• 19.02.2007 03:09

  • von Pete Fink

Harvick gewinnt spektakulären Daytona-Krimi

Kevin Harvick gewinnt das Daytona 500 in einem Herzschlagfinale mit zwei Hundertstelsekunden Vorsprung vor Mark Martin und Jeff Burton

(Motorsport-Total.com) - Was sehr diszipliniert begann, wurde in den letzten 50 Runden zu einem wahren Motorsport-Krimi: Tony Stewart und Kurt Busch, die beiden bis dahin dominierenden Fahrer, eliminierten sich 50 Runden vor Rennende gegenseitig. In der Folge überschlugen sich die Ereignisse und ein bis dato normales NASCAR-Rennen wurde zu einem wahren Krimi. Kevin Harvick kam mit Hilfe von Matt Kenseth und Jeff Burton aus dem Nirgendwo, und entriss Mark Martin in letzter Sekunde den sicher geglaubten Sieg.

Titel-Bild zur News: Kevin Harvick Mark Martin

Kevin Harvick gewinnt Daytona mit einer Motorlänge vor Mark Martin

Vier Stunden zuvor wurde das "Great American Race", das neben den Indy 500 und dem Superbowl-Finale das größte Einzelsportereignis der USA ist, bei kühlen 10 Grad und sonnigen Bedingungen von US-Schauspieler Nicolas Cage auf die Reise geschickt. 200.000 Zuschauer auf dem Daytona International Speedway und knapp 20 Millionen Amerikaner vor dem Bildschirm sahen Polesetter David Gilliland in der ersten von 200 Runden zunächst die Führung übernehmen. Nachdem sich das Feld formierte hatte, positionierten sich dahinter in Lauerstellung Stewart und die Busch-Brüder Kurt und Kyle.#w1#

Stewart gegen die Busch-Brüder

Nach der ersten von insgesamt sechs Gelbphasen und den folgenden Boxenstops lag beim Restart in Runde 19 Kurt Busch in Führung, vor Gilliland und Stewart. Es begannen die ersten Bump-Drafting Aktionen, in deren Folge sich Kyle Busch auf Platz zwei hinter seinen Bruder Kurt schieben konnte. Stewart gelang es erst nach mehreren Anläufen, und einem zähen Ringen mit Kurt Busch, in Runde 48 die Führung zu übernehmen.

Zu diesem Zeitpunkt war Juan Pablo Montoya nur auf Platz 42 zu finden. Der Kolumbianer kämpfte das ganze Rennen über mit Problemen: In der Anfangsphase beklagte sich Montoya über zuviel Untersteuern, später gesellten sich technische Probleme dazu - Montoya spielte nie eine Rolle und wurde am Ende Neunzehnter. Auch NASCAR-Champion Jimmie Johnson und sein Hendricks-Kollege Jeff Gordon verhielten sich unauffällig, keinem gelang es irgendwann eine entscheidende Position zu erreichen.

Eine Gelbphase wirbelt das Feld durcheinander

Mangels weiterer Gelbphasen wurde ab Runde 62 ein weiterer Boxenstop unter grüner Flagge durchgeführt. Die komplette Evernham-Truppe mit Kasey Kahne, Scott Riggs und Elliot Sadler eröffnete den Boxenreigen. An der Spitze lag weiterhin Stewart vor Kurt Busch, Harvick und Kyle Busch.

Die zweite Gelbphase in Runde 80 würfelte das Feld dann komplett durcheinander: Kyle Petty erlitt einen Reifenschaden und in der Folge gingen die Fahrer geschlossen an die Box. Polesetter Gilliland schickte Robby Gordon in der Boxengasse in einen Dreher, und musste sein Auto reparieren lassen, was ihn zwischenzeitlich eine ganze Runde zurückwarf. Stewart würgte erst seinen Chevrolet ab, war anschließend bei der Boxenausfahrt zu schnell unterwegs, und wurde ans Ende des Feldes zurückversetzt.

Busch Brothers vorne, Stewart und Junior auf Aufholjagd

Beim Restart in Runde 83 lagen die Busch-Brüder vorne: Kurt vor Kyle, dahinter Harvick, Denny Hamlin und Dale Earnhardt Jun. Letzterer bekam schnell Handlingsprobleme und wurde bis zu Stewart fast ans Ende des Feldes durchgereicht. Zu Halbzeit in Runde 100 bestimmten die Busch-Brüder das Rennen, Stewart und Earnhardt Jun., dessen Auto mit gebrauchten Reifen zusehends besser in Form kam, pflügten durch das Feld.

