• 13.03.2009 15:40

  • von Pete Fink

Wenn der Teamchef am Wagenheber schwitzt

Ungewöhnliche Situationen erfordern oft ungewöhnliche Maßnahmen, wie es derzeit bei vielen kleinen Sprint-Cup-Teams notwendig ist

(Motorsport-Total.com) - Mike Bliss sorgte in seinem Phoenix-Chevrolet beim Kobalt Tools 500 unfreiwillig für Aufregung. Nach nur 21 Runden fuhr er den Chevrolet mit der Startnummer 09 an die Box und gab auf. Begründung: Überhitzungsprobleme. Natürlich wurde Bliss als 43. und Letzter gewertet, doch immerhin sicherte er seinem Team damit 70.141 US-Dollar an Preisgeld.

Titel-Bild zur News: Geoff Bodine, Daytona, Daytona International Speedway

Unverkennbar: Der Gunselman-Toyota stammt aus dem Bill-Davis-Lager 2008

Der dahinterliegende Generalverdacht lautet im NASCAR-Jargon: "Start and Park." Ein Relikt aus den Zeiten der reinen "Field-Filler", als nicht zu jedem Rennen 43 Fahrzeuge antraten. Damals kamen einige kleine Einzelkämpfer an die Strecke, starteten im jeweiligen Rennen und fuhren einige Runden später unverrichteter Dinge wieder an die Box. Preisgeld gab es trotzdem.#w1#

Kleine Teams gibt es aufgrund der US-Finanzkrise nun auch 2009 in großer Zahl: Mayfield Motorsports, Tommy Baldwin Racing, TRG Motorsports, Nemco Motorsports, Germain Racing, Prism Motorsports oder Gunselman Motorsports. Ihnen gemeinsam ist vor allem eines: Sie verfügen - gemessen an den Topteams - über unglaublich kleine Mannschaften und kaum Budget.

Die Kostenspiele der Kleinen

Die Krönung lieferte in Las Vegas das Gunselmann-Team, für das Todd Bodine fuhr. Crewchief Doug Richert half beim Reifenwechsel, Ersatzpilot Geoff Bodine half beim Betanken und Teamchef Larry Gunselman betätigte sich am Wagenheber. Dazu war die komplett in neutralem Weiß gehaltene Gunselman-Mini-Pitbox für das Rennen ganz offenbar kurzfristig von einem Verleiher angemietet worden. Vermutlich konnte man nach zwei misslungenen Qualifikationsversuchen zuvor nicht mit einem Einzug ins Rennen rechnen.

Miccosukee-Chevrolet Phoenix Racing

Der Phoenix-Chevrolet von Mike Bliss: Hat er nun geparkt oder nicht? Zoom

Trotzdem drehte Bodine 227 der 285 Runden und beendete das Shelby 427 von Las Vegas auf Platz 37, was 84.175 US-Dollar Preisgeld in die Kasse spülte. Die pauschale Kostenrechnung der Kleinen ähnelt sich dabei auffällig: Etwa 50.000 US-Dollar benötigt so ein Mini-Sprint-Cup-Team, um an die Strecke zu kommen und einen Qualifikationsversuch zu unternehmen. Weitere 50.000 Dollar werden fällig, wenn man danach beabsichtigt, ein komplettes Rennen zu fahren.

Dieses Geld geht vor allem in die Triebwerksinspektionen und die notwendigen Sätze Reifen samt Felgen. Es stammt fast immer aus den Geldbeuteln kleiner, oft lokaler Sponsoren. Deren Aufkleber wiederum kommen erst in einer Über-Nacht-Aktion auf das Einsatzauto, wenn eine Qualifikation geschafft wurde.

NASCAR schaut genau zu

Diese unglaubliche Diskrepanz zwischen groß und klein entbehrt nicht eines gewissen Charmes, denn es ist durchaus als eine Leistung anzuerkennen, wenn es ein Gunselman-Toyota in der Qualifikation von Las Vegas schafft, innerhalb einer halben Sekunde hinter Polesetter Kyle Busch und dessen bärenstarken Gibbs-Toyota zu stehen.

Mike Helton

NASCAR-Präsident Mike Helton brach eine Lanze für die kleinen Teams Zoom

So sieht es auch NASCAR-Präsident Mike Helton: "Ich sehe das nicht als Problem an", versicherte Helton gegenüber 'ESPN'. "Ich sehe das Ganze als einen Versuch, wie neue Teams und Fahrer in unseren Sport kommen können. Für mich ist das eine Chance. Vielleicht sind sie noch ganz nicht auf dem notwendigen Speed, aber genau damit beginnt alles."

Und was war nun mit Mike Bliss los? Bei dessen Phoenix-Chevrolet handelt es sich um ein Kundenauto von Hendrick Motorsports. Angesichts der jüngsten Zuverlässigkeitsprobleme bei Hendrick (Motorschäden von Mark Martin in Fontana und Las Vegas sowie von Dale Earnhardt jun. in Fontana) kann es gut sein, dass NASCAR ein simples Überhitzungsproblem akzeptiert. Eine Motorenrevision ist immerhin billiger als ein brandneues Chevy-Triebwerk.