Ernst Mosers Teamchef-Abschied: Ein Racer durch und durch

Führungsperson, Erfolgsmensch, Kämpfer mit ganzem Herzen - Ernst Moser verkörpert Motorsport wie kaum ein anderer - Jetzt geht er in den Ruhestand

(Motorsport-Total.com) - Er bekam die volle Breitseite ab. Die obligatorische Champagnerdusche auf dem Siegerpodest beim Finale der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) 2023, dem "Schinkenrennen" des MSC Münster, war eine einzige Jagd auf Ernst Moser, der alles auf der obersten Stufe des Podests über sich ergehen ließ. Eine riesige Champagnerdusche für ein Lebenswerk. Er tritt als Teamchef von Scherer Sport PHX, lange Zeit unter dem Namen "Phoenix Racing" bekannt, ab.

Titel-Bild zur News: Frank Stippler und Christopher Mies bescherten Ernst Moser den letzten Sieg als Teamchef

Frank Stippler und Christopher Mies bescherten Ernst Moser den letzten Sieg als Teamchef Zoom

Motorsport-Total.com hat mit einer Reihe ehemaliger Phoenix-Piloten gesprochen. Und alle bestätigen den Eindruck, den Ernst Moser stets nach außen vermittelte: Dass er den Motorsport mit ganzem Herzen lebt. Dabei strahlt er stets die Aura einer Führungspersönlichkeit aus und lässt im richtigen Moment den Emotionen freien Lauf.

"Ich glaube, es gibt nur wenige Verbindungen im Motorsport, die so lange gehalten haben", sagt Frank Stippler, der seit 15 Jahren Teil von Phoenix Racing beziehungsweise Scherer-Phx ist. "Auf der einen Seite ist es natürlich schade, dass er jetzt aufhört. Auf der anderen Seite ist es sicher ein passender Moment. Wir haben so viele große Rennen zusammen bestritten, ich habe ihm viel zu verdanken."

"Es war immer aufregend, mit ihm zu fahren und in den meisten Fällen auch schön. Es war eine Ehre mit ihm zu fahren. Er kann mit Recht stolz auf sein Lebenswerk sein. Es gibt nicht viele Teams, die über einen so langen Zeitraum so erfolgreich waren."

"Stippi" kam 2009 ins Team und fuhr für Phoenix/Scherer vor allem auf der Nürburgring-Nordschleife, aber auch in der 24h-Serie, der interkontinentalen GT-Challenge (IGTC) und der damaligen Blancpain-Endurance-Series (heute GT-World-Challenge Europe Endurance-Cup). Er gehörte zu den Siegerteams bei den 24 Stunden vom Nürburgring 2012 und 2019 sowie in Spa 2012.

Einer seiner Teamkollegen beim Sieg 2019 ist der Belgier Frederic Vervisch, der auch am jüngsten Phoenix-Sieg beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2022 beteiligt war.

"Wir waren im siebten Himmel, als wir gemeinsam gewonnen haben. Ich habe meine beiden größten Siege mit ihm und Audi erlebt. Ich werde ihn nie vergessen und wünsche ihm alles Gute für seine Campingtour." Moser hat angekündigt, dass er seine bald freiere Zeit für Reisen nutzen will, vor allem durch Südamerika.


Fotos: NLS 2023: 47. DMV Münsterlandpokal


Auch Vincent Kolb kann auf sechs gemeinsame Jahre mit Ernst Moser zurückblicken. Zwar konnte er beim Saisonfinale nicht dabei sein, weil er in Estoril ein historisches Rennen bestritt (und dort Vierter wurde).

"Das ist natürlich sehr traurig", sagt er. "2017 habe ich das erste Gespräch mit Ernst geführt und dann den ersten Fahrervertrag für eine halbe Saison unterschrieben. Daraus sind jetzt sechs Jahre hier oben auf der Langstrecke geworden."

Zwei DTM-Titel mit viel Akribie

Der Sieg von Timo Scheider beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring mit Phoenix Racing liegt schon etwas länger zurück. Er fiel in die Opel-Zeit des Teams. Im Jahr 2003 gelang der Geniestreich: "Ich war schockiert, dass der Sieg schon 20 Jahre her ist! Eigentlich ist es schockierend, dass ich schon so lange auf hohem Niveau fahre - und Ernst noch viel länger. Ich wünsche ihm alles Gute."