Zwischen den Runden 124 und 127 folgte ein weiterer Stop unter grüner Flagge. Ein entfesselt fahrender Stewart profitierte und schob sich bereits wieder in die Top 10. In Runde 140 lag er schon auf Platz fünf und in Runde 145 war er Dritter - es kam erneut zum Kampf zwischen ihm und den Busch-Brüdern. Besonders der lange Zeit in Führung liegende Kurt Busch erwies sich, wie bereits in der Anfangsphase, als ein zäher Gegner, doch in Runde 150 konnte Stewart die Nuss knacken und schob sich auf Platz eins.

Stewart und Kurt Busch läuten das Finale ein

Was folgte, war ein Paradebeispiel für die oft geäußerte These, dass die NASCAR-Rennen in den letzten 50 Runden erst so richtig losgehen. So auch im Jahr 2007 in Daytona. Stewart konnte sich nur zwei Runden in Führung halten, als er eingangs Turn drei leicht die Kontrolle über sein Auto verlor. Der dicht hinter ihm fahrende Kurt Busch hätte unter Umständen eine Kollision vermeiden können, wenn er denn sofort vom Gas gegangen wäre. Er tat es nicht. So berührte er Stewart und der schlug in die Mauer. Auch das Auto von Kurt Busch wurde arg ramponiert und er schleppte sich mit wegstehendem rechten Vorderrad in die Box.

Damit hatten sich die beiden bis dahin dominierenden Piloten gegenseitig aus dem Rennen geworfen. Während Kurt Busch in einer ersten Reaktion den Fehler auf sich nahm und Stewart lapidar von "wir sind da irgendwie ineinander gerutscht" sprach, rätselten 200.000 Zuschauer im 2,5 Meilen Trioval von Daytona, wer denn nun, nach dem Verlust der beiden Top-Leute, wohl das Rennen machen würde. Beim Restart, 42 Runden vor Schluss, lagen plötzlich ganz andere Piloten vorne: Casey Mears vor Mark Martin, Kyle Busch, Johnny Sauter und Matt Kenseth.

Kaum hatte sich die erste Aufregung gelegt, kam es 27 Runden vor Schluss erneut zu einem Crash, diesmal waren fünf Autos darin verwickelt. Ausgerechnet NASCAR-Champion Jimmie Johnson verlor seinen Chevrolet ausgangs Turn zwei. Jeff Green konnte nicht mehr ausweichen und riss David Reutimann, Tony Raines und Denny Hamlin mit ins Verderben.

Eine Gelbphase jagt die Nächste

Gelbphase Nummer vier. Die Frage lautete nun: Wer nimmt nur zwei Reifen, um seine Position zu verbessern, wer nimmt vier Reifen, um in den letzten Runden ein optimales Handling zu haben? Zwanzig Runden vor Rennende dann der erneute Restart. Martin lag vor Greg Biffle, Kenseth, Truex und Elliott Sadler.

Doch kaum hatte sich das Feld einigermaßen formiert, folgte der nächste Unfall. Carl Edwards hatte Mauerkontakt und erlitt dadurch einen Reifenschaden. In der folgenden Verwirrung mussten einige Piloten ausweichen und Dave Blaney räuberte mit Vollgas durch die Boxengasse. Als er wieder zurück auf die Strecke kam, befand sich dort der unglückliche Ken Schrader und wurde von Blaney unsanft aus dem Rennen genommen.

Der ewige Zweite ist Erster

Wieder Gelb. Nach den Boxenstops lag Martin immer noch in Führung. Würde der ewige Zweite, der Routinier, der im Laufe seiner Karriere viermal Platz zwei im Gesamtklassement belegte, in seinem 23. und vermutlich letzten Anlauf tatsächlich die Daytona 500 gewinnen können? Es käme einer Sensation gleich, denn nach über 20 Jahren Ford wechselte Martin zu Beginn der Saison zu Chevrolet, er gab bekannt, seine Karriere 2007 ausklingen zu lassen und zehn Runden vor Schluss lag er nun in Führung vor Biffle, Kenseth und Kyle Busch.

