Schweißausbrüche genießen kann, weil man den schärfsten E28 nicht wie ein Verbrecher fahren muss, damit er sich mitteilt und den Fahrer involviert. Und weil er auch ohne 45 Helferlein sehr gutmütig ist, wenn man es trotzdem tut.
Vertrauen ist inzwischen in unguten Mengen vorhanden, deshalb in der nächsten Biegung den so herrlich dünnen Lenkradkranz noch weiter und unbarmherziger Richtung Kurvenscheitel gedrückt und mutig am Gas geblieben. Butterweich geht der E28 in den Slide, wie in Zeitlupe fast, und ich denk kurz, wie die Jungs und Mädels von der BMW Classic das wohl finden, wenn ich ihre inzwischen sechsstellige Performance-Limo-Ikone quer und quietschend durch toskanische Serpentinen manövriere.
Kampf der Elemente: Kupplung, Schaltstock und Sauger-Charme
Auf der anderen Seite bin ich ja nicht wirklich schnell. Weil du 1986 noch nicht mit 180 ums Eck fahren musstest, damit Traktion bricht. Und so fange ich das Auto spielend wieder ein, fühle mich wie ein Held, der das Biest gebändigt hat, freue mir ein Loch in den Bauch und attackiere mit feurigem Blick und gierigem Fuß die nächste Kurve. Potenzial zum Süchtigmachen gesucht und definitiv gefunden.

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BMW M5 E28 (1986) Zoom
Eigentlich sollte er mich umbringen, der M5, weil ich ihn grad so quäle bei 35 Grad Außentemperatur. Und er denkt sich wahrscheinlich auch: Nehmt diesen Idioten von meinem Büffellederstuhl, ich wohne in einer Sammlung. Aber natürlich ist er zu pflichtbewusst und einfach zu gut, um mich zu enttäuschen.
Komm Wagner, du kannst mich ruhig treten. Ich bin alt, aber wahnsinnig gut gepflegt. "Okay, M5, dann nimm dies!", sagt mein Hirn und befiehlt mir Schaltarbeit. Die Kupplung ist kein Waden-Tod wie in einem alten Elfer, aber ein bisschen reinstiefeln muss man schon. Und niemand hat Gleitcreme auf den klapperdürren Schaltstock gekippt, es flutscht also nicht in perfekter Harmonie.
Ein Auto, das fordert und belohnt
Mit ein bisschen Nachdruck allerdings schubbert er sich dann schon rein. Auf relativ kurzen, etwas gummigen Wegen. Lustigerweise sehr ähnlich, wie sich das in einem heutigen M2/M3/M4 auch noch anfühlt. Mit dieser typischen BMW-Knorpeligkeit, die sagt: Du willst analog Autofahren, dann tu auch ein bissl was dafür und drück!
Natürlich hat der Dreifünfer-Sauger sofort wieder alle Lampen an. Das hat er übrigens nicht immer, denn wenn er noch nicht so recht warm und die Drehzahl sehr niedrig ist, dann schüttelt er sich, als hätte man ihn gerade unfreiwillig in einen eiskalten See geworfen. Irgendwann tut er das dann übrigens nicht mehr und man kann ihn wunderbar untertourig durch die Dörfer gondeln, das Drehmoment hat er dafür locker.
Aber jetzt geht es ja um Alarm und den kann er schon auch. Selbst wenn seine Leistungsentfaltung sich erwartungsgemäß nicht sonderlich modern anfühlt. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine berechtigte Frage. Ich habe jedenfalls nichts dagegen, weil wenig über einen ehrlichen Sauger geht. Dazu gehört eine Gasannahme, die in quasi jedem Drehzahlbereich ansatzlos zubeißt.
Vom schnellen Exoten zur teuren Legende
Er fletscht also sofort die Zähne, wenn du mit dem rechten Fuß zuckst, spannt die Muckis an und macht einen Satz nach vorne. Im Nu ist wieder Zug drin. Wobei zur Wahrheit schon auch gehört, dass er sich oberhalb von 3.500 Touren deutlich wohler fühlt als darunter. Die Affinität für die dramatischeren Drehzahlbereiche hat er also auch mit 38 Jahren noch nicht aufgegeben. Durchaus motiviert und relativ mühelos hangelt und plärrt er sich noch hoch auf nahezu 7.000 Touren.

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BMW M5 E28 (1986) Zoom
Die 0-100 km/h-Zeit von 6,5 Sekunden ist für damalige Verhältnisse natürlich eine Sensation. Umso mehr, weil die Kollegen von der Auto Motor und Sport ihn beim obligatorischen Testprozedere sogar mit 6,1 Sekunden messen. Überlegen Sie mal, ein Ferrari Testarossa mit seinem fetten 390-PS-V12 ist mit 5,7 Sekunden kaum schneller. Für grün anlaufende Gesichter reicht das in Zeiten von +600-PS-Familien-SUVs und 700 bis 1.100 PS in relativ normalen Elektroautos freilich nicht mehr. Man ist eher flott als schnell und aufgrund der extrem gleichmäßigen Leistungsentfaltung wird es oben raus amüsant, aber nie richtig explosiv.
Es tut also durchaus Not ein bisschen zu schuften für die Gaudi. Drehen, drehen, drehen, tief rein latschen in die ziemlich klumpige Bremse, sonst bremst nämlich eher wenig. Kurbeln, korrigieren, voll mit rein lehnen in die Kurve, ah es wackelt und rutscht ein wenig, wieder voll ins Gas, dann grollt er wieder, mit diesem leichten Zorn im Ton und es ist Rambazamba und überall passiert was und man fährt mit dem ganzen Körper und es ist herrlich.
Diese Herrlichkeit für den eigenen Hausgebrauch zu organisieren, ist leider deutlich komplexer als das lustvolle Bewegen dieses grandiosen Kraft-Limousinen-Frühwerks. Wie es so häufig der Fall ist, könnte man sich selbst ins Knie schießen, dass man nicht zuschlug vor etwa zehn oder 15 Jahren, als die Verfügbarkeit zwar lausig, aber die Preise am Boden waren. Heute ist die Verfügbarkeit nach wie vor miserabel, aber die Handvoll E28 M5, die man findet liegen wie erwähnt nahe an der Sechsstelligkeit.
Da half nur, mir selbst ein Exemplar in 1:43 unter den Weihnachtsbaum zu legen. Gestern Nacht bin ich beim nächtlichen Plündern der Reste vom Feste vor dem Kühlschrank natürlich volle Lotte reingestiegen. Ich jaulte natürlich, aber eigentlich wurde mir richtig warm ums Herz.
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