• 28.12.2011 00:22

  • von Pete Fink

Shooting-Star Keselowski: Von wegen "Bad Brad"

Von "Bad Brad" zur neuen Nummer eins bei Penske: Shooting-Star Brad Keselowski hat in der NASCAR einen langen Weg hinter sich - und noch viel mehr vor sich...

(Motorsport-Total.com) - "Wir sind fest davon überzeugt, dass Brad auch in den kommenden Jahren um den Titel mitfahren wird", sagte kein Geringerer als Roger Penske, als er Anfang Dezember 2011 den Vertrag von Brad Keselowski verlängert hatte. Mehr noch: Nur wenige Wochen später erhielt Teamkollege Kurt Busch die Kündigung. Spätestens seit diesem Zeitpunkt dürfte klar sein, dass Keselowski ab der Saison 2012 die absolute Nummer eins im Penske-Stall ist. Und Penske hat allen Grund, seine Chips auf Keselowski zu setzen, denn in NASCAR-USA ist man ausnahmsweise einer Meinung: Der 27-Jährige aus Michigan war 2011 der absolute Shooting-Star.

Titel-Bild zur News: Brad Keselowski

Brad Keselowski: Ist er aus dem Holz der NASCAR-Champions geschnitzt?

Am Ende wurde Keselowski mit drei Saisonsiegen Gesamtfünfter, was zu Saisonbeginn niemand erwartet hatte. Natürlich hatte er im Jahr zuvor mit seiner Nationwide-Meisterschaft 2010 Roger Penske dessen ersten NASCAR-Titel überhaupt geschenkt. Aber im Sprint-Cup konnte niemand seinen Sprung von Platz 25 auf fünf voraussehen. Auch Keselowski selbst nicht. "Ich bin schon sehr stolz auf das, was wir erreicht haben", sagte er im Rahmen der Champions Week von Las Vegas und fügte sofort hinzu: "Aber ich will diese vier Plätze und ich bin bereit dazu, dies auch umzusetzen."

Der entscheidende Wendepunkt kam im Sommer mit dem schweren Testunfall von Road Atlanta, der zwischen Indianapolis-Rennen und Pocono geschah. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Keselowski in der Gesamtwertung nur auf Platz 20 mit einem Sieg (Kansas) und sehr wackeligen Chancen auf eine der beiden Wild-Cards für die Play-Off-Qualifikation. Keselowski fuhr das Rennen mit einem gebrochenen Knöchel. Beide Penske-Dodge pokerten in Sachen Benzinstrategie und lagen nach einer Regenunterbrechung auf den Positionen eins und zwei.

Wendepunkt Pocono

Brad Keselowski

Pocono: Brad Keselowski gewinnt mit gebrochenem Knöchel Zoom

Keselowski verteidigte seinen Vorsprung und gewann. Danach war alles anders. "Das war ein unglaublich wichtiger Sieg", blickt er zurück. "Dieser Erfolg hat das gesamte restliche Jahr diktiert. Plötzlich haben wir damit begonnen, die nötigen Resultate zu holen. Dieser Sieg hat im ganzen Team einige Augen geöffnet und wir haben damit angefangen, an uns zu glauben. Auch das Team hat plötzlich an mich geglaubt und so hatte ich eine Mannschaft, die zu 100 Prozent hinter mir stand."

Nach diesem Pocono-Sieg landete Keselowski in den folgenden vier Sprint-Cup-Wochenenden nie schlechter als auf Rang drei. Plus Saisonsieg Nummer drei im legendären Saturday-Night-Race von Bristol - und der blaue Penske-Dodge mit der Startnummer zwei stand plötzlich im NASCAR-Chase 2011. Am Ende reichte es dann zu Rang fünf, was ihm eine Einladung auf die Champions Week von Las Vegas bescherte. "Eine tolle Erfahrung. Es war eine großartige Woche zum Abschluss eines großartigen Jahres. Ich würde alle Schikanen dieser Welt auf mich nehmen, um einmal der Champion sein zu können."

Angesichts seiner Leistungen wird die Konkurrenz solche Sätze nicht mehr belächeln. Lange musste Keselowski um diese Akzeptanz kämpfen, denn man warf ihm immer einen extrem aggressiven Fahrstil vor. Diesen verteidigt er: "Wenn du in einer Welt lebst, in der man immer 100 Prozent von dir erwartet, dann wächst du daran. Du entwickelst dich und wirst immer besser. Dies hat mir der Rennsport gezeigt und genau deshalb respektiere ich den Rennsport so sehr. Er kann mich jeden Morgen zum Aufstehen motivieren."

Earnhardt als Retter

Brad Keselowski

Brad Keselowski im JR-Chevy mit der Startnummer 88 Zoom

Keselowski stammt aus einer echten Rennfahrerfamilie. Er stellt bereits die dritte NASCAR-Generation aus Rochester Hills, Michigan, dar. K-Automotive, der familieneigene Rennstall, debütierte 1969 in der NASCAR, sein Vater Bob Keselowski gewann 1989 den Titel der ARCA-Serie. Keselowski selbst durchlief die üblichen lokalen Unterklassen der NASCAR und landete schließlich bei den Trucks und in der Nationwide-Serie. Damals wäre seine Karriere jedoch zu Ende gewesen, wenn er nicht die Aufmerksamkeit von NASCAR-Superstar Dale Earnhardt Jr. gewonnen hätte.

