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Renault baut (k)ein Museum: Ausstellungszentrum kommt 2027
Renault will in der Nähe von Paris einen Raum für ihre eigene Collection schaffen und damit die Markenhistorie mit Kunst und Interaktivität verknüpfen
(Motorsport-Total.com/Motor1) - 1898 hat Louis Renault sein erstes hölzernes, motorbetriebenes Gefährt in einem Schuppen in Boulogne-Billancourt zusammengebaut, noch bevor Renault offiziell am 25. Februar 1899 gegründet wurde. In den über 125 Jahren danach hat sich einiges getan. Von ersten Siegen in der Formel 1 über Rallye-Knallbüchsen bis hin zu richtungsweisenden, ikonischen und kompromisslosen Modellen.

© Motor1.com Deutschland
Renault Collection Teaser: Ausstellungszentrum in Flins (2027) Zoom
Doch abgesehen von wandernden Ausstellungsstücken und einsatzfähigen historischen Zeitzeugen hat den Franzosen bisher eines gefehlt: eine Heimat für ihre über 600 eigenen Fahrzeuge. Dabei ist das Feiern der eigenen Historie in Form eines Museums gleichzeitig auch Markenbindung, wie Mercedes, Porsche und BMW beweisen - oder auch VW, die ihrer Geschichte gleich eine ganze "Autostadt" widmen.
Renault will jetzt genau so etwas bauen, schreckt jedoch massiv davor zurück, das Wort Museum auch nur ansatzweise in den Mund zu nehmen - zu altbacken scheint eine derartige Assoziation in Frankreich.
Vielmehr druckst die Führungsriege herum, spricht von einer einzigartigen Fahrzeug- und Kunstsammlung mit interaktiven Möglichkeiten und der Integration von Kunst und der französischen Kunstszene, um junge Leute bloß nicht zu verschrecken.
Aber ja, Renault, genau das ist ein modernes Museum. Museum heißt schon lange nicht mehr nur, in Stille expressionistische Kunstwerke zu begutachten und zu analysieren, wie auch unser, stolz das Prädikat Museum tragende, Computerspielemuseum in Berlin beweist. Und genau so ein (oder auch kein) Renault-Museum soll bis 2027 in Flins bei Paris entstehen.
Heimat auf alter R5-Produktionsstätte
In dem rund 40 Kilometer von Paris entfernten Ort entstanden einige der erfolgreichsten Fahrzeuge von Renault: der Dauphine aus den 1950er Jahren beispielsweise, der Renault 4 und der R5. Auch die Zoe wurde hier gebaut, bis die Hallen für die Produktion geschlossen wurden und der Standort als Refactory jetzt teilweise der Kreislaufwirtschaft der Mobilität dient.
Am Rande des Werks soll hier ein von Jacob Celnikier entworfener Bau den Raum für Renaults Kollektion aus Fahrzeugen, Kunstwerken, Spielzeugen, Modellautos und etlichen Werbeträgern bieten. Das Gebäude selbst ähnelt einer Treppe mit sechs ineinander verschachtelten Parallelepipeden, Abschnitte, die in ihrer Größe also allmählich zunehmen. Im Gegensatz zu den undurchsichtigen Fassaden des Werks soll die neue Heimat mit lichtdurchfluteten Fronten einladend auf Besuchende wirken - ein gewollt gesetzter Kontrast.
Wie Verwaltungsratsvorsitzender und Präsident von Renault Jean-Dominique Senard auf der Pressekonferenz vor Ort sagte, solle das neue Ausstellungszentrum als wichtiger Touristenspot in Paris, vielleicht sogar in ganz Frankreich, etabliert werden. Zu den Baukosten verhalten sich die Verantwortlichen ähnlich zurückhaltend wie zum Wort Museum. Zahlen zum Projekt werden nicht genannt. Der kulturelle Wert der "Collection" sei in Zahlen sowieso nicht aufzuwiegen, so Arnaud Belloni, Global Chief Marketing Officer von Renault.
Autos auf fünf Stockwerken und offene Werkstadt
Warum Renault so sehr damit beschäftigt ist, das Wörtchen Museum zu vermeiden, hat jedoch einen Grund. Der neue Ort in Flins soll viel Einblick und Transparenz bieten, aber auch die Möglichkeit, sich als Künstler auf dem Werk einzubringen. Die Franzosen wollen also vom passiven Begutachten weg, hin zum aktiven erleben. Für dieses Vorhaben scheint dem Konzern das Wort Museum unbrauchbar, auch weil junge Menschen in Frankreich geradezu von einer Einbindung der Marken in urbane kulturelle Entwicklungen ausgehen, damit sie überhaupt attraktiv ist. Von diesem Gedanken konnten wir uns in verschiedenen Workshops vor Ort selbst überzeugen.
