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Graf: "Der gleiche Vorlauf wie Montoya"
Im zweiten Teil des 'Motorsport-Total.com'-Interviews erzählt Klaus Graf, wie es ihm in seinen ersten NASCAR-Rennen erging und welche Pläne er noch hat
(Motorsport-Total.com) - Wenn in Deutschland jemand über ein großes Insiderwissen in Sachen Nextel-Cup verfügt, dann jemand, der dort Rennen gefahren ist und insofern genau weiß, wie es in der NASCAR-Szene zugeht. 'Motorsport-Total.com'-Kolumnist Klaus Graf hat im ersten Teil unseres großen Exklusivinterviews beschrieben, wie es dazu kam, dass er in die NASCAR stieß.

© Klaus Graf
Hat mit der NASCAR noch nicht abgeschlossen: Klaus Graf
Im nun folgenden zweiten Teil erzählt er, wie es ihm in seinen ersten Rennen erging, er gibt detaillierte Einblicke, wie die NASCAR funktioniert und erzählt, warum er mit der NASCAR noch nicht abgeschlossen hat.#w1#
Frage: "Und dann bist du in Nashville ein ARCA-Rennen gefahren..."
Klaus Graf: "Ja, das war im März 2004, kurz vor Ostern. Es war die Idee von Kenny Schrader, denn ursprünglich wollten wir zwei Tage nach Kentucky zum Testen. Doch dann hat der Kenny - er hat auch noch ein eigenes Team für sich - gesagt: 'Hey, ich fahre mit meinem eigenen Team das ARCA-Rennen in Nashville.'"
"Das muss man sich mal vorstellen, da fährt der Nextel-Cup-Fahrer Ken Schrader an einem freien Wochenende mal ein ARCA-Rennen, was ja mehr oder weniger dritte Liga ist. Das wäre so, als wenn ein Formel-1-Fahrer sagen würde, nächstes Wochenende fahr ich mal ein GP2-Rennen. Unvorstellbar."
Der gleiche Vorlauf wie Montoya
Frage: "Das bedeutet, du hattest im Prinzip einen ganz ähnlichen Vorlauf wie aktuell Juan Pablo Montoya?"
Graf: "Exakt der gleiche Vorlauf, man muss das letztendlich auch machen, um von NASCAR die Lizenzen zu erhalten. Das Ziel war ja, am Jahresende Nextel-Cup-Rennen auf dem Oval zu fahren. Wir wussten also, um von NASCAR die Freigabe zu erhalten, muss ich in der ARCA-Serie Rennen auf dem Oval bestreiten, ansonsten bekomme ich die Lizenz nicht."
"NASCAR hat mich zum Glück sofort für die Straßenrennen freigegeben, auch das ist nicht selbstverständlich. Da hat sicherlich meine USA-Zeit im Sportwagen (als Panoz-Werksfahrer in der ALMS; Anm. d. Red.) dazu beigetragen, aber vor dem Oval muss man diese Stationen halt durchlaufen."
"Und dieses Nashville-Rennen war dem Kenny Schrader seine Idee, der dann gesagt hat: 'Mensch, fahr doch das ARCA-Rennen in Nashville, da kriegst du mal Praxis auf dem Oval.' Der große Vorteil dort war, dass die BAM-Racing-Nextel-Cup-Crew von Kenny Schrader mein Einsatzteam für dieses ARCA-Rennen war. Kenny ist ja mit seinem eigenen Team gefahren. Das heißt, ich hatte da natürlich recht gute Bedingungen."
Beinahe gleich das erste Rennen gewonnen
Frage: "Was sich dann gleich im Ergebnis manifestiert hat..."
Graf: "Genau, Ich hätte das Rennen fast gewonnen und bin dann Dritter geworden."
Frage: "Ganz ehrlich: Lag es an dir oder lag es an der guten Crewarbeit?"
Graf: "Nein, es lag schon an mir. Man muss dazu wissen, dass in der ARCA viele Development-Teams fahren. Das heißt, Teams wie Ganassi, Hendrick, Penske oder Roush haben ihre jungen Development-Fahrer in der ARCA-Serie, weil die Autos fast identisch zu den Nextel-Cup-Autos sind, vor allem, was des Chassis angeht. Und da kann man halt sehr viele Development-Teile anschrauben und unter Rennbedingungen testen."