Doch zehn Runden in Daytona können eine lange Zeit sein. Vor allem, wenn fünf Runden später der nächste Unfall kommt. Kenseth und Jamie McMurray gerieten aneinander, in der Folge wurden auch Earnhardt Jun., Truex und Ricky Rudd aus dem Rennen geworfen.

Drei Runden vor Ende rote Flagge

Die Rennleitung reagierte: Innerhalb von fünf Runden würde das verursachte Chaos nicht zu beseitigen sein. Da im Nextel-Cup kein Rennen unter gelber Flagge beendet werden darf, wurde so die rote Flagge gezeigt. Das bedeutete, dass die Fahrer ihre Boliden auf der Strecke parken mussten bis die Strecke gesäubert war. Die Rennleitung setzte die noch verbleibende Renndistanz auf drei Runden fest.

Eine davon wurde hinter dem Pace-Car absolviert und als es zwei Runden vor Schluss wieder losging, lag Martin vor Kyle Busch, Biffle, Gilliland und Sadler, dahinter Harvick, Kenseth und Burton.

Harvick gewinnt den Krimi über die Außenbahn

Martin gelang es zunächst auch, das Feld unter Kontrolle zu halten. Er wehrte in der vorletzten Runde die wütenden Attacken von Kyle Busch und Biffle ab, doch auf der Gegengerade in der letzten Runde scherten Harvick, Kenseth und Burton aus. Sie eröffneten auf der Außenbahn eine neue Linie und Kenseth und Burton schoben Harvick von hinten kommend neben Martin.

Der lag auf der eigentlich besseren Innenbahn, doch er verlor das Heck seines Autos in der letzten Kurve für den Bruchteil einer Sekunde. Eine Winzigkeit, doch es reichte für Harvick auf der Außenbahn einen Geschwindigkeitsüberschuss aufzubauen und mit einem Vorsprung von zwei Hundertstelsekunden, oder einer halben Motorhaube gewann Harvick das Daytona 500 vor Martin und Burton.

Dahinter brach das Chaos los: Kyle Bush und Kenseth gerieten aneinander, mehrere Autos wurden mitgerissen. Clint Bowyer wurde Achtzehnter - auf dem Dach über die Ziellinie rutschend mit allen vier Rädern gen Himmel - das standesgemäße Ende eines spektakulären Daytona 2007.

Das inoffizielle Endergebnis

01. Kevin Harvick (Chevrolet)
02. Mark Martin (Chevrolet)
03. Jeff Burton (Chevrolet)
04. Mike Wallace (Chevrolet)
05. David Ragan (Ford)
06. Elliott Sadler (Dodge)
07. Kasey Kahne (Dodge)
08. David Gilliland (Ford)
09. Joe Nemechek (Chevrolet)
10. David Stremme (Dodge)
11. J.J. Yeley (Chevrolet)
12. Jeff Gordon (Chevrolet)
13. Reed Sorenson (Dodge)
14. Robby Gordon (Ford)
15. Johnny Sauter (Chevrolet)
16. Sterling Marlin (Chevrolet)
17. Boris Said (Ford)
18. Clint Bowyer (Chevrolet)
19. Juan Pablo Montoya (Dodge)
20. Bobby Labonte (Dodge)
21. Casey Mears (Chevrolet)
22. Carl Edwards (Ford)
23. Dale Jarrett (Toyota)
24. Kyle Busch (Chevrolet)
25. Greg Biffle (Ford)
26. Ricky Rudd (Ford)
27. Matt Kenseth (Ford)
28. Denny Hamlin (Chevrolet)
29. Martin Truex Jr. (Chevrolet)
30. Michael Waltrip (Toyota)
31. Jamie McMurray (Ford)
32. Dale Earnhardt Jr. (Chevrolet)
33. Tony Raines (Chevrolet)
34. Dave Blaney (Toyota)
35. Ken Schrader (Ford)
36. Jeff Green (Chevrolet)
37. Scott Riggs (Dodge)
38. Ryan Newman (Dodge)
39. Jimmie Johnson (Chevrolet)
40. David Reutimann (Toyota)
41. Kurt Busch (Dodge)
42. Kyle Petty (Dodge)
43. Tony Stewart (Chevrolet)