• 27.11.2010 00:27

  • von Pete Fink

VW und die NASCAR: Was passiert jetzt?

Es ist nach wie vor ein heißes Eisen: Will der Volkswagen-Konzern tatsächlich mit Hilfe der NASCAR Amerika erobern? Das Timing wäre jedenfalls perfekt...

(Motorsport-Total.com) - Volkswagen ist weltweit gesehen hinter Toyota und General Motors die Nummer drei unter den Automobilherstellern. Auf dem so wichtigen US-amerikanischen Markt sind die Wolfsburger aber nur ein sehr kleines Licht. Das soll sich ab Mai 2011 ändern, wenn in Chattanooga, im US-Bundesstaat Tennessee, ein neues Werk eröffnet wird.

Titel-Bild zur News: VW-Logo

Taucht das Volkswagen-Logo ab 2012 wirklich in der NASCAR auf?

Über 600 Millionen Euro lässt sich der VW-Konzern dieses - nach langer Abstinenz - erste US-Werk kosten. Produziert wird dort ein PKW im Preissegment der unteren Mittelklasse, der für die Nummer drei auf dem automobilen Weltmarkt endlich auch die immerhin 300 Millionen US-Amerikaner gewinnen soll. Unter anderem ein direkter Konkurrent für den Toyota Camry, den Chevrolet Impala und den Ford Fusion.

Das Ziel ist also klar: VW will mit diesem neuen Auto Mainstream-Amerika erobern. Weniger den hippen New Yorker, der mit der Financial Times unter dem Arm und einem Latte Macchiato an die Wall Street geht. Auch die kalifornische Sunshine- und Surfergemeinde stellt nicht die erste Zielgruppe dar. Nein, es geht um den klassischen Otto Normalamerikaner. Und die große Frage dazu lautet: Welche Marketinginstrumente setzt VW ein, damit dieses neue Modell ein Erfolg wird?

Kein Zweifel: Wenn der Konzern dabei - unter anderem - auf die Karte Motorsport setzt, dann wäre ein NASCAR-Engagement für VW ein gelungener Marketing-Coup. Denn mit diesem neuen Auto nehmen die Wolfsburger genau die Zig-Millionen Amerikaner aufs Korn, die an 38 Wochenenden im Jahr Jimmie Johnson und Co. zusehen. Im Schnitt pro Rennen 100.000 Menschen an der Strecke und weit über fünf Millionen an den TV-Geräten. Jedes Jahr von Mitte Februar bis Mitte November - der US-amerikanische Otto Normalverbraucher schaut nach wie vor NASCAR.

General Motors mit erfolgreichem Börsengang

Chevrolet-Logo

General Motors und Chevrolet haben einen erfolgreichen Börsengang hinter sich Zoom

Auch das Timing eines NASCAR-Einstiegs scheint nahezu perfekt zu sein. Es ist allseits bekannt, dass das extreme NASCAR-Wachstum seit Anfang 2007 stagniert, die folgende US-Finanzkrise tat ihr übriges. Die mächtigen Bosse in Charlotte sind derzeit sicher nicht abgeneigt, wenn sie nach Toyota, General Motors und Ford einen weiteren ganz großen Global Player in ihren Reihen begrüßen könnten. Die drei weltweit größten Autobauer in der NASCAR vereint - das kann keine andere Motorsportserie vorweisen. Damit kann man durchaus Argumente für den US-Sponsorenmarkt schaffen.

Doch aufgepasst: Es tut sich etwas in den USA. Noch vor einem Jahr quasi totgesagt, und nur durch massive staatliche Hilfe am Leben erhalten, schreibt General Motors seit Mitte des Jahres 2010 wieder schwarze Zahlen. Vor wenigen Tagen erfolgte einer der größten Börsengänge der Geschichte. Zunächst wollte GM 365 Millionen neue Aktien auf den Markt werfen, aufgrund der großen Nachfrage wurden es letztlich insgesamt 478 Millionen Stück, die derzeit mit etwa 25 Euro gehandelt werden.