"Deswegen ist die Konkurrenz da relativ stark, das darf man nicht unterschätzen. Man braucht also eine gute Crew, denn diese Development-Teams von Penske und Ganassi sind natürlich sehr gut. Sie sind zwar keine Cup-Crews, aber sie sind immer noch sehr gut. Und man braucht halt einfach eine gute Mannschaft, ohne gute Mannschaft geht im NASCAR-Sport überhaupt nix."
"Und es hat wirklich auch gut geklickt, ich habe da wirklich einen tollen Job gemacht, das muss man klar sagen, das hat super funktioniert. Und was für mich persönlich wirklich toll war: Es war ein Nextel-Cup-freies Wochenende und dieses Rennen war live im Fernsehen. Es ist schon interessant: Die NASCAR-Jungs machen das ganze Jahr nichts anderes als NASCAR, die kennen bloß Rennsport. Bei 40 Wochenenden im Jahr, wenn die einmal freihaben, dann sitzen die gelangweilt zu Hause und gucken immer noch Motorsport."
Rennen live im Fernsehen
"Also haben wahnsinnig viele Leute das Rennen gesehen. Ray Evernham, Richard Childress, alle möglichen Leute haben dieses Rennen geguckt, weil natürlich auch ihre Development-Fahrer in der Serie mitfahren. Und so hat das Nashville-Rennen bei den Insidern unterm Strich für mich fast mehr gebracht als dann später der 17. Platz auf dem Infineon Raceway."

© Klaus Graf
Klaus Graf im BAM Racing DHL-Dodge in Martinsville 2004 Zoom
"Von der Wertigkeit, also in der ARCA-Serie auf dem Oval Dritter zu werden, oder auf dem Infineon Raceway im Nextel-Cup den 17.Platz zu erreichen, da ist natürlich der 17. Platz deutlich schwerer zu erreichen, das muss man klipp und klar sagen. Wenn man eine gute Crew hat und ein ausgebildeter Rennfahrer ist - ich hatte zu dem Zeitpunkt ja im Sportwagenbereich auch schon einiges gemacht -, dann kann man als etablierter Profi schon eine gute Leistung abliefern, das sieht man ja aktuell am Montoya. Aber in seinem ersten Nextel-Cup-Rennen 17. zu werden, das ist nicht ganz so einfach. Es fängt ja damit schon an, dass man sich erst einmal qualifizieren muss."
Frage: "Es gab ja damals eine recht gute Zusammenarbeit mit Kenny Schrader. Du hast erzählt, er habe dir auf dem Oval geholfen, du hast ihm dafür ein paar Tricks auf den Straßenkursen gezeigt. Habt ihr immer noch Kontakt?"
Graf: "Wir haben immer noch Kontakt. Er ist ja eine absolute Legende, ein Supertyp und schon ewig im Geschäft. Aber auch Kenny ist natürlich jemand, der einem Tipps gibt bis zu einem gewissen Punkt und dann in diesen Protection-Mode umstellt. Also wenn er quasi merkt, jemand kommt ihm zu nahe."
Noch ein paar Jahre im Auto
"Amerika ist Kapitalismus, es geht immer ums Geld. Und jemand wie Kenny Schrader, die haben natürlich in der Anfangsphase von NASCAR nicht das große Geld verdient. Und jetzt, in den letzten sechs, sieben, acht Jahren, kommen da richtig die Millionen rein und da wollen die Jungs natürlich noch ein paar Jahre auf dem Auto bleiben."
Frage: "Siehe auch Sterling Marlin..."
Graf: "Ganz genau, Joe Nemecheck, auch der Michael Waltrip, Rusty Wallace hat jetzt aufgehört, Mark Martin ist gerade dabei. Also gerade die Alten, die wollen halt noch ein paar gute Jahre mitnehmen, was ihnen auch keiner verübelt."
