Alfa Romeo Spider/GTV (916, 1994-2004): Der Kult-Keil wird 30
Lange ungeliebt, heute Kult: Die zweite Generation des Spider mit dem Code 916 brach mit vielen Traditionen und bekam zudem einen Bruder
(Motorsport-Total.com/Motor1) - Was lange währt, wird endlich gut? Nach fast 30 Jahren bringt Alfa Romeo Ende 1994 endlich einen neuen Spider auf den Markt. Zudem wird ihm ein GTV als Coupé-Bruder an die Seite gestellt. Diese Baureihe 916 überrascht die Alfisti mit einem ungewohnten Design und Frontantrieb. Doch 30 Jahre später haben die Autos ihre feste Fangemeinde gefunden.
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Alfa Romeo Spider Zoom
Der Spider basiert ebenso wie der GTV auf der werksintern Tipo Due genannten Plattform des Fiat-Konzerns und ist daher unter anderem mit dem Fiat Tipo verwandt. Die Autos werden anfänglich bei Alfa Romeo in Arese und zuletzt bei Pininfarina in Turin gebaut.
Sieben Jahre Entwicklungszeit
Wie erneuert man eine Ikone? Damit tut sich Alfa Romeo lange schwer, auch weil es genügend andere automobile Baustellen im Konzern gibt. Nachdem Fiat im Herbst 1986 Alfa Romeo übernimmt, bemüht sich Vittorio Ghidella, der Chef von Fiats Autosparte, die Marke mit neuen Modellen attraktiver zu machen. Dem Spider soll dabei künftig die Rolle eines Aushängeschilds zukommen. Gleichzeitig forciert er die Einbindung Alfa Romeos in die Plattformstrategie des Fiat-Konzerns.
Im Frühjahr 1987 fällt die Entscheidung für die Entwicklung eines ganz neuen Spider und eines mit ihm verwandten Sportcoupés als Alfetta-GTV-Ersatz, die auf Fiats Tipo-Due-Plattform basieren sollen. Fiat beauftragt die Turiner Studios Bertone und Pininfarina mit der Erarbeitung von Designentwürfen. Die Entscheidung fällt frühzeitig zugunsten Pininfarinas. Im September 1987 sind die grundlegenden Entwürfe fertiggestellt, im Juli 1988 - wenige Monate vor seinem Ausscheiden aus dem Konzern - genehmigt Ghidella auf der Basis eines Tonmodells im Maßstab 1:1 das Design des Spider und des Coupés.
Alfa Romeo Protèo (1991)
Die Entwicklung der als Tipo 916 bezeichneten neuen Schwestermodelle zieht sich aber mehrere Jahre hin. Um die Zeit bis zur Serienreife der neuen Baureihe zu überbrücken, überarbeitet Alfa Romeo den klassischen Spider (Tipo 115) Ende 1989 ein weiteres - drittes - Mal. Kurz nach der Einführung dieser vierten Spider-115-Version zeigt das Unternehmen auf dem Genfer Auto-Salon 1991 das vom Centro Stile Alfa Romeo unter Walter de Silva gestaltete Show Car Proteo. Dessen durchsichtiges Dach kann komplett hinter den Sitzen verstaut werden - aus dem Coupé wird so ein rassiger Spider.
Ein erster Ausblick 1991
Diese Wandlungsfähigkeit gibt dem Showcar seinen Namen. Protèo (deutsch: Proteus) ist ein griechischer Meeresgott mit der Fähigkeit, seine Gestalt zu ändern.Der Protèo basiert anders als die spätere Baureihe 916 auf dem verkürzten Chassis des Alfa Romeo 164. Als Antrieb dient die Topmotorisierung des Modells, ein 3,0-Liter-V6-Zylinder mit auf 191 kW (260 PS) gesteigerter Leistung.
Vierradantrieb und Vierradlenkung sowie elektrisch verstellbare Stoßdämpfer zeigen, was technisch zu dieser Zeit möglich ist. Eine Zeitlang offiziell angeboten wird die Lackfarbe des Showcars, ein besonders glänzender Metallic-Farbton mit der Bezeichnung "Protèo Rot".