Ein Milliardengeschäft! General Motors bekommt also langsam aber sicher wieder Oberwasser, Chrysler will im Jahr 2011 mit einem eigenen Börsengang nachziehen. Was hat dies alles mit VW und einem möglichen NASCAR-Einstieg zu tun? Ganz einfach: Je stabiler das finanzielle Umfeld der alteingesessenen NASCAR-Hersteller ist, desto weniger dringend benötigt man frisches Blut - zum Beispiel durch einen VW-Einstieg. Eine deutsche Verhandlungsposition wird dadurch nicht gestärkt. Siehe Toyota, die auf dem Höhepunkt der NASCAR-Macht mitspielen wollten, und sich über drei Jahre lang in der Truck-Serie hochdienen mussten.

Gerade weil ein möglicher wirtschaftlicher Umschwung zum Beispiel bei General Motors derzeit ein sehr zartes Pflänzchen ist, der bei den Sprint-Cup-Teams noch lange nicht angekommen ist, hat NASCAR noch das eine oder andere gravierende Problem im Tagesgeschäft zu lösen. Etwa die wenig prestigeträchtige Scharade rund um Richard Petty Motorsports, bei der mindestens ein Team auf der Strecke bleiben wird.

Perfektes Timing

Bristol

NASCAR wünscht sich volle Häuser - und natürlich volle Starterfelder Zoom

Seit einigen Wochen werden erste Zweifel laut, ob NASCAR mittelfristig in der Lage sein wird, den TV-Anstalten weiterhin ein Starterfeld mit 43 Autos zu garantieren. Derzeit wird dies durch eine großzügige Duldung der Start-and-Park-Teams gewährleistet. Diese kleinen Teams hoffen darauf, sich durch die Qualifikation einen der 43 Startplätze zu sichern, hegen aber auch im Erfolgsfall keinerlei Absichten, das Rennen zu Ende zu fahren.

Ausfallgründe gibt es viele, Reifen und Motoren für ein ganzes Rennen fressen zuviel Budget aus dem noch lukrativ gefüllten Preisgeldtopf. Dieser Topf wird in erster Linie durch die TV-Gelder gefüllt. Würde NASCAR nun mit aller Entschlossenheit gegen die Start-and-Park-Teams vorgehen, wären Starterfelder mit 43 Autos nicht mehr gewährleistet. In diesem Fall würden möglicherweise sogar Nachverhandlungen der TV-Verträge drohen. Was NASCAR natürlich vermeiden will, denn damit sänken vermutlich auch die Preisgelder.

Im Extremfall würde damit eine kleine Abwärtsspirale losgetreten werden, die NASCAR klarerweise fürchten muss, wie der Teufel das berühmte Weihwasser. VW und zwei, drei oder im Optimalfall sogar vier neue und voll durchfinanzierte Teams wäre an dieser Stelle ein hoch wirksames Mittel gegen alle Befürchtungen solcher Art. Das wissen nicht nur NASCAR und deren alteingesessene Sprint-Cup-Teams, das wissen natürlich auch General Motors und Co.

Sollte VW nun tatsächlich in den kommenden Monaten einen NASCAR-Einstieg bekannt geben, dann wäre das Timing perfekt. Das neue US-Auto würde quasi von Produktionsbeginn an einen kräftigen Marketingschub genießen, der ganz NASCAR-USA neugierig machen würde. NASCAR wiederum hätte 2011 ein positives mediales Dauerthema, das eventuelle Durststrecken leicht übertünchen könnte.

Aber es gibt einen Zeitfaktor: Wenn es sich als zutreffend erweisen sollte, dass die US-Konjunkturdaten langsam aber sicher wieder auf Grün umschwenken, dann wird das wohlwollende Entgegenkommen der NASCAR - und der bereits involvierten Hersteller - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht steigen. Billiger als jetzt kann ein NASCAR-Einstieg des Volkswagen-Konzerns nicht werden...