Auch Scheider fuhr in der DTM für das Phoenix-Team. Der große Durchbruch gelang ihm aber erst 2011 mit Martin Tomczyk im Jahreswagen. "Es war das intensivste Jahr, das ich in der DTM hatte", sagt Tomczyk, der ausschließlich 2011 für Phoenix in der DTM fuhr und prompt den Meistertitel holte.

"Für Ernst war es sicher auch eine Art Erlösung. Es war sein erster DTM-Titel nach sehr langer Zeit. Deshalb habe ich ihm und seinem Team sehr viel zu verdanken. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht. Er ist ein absoluter Racer. Das merkt man auch an der Einstellung seines Teams, weil er das entsprechend vermittelt."

Den zweiten DTM-Titel holte Phoenix Racing zwei Jahre später mit Mike Rockenfeller. "Ich habe bis auf vier Jahre fast meine gesamte DTM-Zeit mit Ernst verbracht", so der Champion von 2013. "Ich war zehn Jahre bei Phoenix, habe die Meisterschaft gewonnen, und natürlich hatte ich auch Jahre, in denen es nicht so gut lief. Das gehört immer dazu. Ernst war immer mega-emotional und ist Racer durch und durch."

Mit Martin Tomczyks Titelgewinn gelang Phoenix im Jahr 2011 endlich der Durchbruch in der DTM

Mit Martin Tomczyks Titelgewinn gelang Phoenix im Jahr 2011 endlich der Durchbruch in der DTM Zoom

Wie sehr, das erzählt Tomczyk, der 2023 gemeinsam mit Rockenfeller und Scheider für Scherer-Phx noch einmal in einem Legendenauto beim 24-Stunden-Rennen an den Start gegangen ist: "Wir hatten am Donnerstagabend um halb zwölf eine Besprechung und eine Diskussion über das Licht. Es ging um die Folierung der Autos."

"Plötzlich steht Ernst auf, kommt zehn Minuten später wieder und sagt genau, wer welche Folien drauf hat. Da merkt man, wie sehr er noch drin steckt. Er hat bei jedem seiner Autos genau gezählt, wie viele Folien auf den Scheinwerfern sind."

Ein knappes Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte

Seit der Gründung von Phoenix Racing im Jahr 1999 ist das Team der Lebensinhalt von Ernst Moser. Begonnen hat er seine Karriere als Mechaniker bei AMG, als Mercedes Ende der 1980er-Jahre in die DTM zurückkehrte. "Damals war noch alles möglich, auch als kleiner Junge und Mechanikermeister", erinnert er sich im NLS-Talk.

1999 folgte nach einigen Jahren bei Zakspeed die Teamgründung. Auch hier musste Moser hart kämpfen: "Die Bankdirektoren davon zu überzeugen, dass ich Geld brauche, war unglaublich schwierig. Ich habe es geschafft und bin 1999 relativ gut gestartet."

"Ich hatte Glück, weil wir in den ersten beiden Jahren gute Sponsoren hatten. So bin ich direkt in die DTM gekommen. Auch da ging es wie mit dem Fahrstuhl nach oben." Im ersten Jahr der "neuen" DTM 2000 verpasste Manuel Reuter im Phoenix-Opel den Titel nur knapp gegen Bernd Schneider. Gleichzeitig gewann Phoenix Racing im selben Jahr mit Porsche das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.

"Das ist das Glück, das man im Leben braucht. Und man muss im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen treffen." Ernst Moser

"Das ist das Glück, das man im Leben braucht. Und man muss im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen treffen", fasst Moser zusammen. Zu einer starken Führungspersönlichkeit gehört natürlich auch harte Arbeit. Für ihn eine Selbstverständlichkeit: "Hart arbeiten muss man immer, sonst geht es nicht."

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Fünf Siege beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, der Sieg 2011 bei den 24 Stunden von Spa, zwei DTM-Titel, Meister in der FIA GT3-Europameisterschaft, Vizemeister in der FIA GT, Siege bei den 12 Stunden von Bathurst und den 12 Stunden von Sepang, Laufsiege im ADAC GT Masters. Ganz zu schweigen von den zahlreichen VLN/NLS-Triumphen.

Beim NLS-Finale 2023 kam ein letzter Sieg für Moser als Teamchef hinzu. "Diesen Sieg wollten wir Ernst unbedingt noch einmal schenken", sagt Stippler. "Ich war mir mit Chris einig, dass wir heute alles geben müssen."

