• 01.09.2007 13:23

  • von Stracke/Ron Martin, Focus on Racing Radio

Villeneuve: "Statt Arbeit fast nur noch Spaß"

Der Ex-Formel-1-Weltmeister im Exklusiv-Interview über seinen Wechsel in den NASCAR-Sport und warum er von seinem neuen Arbeitsumfeld so angetan ist

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jacques, als du vor Jahren den US-Rennsport verlassen hast und in die Formel 1 gingst, hättest du dir damals gedacht, dass du wieder in die USA zurückkommen würdest, um hier in der NASCAR zu fahren?"
Jacques Villeneuve: "Damals sicher nicht, ich hatte mich voll auf meine Formel-1-Pläne konzentriert und habe nichts anderes geplant, für mich existierte quasi nichts anderes. Nach einigen Jahren in der Formel 1, vor allem nachdem ich die Meisterschaft gewonnen hatte, haben wir schon angefangen, auch andere Dinge zu beobachten, und zu sehen, was es sonst so noch gibt. Da ist mir klar geworden, dass die NASCAR schon großartig ist."

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve hat die Formel 1 abgehakt und freut sich auf die "neue Welt"

Frage: "Das heißt also, dass du noch zu der Zeit, als du in der Formel 1 gefahren bist, dir die NASCAR genauer angeschaut hast?"
Villeneuve: "Ja, ich habe es immer geliebt, Rennsport im Fernsehen anzuschauen. Egal, welche Form von Rennsport läuft, ich schaue es mir gerne und begeistert an."#w1#

"Das ist unglaublich." Jacques Villeneuve

"Je mehr ich sah, umso mehr habe ich mich für die NASCAR interessiert, doch nur vom Fernsehschauen kriegt man natürlich nicht alles mit, es passiert so viel, auch hinter den Kulissen. Jetzt nachdem ich eine Chance hatte, auch mal selbst zu fahren, habe ich einen echten Eindruck davon bekommen, was alles dazu gehört, und das ist unglaublich."

Frage: "Nachdem du jetzt zwei Tage lang die NASCAR-Trucks getestet hast, kannst du die Formel-1-Technologie, die du gewohnt bist, und auch die, die du vor Jahren in der CART hattest, mit den - wie wir sie nennen - 'Muskel-Autos' der NASCAR vergleichen?"
Villeneuve: "Die Technologie hat tatsächlich wenig Auswirkungen, wenn du im Auto sitzt und durch die Kurven fährst. Als Fahrer sitzt du drin, hast dein Lenkrad und deine Pedale und drehst deine Runden. Die ganze Technologie kommt vor allem dann ins Spiel, wenn du in der Box aussteigst und mit den Ingenieuren arbeitest, alles analysierst."

"Es gibt Millionen von Computern, mit denen du Zahlen, Daten und all das analysierst, da spielt die Technologie eine enorme Rolle. Irgendwie macht es fast mehr Spaß, wenn man das alles nicht hat, denn dann kann man sich richtig aufs Fahren und den menschlichen Aspekt konzentrieren."

"Mir macht diese Arbeitsweise mehr Spaß!" Jacques Villeneuve

"Du sprichst mit dem Crewchief, änderst ein paar Dinge und besprichst mit ihm, was die Änderungen bringen. Es macht mehr aus, wie es sich dann anfühlt, wie man als Fahrer die Änderungen spürt, was ist besser, was ist schlechter, nicht nur was die Daten sagen. Es ist nicht nur eine Menge Daten. Was mich betrifft, mir macht diese Arbeitsweise mehr Spaß!"

Frage: "Du hast diese Woche mit Mike Skinner gearbeitet, ist es sehr anders, mit einem Formel-1-Teamkollege zusammenzuarbeiten, verglichen mit einem - sagen wir mal baldigen - NACSAR Teamkollegen?"
Villeneuve: "Ich habe es sehr viel freundlicher empfunden. Die Kontakte mit den anderen Fahrern, wie zum Beispiel Mike Skinner, sind sehr freundlich, sie sind alle sehr offen und jeder hilft dem anderen. Das ist genau das Gegenteil zur Formel 1. Es ist eine andere Art zu denken, etwas, an das ich mich gewöhnen muss. Es ist schön, es fühlt sich fast so an, als würde man nicht arbeiten, sondern nur Spaß haben."

