• 23.10.2007 13:55

  • von Pete Fink

NASCAR und das Luxusproblem

NASCAR-Chef Brian France hat ein Problem - seine Serie stagniert auf hohem Niveau, und muss, um weiter zu wachsen, gegen viele Interessen arbeiten

(Motorsport-Total.com) - Man kann eigentlich nicht davon sprechen, dass es der NASCAR schlecht geht. Zwar stagnieren nach den Boom-Jahren um den Jahrtausendwechsel herum die Einschaltquoten auf hohem Niveau, aber die bestehenden TV-Verträge bis zum Jahr 2014 sollten etwa 4,4 Milliarden US-Dollar in die Kasse spülen. Über 100 der größten und wohlhabendsten US-Konzerne befinden sich im Sponsoring, auch das Merchandise-Geschäft läuft nach wie vor auf Hochtouren.

Titel-Bild zur News: NASCAR

Wie löst die NASCAR die Aufgaben, die ihr in der nahen Zukunft gestellt werden?

NASCAR sei also in keinem Falle ein Sport, der sich im Niedergang befinde, analysiert die Investmentgesellschaft Raymond James in völliger Übereinstimmung mit dem Wall Street Journal, obwohl der Serie eine schwere Zukunftsaufgabe beschert ist. Es geht um einen Weg, der weiteres Wachstum mit den Interessen der langjährigen Fans vereint.#w1#

Die Person, die diesen Job erledigen soll, ist NASCAR-Chef Brian France, der dieses Amt im September 2003 in dritter Generation angetreten hat. Die Liste der Aktivitäten, die seit diesem Zeitpunkt durchgesetzt wurden, liest sich durchaus beeindruckend: Zehnjahresverträge mit Fox, TNT, ESPN und dem Speed Channel, sowie mit Nextel, und vor kurzem ein Sieben-Jahres-Vertrag mit Nationwide als Titelsponsor für die Busch-Serie.

Sportlich gesehen fällt unter die Amtsperiode des NASCAR-Chefs bislang die Einführung des Chase, des Playoff-Systems im Nextel Cup, sowie das neue Auto, das Car of Tomorrow, welches nach einer Übergangsphase in der kommenden Saison in allen Saisonrennen eingesetzt werden wird. Dazu wurde das Thema Internationalisierung angegangen, denn es wurden Busch-Rennen in Mexiko und Kanada durchgeführt.

Wachstumsgrenzen in den USA

Brian France

NASCAR-Chef Brian France ist seit September 2003 am Ruder Zoom

So weit, so gut, doch nun ist man offensichtlich an den Grenzen angestoßen, die das Betätigungsfeld im traditionellen NASCAR-Raum zulässt. Das Beispiel des Kentucky Speedways verdeutlicht das Problem, denn die dortigen Betreiber würden nur allzu gerne ein Nextel-Cup-Rennen veranstalten, was NASCAR jedoch vehement ablehnt. Die Begründung ist eine einfache: Im Süden der USA gäbe es keinen Bedarf an neuen Strecken, dort sei man saturiert.

Also kokettiert France, der in Personalunion auch der Präsident der International Speedway Corporation ist, mit NASCAR-Events in den Gegenden, in denen die Serie noch nicht vor Ort vertreten ist. Seattle oder New York stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste, doch dazu müssten komplett neue Speedways aus dem Boden gestampft werden, was jedoch nur sehr zögerlich vorangeht.

Der ISC gehören insgesamt 13 NASCAR-Speedways, darunter Hochkaräter wie Daytona, Talladega, Martinsville, Darlington, Richmond, Phoenix und Michigan, sowie neuere Objekte wie Fontana, Kansas, Homestead und Chicagoland. Ein NASCAR-Rennen rund um New York wäre da genauso interessant, wie ein Event im äußeren Nordwesten, eine Region, die die Serie noch überhaupt nie besucht hat.

Doch France ist noch auf anderen Märkten aktiv. Vor allem durch Juan Pablo Montoya entstand ein großes Interesse aus Südamerika, was in Sachen TV-Vermarktung zu Übertragungen auf prominenteren Kanälen führen soll - von den hispanischen Bevölkerungsschichten in den USA ganz abgesehen.

Viele Interessenskonflikte in der Struktur

Talladega Bump Drafting

Die Fans wollen tolles Racing - Brian France will dazu noch weiteres Wachstum Zoom

Und im Schlepptau von Montoya kamen nun weitere Top-Stars in die Serie, was den Aufmerksamkeitsfokus der Bosse noch mehr von der eigentlichen NASCAR-Basis der Südstaatler entfernt. Und genau dort liegt eines der großen Dilemmas verborgen, was France jedoch nicht verborgen geblieben ist.

"Das ist ein sehr schwieriges Problem", gestand er unlängst dem 'Wall Street Journal'. "Denn einerseits müssen wir unseren Fans das bieten, was uns auszeichnet: Enges und hartes Side-by-Side-Racing, wo die Fahrer richtig reinhalten. Auf der anderen Seite brauchen wir die urbanen Märkte, die wir schon seit zehn Jahren bearbeiten. Die Antwort kann also nur lauten, dass wir beides tun müssen."

Ein Effekt dieser Promotionsarbeit ist bereits eingetreten, wenn auch möglicherweise ein eher Unbeabsichtigter. Denn zusammen mit einfachen Fans aus den Städten erregte NASCAR auch Interesse bei Investoren aus der Hochfinanz, die nun in Heerscharen ihre Gelder investieren wollen.

Natürlich hat diese Tendenz auch mit Toyota zu tun, denn die Kriegskasse der Japaner ist prall gefüllt und das Establishment wird zunehmend unter Druck gesetzt. "Diese Entwicklung beunruhigt mich und eine Menge anderer Menschen", so France. "Unsere Präferenz ist es immer, so viele Besitzer wie möglich zu haben, um einen unterschiedlichen Blick der Dinge auf dem Tisch zu haben."

CoT als Problemlöser oder Problem?

Talladega Single File Racing

Das erste CoT-Rennen in Talladega war eher ein Langweiler Zoom

Die Wunderwaffe, um dieser Entwicklung gegenzusteuern, ist das Car of Tomorrow, von dem sich NASCAR mittel- und langfristig vor allem eine Erleichterung an der Kostenfront verspricht, da sich die erwünschten Sicherheitsaspekte nach einem Jahr der Erprobung auf der Strecke nun offensichtlich bewahrheitet haben.

Doch in Sachen spannende Rennen herrscht Widerstand in der amerikanischen Fangemeinde. Eher spröde Events wie zuletzt in Bristol oder Talladega stoßen sauer auf und der allgemeine Tenor lautet, dass das CoT daran Schuld trage.

Wenn France also sagt, dass eine seiner großen Sorgen sei, den Fans spannenden Rennsport zu präsentieren, dann besteht durchaus noch Handlungsbedarf, damit die Saison 2008 nicht zu einem Langweiler verkommt.

Kyle Petty hat dazu übrigens eine andere Meinung. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Fans genau wissen, was sie wollen", so der Petty Altstar. "Racing war nicht immer so, dass 43 Autos auf einem Leintuch zusammensteckten. Racing sah so aus, dass Bill Elliott Talladega mit einer Runde Vorsprung gewann." Aber das war vor dem NASCAR-Boom.