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  • 03.12.2014 12:00

Michele Mouton im Interview: Motorsport ist keine Männerwelt

Michele Mouton, Präsidentin der FIA-Kommission Frauen im Motorsport, spricht anlässlich des fünften Geburtstags der Initiative über Ziele, Aufgaben und Fortschritte

(Motorsport-Total.com) - 2009 gründete die FIA die Kommission Frauen im Motorsport. Nun steht diese Initiative vor ihrem fünften Geburtstag und Präsidentin Michele Mouton spricht im Interview über Ziele und Aufgaben der Kommission. Die ehemalige Rallyepiloten erklärt unter anderem, wie sich die Kommission seit ihrer Gründung verändert hat und warum die Ziele ihrer Meinung nach noch lange nicht erreicht sind.

Titel-Bild zur News: Michele Gatting, Michele Mouton

Michele Mouton (re.) mit Michelle Gatting beim Volkswagen-Scirocco-R-Cup Zoom

Frage: "Die Kommission steht vor ihrem fünften Geburtstag. Was waren zu Beginn die Ziele und wie hat sich die Initiative seit dieser Zeit verändert?"
Michele Mouton: "Unsere Ziele sind noch immer die gleichen wie beim Start der Kommission 2009: Die Teilnahme von Frauen in allen Bereichen des Motorsports zu stärken und fördern. Wie bei jedem neuen Projekt braucht es Zeit, eine Strategie auszuformulieren und ich denke, dass 2010 größtenteils ein Jahr der Planung war. Jahr für Jahr haben wir Momentum gewonnen, aber es gibt noch immer eine Menge Daten, die wir sammeln müssen, um ein klares Bild von der heutigen Position von Frauen in unserem Sport zu bekommen."

Frage: "Hat die Kommission ihre kurzfristigen Ziele bereits erreicht?"
Mouton: "Ich denke, dass wir in den vergangenen Jahren wirklich Fortschritte gemacht haben. Aber die Arbeit geht immer weiter. Zu Beginn haben wir uns entschieden, den Fokus auf die Förderung und Bekanntmachung von weiblichen Teilnehmern beim Kart, Racing und bei der Rallye zu legen."

"Seitdem haben wir unser Ziel allerdings ausgeweitet und schließen nun auch Ingenieure, Freiwillige und Offizielle mit ein. Wir haben in der Kommission jetzt Mitglieder, die Experten in all diesen Feldern sind. Ihre persönliche Erfahrung gibt uns eine wertvolle Einsicht in das, was wir tun müssen, um mehr Frauen zu ermutigen, sich in diesen Bereichen zu engagieren."

Frage: "Mit weiblichen Fahrern wie Susie Wolff, Michela Cerutti and Keiko Ihara, die Formel-1-Autos testen, Rennen gewinnen und Weltmeisterschaften auf dem Podium beenden, brauchen wir da überhaupt noch eine Kommission, um Frauen im Motorsport zu unterstützen? Gibt es noch Hürden, die überwunden werden müssen?"
Mouton: "Susie, Michela und Keiko sind großartige Botschafterinnen dafür, was Frauen erreichen können. Aber auch wenn wir immer mehr junge Mädchen sehen, die in den Sport einsteigen und erfolgreich sind, gibt es auf dem höchsten Level noch immer sehr wenige."

"Trotzdem war es exzellent zu sehen, dass Mikaela Ahlin-Kottulinsky kürzlich die erste Frau war, die ein Rennen des Volkswagen-Scirocco-R-Cups gewinnen konnte. Es geht auch nicht nur ums Fahren. Es gibt viele verschiedene Rollen im Motorsport und diesen Fakt müssen wir auch unterstützen. Ich denke, es gibt noch immer diese Wahrnehmung, dass der Motorsport eine Männerwelt ist. Aber das ist weit weg von der Wahrheit. Wenn ich mir die verschiedenen Meisterschaften ansehe, dann gibt es viele junge Frauen, die im Sport arbeiten. Aber weil sie nicht fahren, stehen sie nicht im Rampenlicht."


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"Wir müssen die Tatsachen bekannter machen, was Frauen im Hintergrund erreichen. Ich glaube, es werden mehr Frauen in unseren Sport einsteigen wollen, wenn wir in allen Bereichen eine höhere weibliche Präsenz haben. Ich muss mich bei der Rallye gar nicht groß umsehen, um Frauen in allen Bereichen zu sehen. Frauen arbeiten dort auch in organisatorischen Top-Positionen. Wie alle anderen haben auch sie harte Arbeit geleistet, um in ihrem ausgewählten Bereich erfolgreich zu sein. Sie haben eine Leidenschaft für das, was sie tun."

Quantität für Qualität?

Frage: "Da sich die Kommission verändert hat, haben sich da auch die Hauptprobleme geändert? Haben eure Untersuchungen neue Informationen über den Erfolg von weiblichen Teilnehmern im Motorsport hervorgebracht?"
Mouton: "Eine unserer größten Aufgaben ist es, Daten aus aller Welt zusammenzutragen, um Fakten über Frauen im Motorsport zu ermitteln."