Gemeint ist Christopher Mies, der für Vincent Kolb eingesprungen ist. Mies, wie Moser ein Racer, musste nicht lange überlegen, als er das Angebot bekam. "Das war legendär und hat Spaß gemacht! Nach so langer Zeit wieder für Ernst zu fahren, war etwas ganz Besonderes", freut er sich nach seinem ersten Nordschleifen-Sieg seit 2020. Mies fuhr 2012 und 2016 für Phoenix.


Highlights NLS9 2023: 47. DMV Münsterlandpokal

Die besten Szenen vom 47. DMV Münsterlandpokal a.k.a. "Schinkenrennen", dem Saisonfinale der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) 2023

Der Sieg folgte auf eine wahre Seuchensaison mit Pleiten, Pech und Pannen. "Ich habe das Auto das ganze Jahr über ausgequetscht wie eine Zitrone, aber es wurde nie belohnt, außer jetzt beim letzten Rennen", sagte Stippler, der unter erschwerten Bedingungen fuhr, weil seine Mutter kürzlich operiert worden ist.

Mies ergänzt: "Dass das Auto gut geht, haben wir das ganze Jahr gesehen. Stippi war immer vorne dabei, nur das Glück hat gefehlt. Umso mehr freue ich mich, dass es jetzt für Ernsts Ruhestand und auch für Stippi nach so langer Zeit mit einem Sieg geklappt hat."

Wenn es schlecht lief, flogen Stühle

Natürlich gehören auch Rückschläge zum Motorsport. Und auch hier hat Ernst Moser bei seinen Fahrern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. "Ich hatte Höhen und Tiefen mit ihm", erinnert sich Vervisch. "Ich bin für sein Team in der GT-World-Challenge gefahren. Das war eine schwierige Zeit. Jeder hat gesehen, dass er mit ganzem Herzen dabei war."

"Wenn etwas schief lief, gab es auch die entsprechenden Worte. Wir haben uns ein paar Mal gefetzt, aber wir sind auch ehrliche Menschen und sagen, was uns durch den Kopf geht. Es gab diese schwierige Phase und dann hatten wir eine der besten Zeiten zusammen, als wir hier zusammen gewonnen haben. Wir hatten Höhen und Tiefen, es sind viele schöne Erinnerungen."

Scheider stimmt ihm zu: "Er ist ein Mensch, der seine Emotionen auf der Zunge trägt. Wir haben hinter den Kulissen schon Stühle fliegen sehen und uns angeschrien, weil er mit seinen Emotionen so nah am Ergebnis und an der Performance des Autos ist wie kaum ein anderer."

"Das macht ihn natürlich auch im Positiven aus, weil man bei ihm immer weiß, wo man steht. Er sagt einem, wenn man Mist gebaut hat und lässt einen das auch spüren. Es war schön, in diesem Jahr beim 24-Stunden-Rennen noch einmal mit ihm zusammengearbeitet zu haben."

Ernst Moser wird noch öfters im Fahrerlager anzutreffen sein, da sind sich alle sicher

Ernst Moser wird noch öfters im Fahrerlager anzutreffen sein, da sind sich alle sicher Zoom

Doch wird sich Ernst Moser wirklich auf das Reisen konzentrieren? Aus dem Tagesgeschäft zieht er sich nun zurück, aber eigentlich haben ihn alle mit "bis nächstes Jahr" verabschiedet. Moser ohne Motorsport, das ist undenkbar. Er wird Scherer Sport PHX in beratender Funktion erhalten bleiben.

"Ich denke, er wird bald wieder hier sein, dafür fließt der Motorsport zu sehr in seinen Adern", sagt Vervisch. Rockenfeller sieht das ähnlich: "Man wird ihn noch öfters hier sehen."

Martin Tomczyk ergänzt: "Er hat gesagt, er wird hier in der Box sein. Das funktioniert sonst nicht. Ernst ohne Rennstrecke, das geht einfach nicht. Und so soll es auch sein, denn er ist einfach ein Teil der deutschen Motorsportszene."

Und so wird Ernst Moser auch im kommenden Jahr häufig im Fahrerlager anzutreffen sein. Nur nicht mehr mit der Verantwortung, die er bisher getragen hat. In seine Fußstapfen müssen nun seine Nachfolger treten. Und die sind groß.

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