Den Grundpfeiler setzt, neben klassischen Ausstellungsflächen, jedoch zuerst einmal das geplante fünfstöckige Regalsystem, in dem die eigenen Renault-Fahrzeuge Platz finden - darunter auch originale Le Mans-, Formel-1- und Rallye-Siegerfahrzeuge, verkunstwerkelte Renault 5, das Auto, in dem die Queen auf Besuch in Frankreich gefahren wurde oder der abgefahrene Espace F1, der in Zusammenarbeit mit dem Williams Formel-1-Team entstand.
Davon sollen im Dezember 2025 jedoch doppelte oder gar dreifach vorhandene Fahrzeuge auf einer Auktion veräußert werden, um manch fehlendes Auto in der Sammlung anschaffen und restaurieren zu können. So soll eine nahezu vollständige und möglichst diverse Übersicht über Renaults Schaffen in über 125 Jahren möglich sein.
Derzeit seien bereits über 50 Prozent der eigenen Fahrzeuge auch fahrtüchtig. Legendäre Autos und ikonische Modelle werden gegenwärtig noch an Museen ausgeliehen (hier scheint das Wort okay) oder, im Falle der Rennwagen, auf Veranstaltungen wie dem Historic Grand Prix oder dem Goodwood Festival of Speed eingesetzt. Zudem sei vorstellbar, Mitfahrgelegenheiten auf dem Gelände bieten zu können, um die Evolution der Marke auch fahrend erleben zu können. Eine kleine Runde haben wir in Kutschen-ähnlichen Renault-Vorkriegsmodellen schon jetzt erleben dürfen.
Sechs Menschen arbeiten in der hauseigenen Werkstatt daran, dass diese auch einsatzfähig bleiben oder werden. Auch viele Teile können schon jetzt selber hergestellt werden. Die Prozentzahl soll in Zukunft natürlich noch gesteigert werden. Damit das möglich wird, öffnet die Werkstatt auch für Auszubildende die Tore, will zudem umfassendes Wissen von Alteingesessenen an jüngere Generationen weitertragen. Daher soll die neue Werkstatt auch größer und zudem für Besuchende offen gestaltet werden - die angesprochene Transparenz und Nähe zur Marke.
Gelände wird von Kunstschaffenden aktiv mitgestaltet
Zur Fahrzeugsammlung gesellen sich nicht nur etliche Werbeträger und Prospekte, Spielzeuge und Modellautos, sondern auch eine Kollektion mehrerer hundert Kunstwerke aus dem Renault Fonds, der seit 1930 aktiv die französische Kunstszene unterstützt. Darunter Fotografien von Robert Doisneau, eine Kreation von Arman aus dem Jahr 1967, die auf dem Renault 4 basiert, eine Serie von Erró, die dem Renault 5 gewidmet ist, Kreationen von Victor Vasarely und von der Art Brut inspirierte Werke von Jean Dubuffet.
Inzwischen unterstützt Renault auch zeitgenössische urbane Kunst, also Street Art, Grafitti und Installationen. Ergibt Sinn, denn dort sind Autos im besten Fall unterwegs und prägen Städte oft gleich mit, beziehungsweise inspirieren sich gegenseitig.
Ein gutes Beispiel ist der von Gérard Zlotykamien gestaltete alte Renault Bus aus dem Jahre 1937, der hauptsächlich zu Kriegszeiten unterwegs war. Zlotykamien gestaltete neben dem Bus gleich die Wand einer Werkshalle mit, um Raum und Bus zu einem Kunstwerk verschmelzen zu lassen. Schon jetzt beherbergt Flins auch eine Künstlerresidenz namens The Art Factory, in der auch der Bus steht.
Die 3.200 Quadratmeter großen Räumlichkeiten der ehemaligen Lackiererei sollen der Schaffung und Ausstellung urbaner Kunst dienen und Kunstschaffenden die Möglichkeit geben, "in einer Umgebung zu arbeiten, die die Atmosphäre der Straße widerspiegelt." So können industrielle Elemente der alten Anlagen in Werken verwendet, umfunktioniert oder recycelt werden und im späteren Verlauf zur Sammlung hinzustoßen. Hier sollen sich verschiedene Kunstschaffende austoben dürfen.
Beim lockeren Gespräch am Mittagstisch schien Architekt Jacob Celnikier recht entspannt, dass der Bau auch 2027 fertig werde. Immerhin ist das hier auch nicht die Elbphilharmonie oder der BER. Von daher stehen die Chancen gut, dass Renaults vorhaben auch pünktlich die Pforten für die Öffentlichkeit öffnen kann. Die Historie der Marke und die künstlerischen Schätze allein hätten es schon lange verdient, einen gesonderten Ort zum bestaunt werden zu bekommen. Wie auch immer dieser Ort dann am Ende wirklich heißt.
Quelle: Renault


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