"Wie man sich vorstellen kann, ist das eine gewaltige Aufgabe. Aber allmählich bauen wir uns eine Datenbank auf. Wir haben die wertvollste Ressource zur Verfügung - die nationalen Verbände der FIA - und viele von ihnen haben nationale Vertreter bestimmt, die uns bei unserer Arbeit helfen. Aber wie gesagt: Es ist ein großer Job und er wir Zeit brauchen und selbst dann wird er sich weiterhin entwickeln."

Frage: "Der heilige Gral ist es natürlich, eine Frau in der Formel 1, bei den Tourenwagen oder der Rallye auf dem höchsten Level fahren zu sehen. Aber ist es wichtiger, eine größere Anzahl an Frauen auf einem Basislevel im Motorsport zu sehen - auf einem nationalen Level?"
Mouton: "Ich denke, die wichtigste Sache ist es, die Leute zu ermutigen das zu tun, was sie glücklich macht, und ihnen aufzuzeigen, was für alle möglich ist. Ja, natürlich würde ich es lieben, eine Frau in der Formel 1 oder auf dem höchsten Level in einer unserer anderen Weltmeisterschaften fahren zu sehen."

"Aber das wird Zeit brauchen und wird nur passieren, wenn jemand bereits auf einem Basislevel die Leidenschaft und Entschlossenheit besitzt. Es ist wichtig, dass wir die Leute in einem jungen Alter in unseren Sport bringen - und zwar nicht nur Mädchen. Man muss sich die Top-Piloten nur ansehen und dann wird man feststellen, dass sie alle Meisterschaften ab dem Kart durchlaufen haben. Es ist nicht nur die Aufgabe unserer Kommission, mehr Mädchen für den Sport zu gewinnen. Es ist etwas, dass die FIA und die nationalen Verbände sehr ernst nehmen."


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"Ich persönlich bin überzeugt, dass es nur mit einer höheren Anzahl an Mädchen im Motorsport die Chancen geben wird, auf irgendeine Art erfolgreich zu sein. Wenn man die Proportionen zwischen teilnehmenden Männern und wie viele von ihnen erfolgreich sind mit dem Verhältnis von jungen Mädchen vergleicht, dann wird man verstehen, warum wir in allen Disziplinen noch immer nicht genug Frauen an der Spitze haben."

Möglichkeiten zum Netzwerken ein "großer Gewinn"

Frage: "Was waren in der Geschichte der Kommission bisher die wichtigsten Meilensteine?"
Mouton: "Unser erstes Seminar in Paris 2012 war ein großartiger Schritt für uns und brachte unsere Vertreter aus der ganzen Welt zusammen. Es war wirklich inspirierend und eine tolle Gelegenheit, die Probleme, die Frauen auf der ganzen Welt gegenüberstehen, zu diskutieren. Gleichzeitig starteten wir unser Botschafter-Programm und ich bin stolz, dass diese erfolgreichen Frauen uns auf der ganzen Welt in vielen unterschiedlichen Bereichen repräsentieren."

"Zu Beginn dieses Jahres wurden wir außerdem von der Qatar Motor and Motorcycle Federation eingeladen, bei einem regionalen Seminar in Doha als Partner aufzutreten. Das hat die Repräsentanten aus der MENA-Region (Naher Osten und Nordafrika; Anm. d. Red.) zusammengebracht und war ein faszinierender Austausch von Erfahrungen und Ideen. Es war eine tolle Initiative von Nasser Khalifa Al Atya, dem Präsidenten der QMMF und FIA Vizepräsident für Sport im Nahen Osten.

"Außerdem freuen wir uns, dass die FIA die Brighton Declaration on Women and Sport unterzeichnet und damit ihre Bemühung, die Gleichberechtigung zu unterstützen, unterstrichen hat. Unterschrieben wurde sie bei der sechsten International Working Group World Conference on Women and Sport in Helsinki im Juni. Die Kommission war ebenfalls während der gesamten Konferenz anwesend."


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"Diese Möglichkeiten zum Netzwerken sind ein großer Gewinn für alle, denn wir können voneinander lernen, die Teilnahme von Frauen im Sport insgesamt zu erhöhen. Aus der reinen Perspektive des Sports freuen wir uns, diese Möglichkeiten in verschiedenen Disziplinen geschaffen zu haben. Aber das hätten wir ohne die unschätzbare Unterstützung von Volkswagen und der CIK-FIA (Kart-Weltverband) nicht geschafft."

Frage: "Was sind die weiteren Pläne der Kommission? Was sollte ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren geschehen?"
Mouton: "Wir werden weiter auf unserer ursprünglichen Aufgabe aufbauen. Aber eines der größten Ziele wäre es, weltweit eine Suche nach einer jungen und schnellen Fahrerin zu starten. Die Idee steckt momentan noch in den Kinderschuhen, aber wie haben die Ambition dazu."

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