"Er liegt nicht sehr ruhig, er schaukelt." Jacques Villeneuve

Frage: "Was war in diesen zwei Tagen das Härteste und Schwerste für dich? Man konnte sehen, dass deine Zeiten schneller und schneller wurden. War es schwer, sich im Truck einzugewöhnen?"
Villeneuve: "Ich musste mich einfach eingewöhnen und habe daran gearbeitet, mich im Auto wohl zu fühlen. Ich musste mich zum Beispiel daran gewöhnen, dass es eine Verzögerung gibt, bevor der Truck reagiert. Er liegt nicht sehr ruhig, er schaukelt. Wenn du zu aggressiv fährst, oder nicht abwartest, wie er reagiert oder zu sehr vom Gas gehst, fängt er an, zu schaukeln."

"Ich muss also wirklich daran arbeiten, dass er quasi wie meine zweite Haut wird. Am ersten Tag musste ich mich zum Beispiel alle zwei Runden selbst daran erinnern, dass ich nicht in einem Formelwagen sitze und dass ich anders fahren muss. Am zweiten Tag war das schon besser, ich kam aus der Boxengasse und konnte meine Runden normal fahren, ohne dauernd daran denken zu müssen, was ich jetzt fahre. Ich glaube, das war das Schwerste, das Umlernen."

Frage: "Es gab gerade in den vergangenen Jahren so viele Spekulationen darüber, ob du zurück in eine nordamerikanische Rennserie kommst, zum Beispiel die NASCAR. Die neuesten Gerüchte besagen, dass Jack Roush involviert war, dich in die NASCAR zu holen jetzt heißt es aber, dass du für BDR, Bill Davis Racing, fahren wirst. Was ist der Stand der Dinge und dein Verhältnis zu Jack Roush?"
Villeneuve: "Wir haben sehr hart daran gearbeitet, seit ich die Formel 1 verlasen habe, und es hat viele Diskussionen mit den verschiedensten Leuten gegeben. Craig (Pollock, sein Manager; Anm. d. Red.) war bei vielen verschiedenen Rennen und hat Gespräche geführt."

"Es gab ein starkes Interesse von Bill Davis Racing, und es war sehr positiv vom ersten Moment an. Ich denke das macht die Wahl sehr viele einfacher. Zudem sind sie auch bei den Trucks sehr erfolgreich, und es ist besser, in einer Serie anzufangen, in der man weiß, dass das Team erfolgreich ist"

"Jetzt müssen wir es aufs Papier bringen." Jacques Villeneuve

Frage: "Zur Klarstellung, gibt es einen festen Vertrag, wirst du tatsächlich deine ersten Rennen mit Bill Davis Racing fahren und auch als Testfahrer weiter mit ihnen arbeiten?"
Villeneuve: "Das Team und ich wissen was wir gerne tun würden, aber jetzt müssen wir es aufs Papier bringen und dann spielt dann noch der kleine Faktor Budget eine Rolle, das müssen wir erst zusammen kriegen."

Frage: "Das Budget ist immer ein kleiner Faktor..."
Villeneuve: "Klein, aber sehr wichtig!"

Frage: "Jimmy Johnson sagte, nachdem Juan Pablo Montoya in die NASCAR kam, dass er auf seinen eigenen Trips nach Europa erstaunt war, dass immer mehr Piloten nach NACSAR gefragt haben, auch nach Möglichkeiten, dort zu fahren, er sagte, es wäre durchaus möglich, dass mehr und mehr europäische Piloten hier rüber kommen, stimmst du dem zu?"
Villeneuve: "Ja, ich glaube schon. Jeder Rennfahrer will in der besten Serie fahren, dort, wo der Sport auf dem höchsten Level ist. Die NASCAR ist definitiv auf dem Weg nach oben. Dieser Trend ist seit ein paar Jahren abzusehen, die Serie wird immer größer und ist damit auch eine der interessantesten Serien für uns als Fahrer."