Keselowski sollte die Nationwide-Saison 2007 für Keith Coleman Racing bestreiten. Das Team ging im Sommer pleite und er bekam die Chance, das Truck-Rennen von Memphis im Team von Germain Racing als Ersatzmann von Ted Musgrave zu fahren. Keselowski stellte den Truck auf die Pole, führte 62 Runden lang und wurde zehn Runden vor Schluss von Travis Kvapil umgedreht. Trotz Platz 16 bezeichnet er dieses Rennen heute noch als den Wendepunkt seiner Karriere, denn direkt danach unterschrieb er einen Vertrag bei JR Motorsports, dem Nationwide-Team Earnhardts.

2008 wurde er hinter Clint Bowyer und Carl Edwards Gesamtdritter und "Most Popular Driver" in der Nationwide-Serie. Earnhardt hatte seinen Sprint-Cup-Boss Rick Hendrick über Keselowskis Qualitäten in Kenntnis gesetzt und so bekam er im Herbst 2008 die Chance zu seinem Sprint-Cup-Debüt als fünfter Pilot bei Hendrick Motorsports. Sein ganz großer Durchbruch folgte dann im Frühjahr 2009, als er in Talladega im erst fünften Sprint-Cup-Start sein erstes Rennen gewann. Es war ein knallhartes Finale, in dem Carl Edwards im Fangzaun landete, weil er im Zielsprint Keselowskis Phoenix-Chevy unter die gelbe Linie drücken wollte.

"Bad Brad Crashalotzki"

Brad Keselowski

Atlanta 2010: Brad Keselowski nach dem Revanchefoul von Carl Edwards Zoom

Weil bei Hendrick jedoch alle Sprint-Cup-Cockpits langfristig vergeben waren, sollte Keselowski im Herbst 2009 zuschlagen, als bei Roger Penske ein Platz frei wurde. Zu Saisonende ersetzte er den glücklosen David Stremme in der Startnummer 12. Das Talladega-Rennen hatte noch eine zweite Konsequenz, denn damals begann eine Privatfehde mit Carl Edwards. Diese gipfelte nach einigen weiteren Hakeleien im März 2010 in Atlanta mit einem bösen Revanchefoul Edwards, der Keselowskis Penske-Dodge in einen Überschlag schickte.

Es waren harte Zeiten für den Youngster, der sich mit vielen etablierten Stars überwarf. Denny Hamlin hatte ihm zu diesem Zeitpunkt bereits den Spitznamen "Bad Brad Crashalotzki" verpasst. Auch mit dessen Gibbs-Teamkollegen Kyle Busch fetzte sich Keselowski regelmäßig. Dies kulminierte im Sommer 2010, als er im Nationwide-Rennen von Bristol von Kyle Busch in Führung liegend abgeschossen wurde. Die Revanche folgte prompt, wenn auch nicht auf der Strecke: "Ich bin Brad Keselowski, der Pilot des Dodge von Penske Racing und Kyle Busch ist ein Arsch." So präsentierte sich Keselowski via Mikrofon vor 160.000 Zuschauern bei der Fahrervorstellung einen Tag später beim Sprint-Cup-Event.

Auch wenn er gerne mit seiner Aggressivität kokettierte, so sah er das wie ein Damokles-Schwert über ihm schwebende Thema Revanchefouls eher negativ. "Revanchefouls schaden unserem Sport", sagte Keselowski einmal. "Es dient uns nicht, es macht diesen Sport eher billig. Das gilt auch dann, wenn ich zu diesem Mittel greife. Zu zeigen, dass ich mich nicht einschüchtern lasse und dass es keine Problemlösung für die Karriere anderer ist, wenn sie mich über den Haufen fahren."

Die neue Nummer eins bei Penske

Brad Keselowski

Brad Keselowski und Roger Penske feiern den Nationwide-Titel 2010 Zoom

Er sinniert: "Es hat in diesem Sport schon immer das Prinzip Geben und Nehmen gegeben. Das ist völlig okay für mich. Aber es muss auch Sinn machen. Damals haben alle behauptet, ich würde nie etwas geben. Das stimmt aber nicht und ich war es müde und leid, immer nur zu geben. In mir steckte kein Geben mehr, das Konto war leer." Insofern ist es nachvollziehbar, wenn Keselowski seinen Nationwide-Titelgewinn 2010 als ursächlich für die Veränderungen hinstellt. "Das hat meiner Karriere schon Glaubwürdigkeit, und mir selbst eine Menge Selbstvertrauen gegeben."

Zudem war er sich über sein Polarisieren bei den Fans durchaus bewusst. "Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Fans, mit denen ich persönlich spreche und den Leuten, die mich nur über die Medien kennen. Das sind sicher zwei getrennte Lager." Doch all dies dürfte Schnee von gestern sein, denn durch seine Leistungen in der Saison 2011 ist er im Sprint-Cup endgültig als feste Größe angekommen.

Dies wird nicht zuletzt durch das Vertrauen untermauert, dass Roger Penske seiner neuen Nummer eins mit dem neuen, langfristigen Vertrag zugestand. Die Zeiten, in denen sich der erst 27-jährige Keselowski in der Rolle des "Bad Brad" und vielen unnötigen Scharmützeln mit seinen Gegnern aufrieb, sind vorbei. Zudem hat er in den vergangenen Jahren zur Genüge bewiesen, aus welchem harten NASCAR-Holz er geschnitzt ist. Das weiß auch Roger Penske.