Keile Premiere vor 30 Jahren
Der Alfa Romeo Spider 916 debütiert zusammen mit dem Schwestermodell GTV auf dem Pariser Autosalon im Oktober 1994. Die Serienfertigung beginnt Ende 1994 und dauert bis 2004. In dieser Zeit entstehen drei Baureihen des Tipo 916, die inoffiziell als Phase 1 (1993-1998), Phase 2 (1998-2003) und Phase 3 (2003-2004) bezeichnet werden. Die Phase 3 ist die seltenste Baureihe. Sie gilt mit der bei ihrer Einführung fast 20 Jahre alten technischen Basis als veraltet. Die Phase 3 soll die Zeit bis zur Serienreife eines ganz neuen Spiders überbrücken, der werksintern als Tipo 939 bezeichnet wird, auf dem 159 aufbaut und im Sommer 2006 debütiert.
Alfa Romeo Spider (916, 1994)
Die Karosserie des Spider 916 wird allgemein als keilförmig beschrieben. Dieser Eindruck entsteht vor allem durch eine Sicke an den Wagenflanken, die am vorderen Radkasten beginnt und von dort bis zum Abschluss des Dachs stark ansteigt. Die Sicke ist eine Idee, die Pininfarina bereits beim Quattro Quartz (und auch dem Alfa 164) verwirklicht hatte; dort verläuft sie allerdings waagerecht. Die Gürtellinie des Spider folgt dem Verlauf der Sicke. Gleiches gilt für die Fuge zwischen dem hinteren Kotflügel und dem hinteren Stoßfänger.
Die große einteilige Motorhaube ist aus Kunststoff; das Material wird vor allem wegen der unproblematischen Verarbeitungsmöglichkeit gewählt. Sie ragt weit in die Wagenflanken hinein. Auf jeder Seite lässt sie vorn zwei kreisförmige Öffnungen für die Scheinwerfer. Die Leuchten selbst sind fest montiert und schwenken beim Öffnen der Motorhaube nicht nach oben. In der Mitte der Motorhaube ist Alfa Romeos Scudetto positioniert, das unten in den Stoßfänger hineinragt beziehungsweise die Stoßstange durchbricht.
Alfa Romeo GTV (916, 1994)
Der Spider hat ebenso wie der GTV keine ausgeformten Türgriffe. Stattdessen gibt es jeweils einen Druckkopf in der Tür zur Entriegelung sowie eine Vertiefung in der seitlichen Sicke, in die ein Finger eingeführt werden kann, um die entriegelte Tür aufzuziehen.
Anders als beim GTV, bei dem eine Abrisskante vorgesehen ist, fällt der Kofferraumdeckel beim Spider nach hinten ab. Am Heckabschluss befindet sich ein schmales, über die ganze Wagenbreite reichendes Leuchtband, das die Blinker, die Bremslichter, die Schlusslichter, die Rückfahrscheinwerfer und die Nebelschlussleuchten enthält. Der Spider und der GTV haben jeweils das gleiche Leuchtband.
Umstrittener Frontantrieb
Alle Versionen des Spider 916 haben vorn quer eingebaute Motoren, die über handgeschaltete Getriebe die Vorderräder antreiben. Die Frontantriebsauslegung des Spiders ist eine unmittelbare Folge der Ableitung des Tipo 916 von der Tipo-Due-Plattform. Sie ist ein Bruch mit der Tradition; alle bisherigen Spider wie auch deren Vorgänger Giulia und Giulietta hatten Hinterradantrieb.
Die Neuausrichtung wird in der zeitgenössischen Presse anfänglich teilweise kritisch besprochen; einige Autoren befürchteten einen Verlust des Fahrspaßes. Überwiegend gilt die Antriebstechnik allerdings als gelungen. Das Fahrwerk wird als gut ausbalanciert beschrieben.
Alfa Romeo Spider und GTV (916, 1994-2004)
Für den Spider bietet Alfa Romeo verschiedene Ottomotoren mit vier und sechs Zylindern an. Basismotorisierung ist ein Reihenvierzylindermotor mit Doppelzündung (Twin Spark) aus Fiats Pratola-Serra-Reihe. Der Zylinderkopf ist eine Alfa-Romeo-Konstruktion. Der Motor hat zwei obenliegende Nockenwellen mit variabler Steuerung der Einlassventile.
Über den gesamten Produktionszeitraum war eine 2,0 Liter große, mit zwei Ausgleichswellen ausgestattete Version dieses Motors erhältlich (2.0 TS), dessen Leistung in der ersten Serie 110 kW (150 PS) und bei den ab Mai 1998 gebauten Autos 114 kW (155 PS) beträgt. Zu Beginn der zweiten Baureihe gibt es von 1998 bis 2000 außerdem eine kleinere Variante mit 1,8 Liter Hubraum und einer Leistung von 106 kW (144 PS), die keine Ausgleichswellen hat. (1.8 TS).
Alfa Romeo Spider (2003)
Mit der Einführung der dritten Baureihe des Spider von 2003 kommt zusätzlich ein 2,0 Liter großer Reihenvierzylindermotor mit einer Benzindirekteinspritzung ins Programm (2.0 JTS). Anders als die Twin-Spark-Motoren hat er nur eine Zündkerze pro Zylinder. Die Motorleistung liegt bei 122 kW (166 PS).
Arese-V6 als Highlight unter der Haube
Die Spitzenmotorisierung bilden verschiedene Ausführungen von Alfa Romeos V6, der auf eine Konstruktion von Giuseppe Busso zurückgeht. Der Busso- oder Arese-Motor hat einen Zylinderbankwinkel von 60 Grad und einen Zylinderblock aus Aluminium. In der ersten Baureihe und in den ersten Modellen der zweiten Baureihe kommt eine Version mit 3,0 Liter , je einer obenliegenden Nockenwelle pro Zylinderreihe und zwei Ventilen pro Zylinder zum Einsatz, die 141 kW (192 PS) leistet.
Ab dem Jahr 2000 wird er durch eine gleich große Version mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank und vier Ventilen pro Zylinder (3.0 V6 24V) ersetzt, die bereits seit 1993 die Spitzenmotorisierung im Alfa Romeo 164 darstellt und im Tipo-916-GTV bereits seit Juli 1996 erhältlich ist. Die Motorleistung dieser Variante beträgt 160 kW (218 PS).
Der legendäre Arese-V6 von Alfa Romeo
Mit der Einführung der dritten Baureihe 2003 nimmt Alfa Romeo schließlich eine Version des Sechszylindermotors mit auf 3,2 Liter vergrößertem Hubraum und 176 kW (240 PS) ins Programm, die auf den meisten Märkten die 3,0-Liter-Variante ersetzt; auf einigen Märkten - darunter Frankreich - sind allerdings beide Sechszylindermotoren parallel im Programm.
Sonder-Turbo für Italien
Eine Sonderstellung nimmt der 2,0 V6 Turbo ein, der von 1995 bis 2000 beim Spider vorrangig auf dem italienischen Markt angeboten wurde. Er ist eine im Hubraum auf 1.996 ccm reduzierte Version des Busso-Sechszylinders, die zur Leistungssteigerung mit einem Turbolader ausgestattet wird. Die Leistung beträgt 147 kW (200 PS). Eine entsprechende Motorisierung, die auf die italienische Steuergesetzgebung zurückzuführen ist, bietet Alfa Romeo auch in seinen zeitgenössischen Limousinen an.
Die Kraftübertragung übernimmt in den meisten Fällen ein handgeschaltetes Fünfganggetriebe. Lediglich der 3.0 V6 24 und der 3.2 V6 24 haben ein Sechsganggetriebe. Bis 2004 entstehen, alle drei Baureihen zusammengenommen, 38.891 Spider Tipo 916.
Was sagt die Presse? Der ADAC findet im Jahr 1996 beim Anblick des GTV: "So werden Trends gesetzt", bemängelt aber das viele Plastik im Innenraum. Zudem sei der Innenraum ziemlich eng und der 110 Liter große Kofferraum des 4,28 Meter langen Wagens ein Witz. Gelobt wird aber der Klang des 2,0-Liter-Vierzylinders mit 150 PS im damit 45.450 Mark teuren GTV.
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