"Und es war dann so, dass der Kenny sich ein- oder zweimal auf einem Straßenkurs nicht qualifizieren konnte, obwohl er in den 1970er- und 1980er-Jahren ein guter Straßenkursfahrer war, und er hat einfach mit der Zeit - wie soll man sagen - das Gefühl für diese Art Rennstrecken verloren. Und die wissen dann nicht mehr genau, nach was muss ich suchen, damit ich schnell werde. Und dieses Gefühl habe ich ihm sicher wieder zurückgegeben."
"Ich habe dann zu ihm gesagt: 'Kenny, mach das mal so und so, fahr das mal so und so - und auf einmal sagt er: 'Ah, so geht das.' Und dann hat es wieder geklickt. Und mittlerweile, wenn man das so zurückverfolgt, sind seine Straßenresultate wieder wesentlich besser. Und ich bin da 100 Prozent überzeugt davon, dass ich da großen Anteil daran habe, dass seine Performance bei einem Straßenrennen langfristig wieder besser wurde."
Ein halbes Jahr Anlaufzeit
Frage: "Umgekehrt war es natürlich so, dass du im Oval profitiert hast. Mal rein hypothetisch gefragt: Wenn du die Möglichkeit hättest, wieder im Nextel-Cup zu fahren, wie lange glaubst du, dass du brauchen würdest, um dich wieder auf die Ovale einzuschießen?"
Graf: "Das hängt natürlich von den Bedingungen ab. Man müsste versuchen, so viel wie möglich zu testen, was aber schwierig ist, weil die Testfahrten im Nextel-Cup begrenzt sind. Vor allen Dingen, was die Verfügbarkeit der Reifen angeht. Aber mit einer guten Crew und einer entsprechenden Anzahl an Rennen kann man sich da schnell wieder etablieren."
Frage: "Welchen Zeitraum definierst du als schnell?"
Graf: "Wie gesagt, es kommt auf die Bedingungen an. Wenn wir jetzt beispielsweise den Juan Pablo Montoya nehmen, der ja auf dem Nummer-42-Auto fährt. Dieses Auto war letztes Jahr in den Top 35 der Owner-Points qualifiziert. Das heißt, der Montoya weiß ganz genau, ich bin die ersten fünf Rennen schon mal qualifiziert, er muss sich also nicht qualifizieren. Das befreit natürlich schon mal in gewisser Weise. Denn ansonsten weiß ich, wenn es schlecht läuft, dann fahr ich am Freitagmittag wieder heim."
"Was ich damit sagen will: Man muss es richtig angehen. Man muss jetzt nicht unbedingt in einem dieser Top-35-Autos sitzen, um einen guten Job zu machen. Was in dem Sport stimmen muss, das sind die Zutaten. Das ist in der NASCAR sicherlich wichtiger als im europäischen Rennsport."
Noch nicht mit NASCAR abgeschlossen
Frage: "Das bedeutet doch aber, dass du mit dem Kapitel NASCAR noch lange nicht abgeschlossen hast?"
Graf: "Also noch lange nicht, würde ich nicht sagen. Ich habe noch nicht damit abgeschlossen, viel Zeit habe ich ja nicht mehr... (lacht; Anm. d. Red.)"

© Klaus Graf
Ein Top-5-Ergebnis ist möglich (hier in Sears Point 2004) Zoom
Frage: "Warum? Du bist doch erst 37?
Graf: "Ja, natürlich. Der Boris (Said; Anm. d. Red.) hat es jetzt erst geschafft, er ist jetzt 42 und hat sich jetzt erst etabliert, dass er zumindest mal 14 oder 15 Rennen im Jahr fährt. Man muss auch sagen, es wäre auch für mich durchaus denkbar oder umsetzbar, wenn man sagt, okay, ich kann keine volle Saison fahren. Warum nicht?"
"Ich kann sicherlich mit gutem Material auf den zwei Straßenkursen Top-10- oder Top-5-Resultate erzielen. Das weiß ich definitiv. Und man kann auf den Ovalen einen respektablen Job machen. Respektabel ist in der NASCAR immer die Top 20, das ist so die magische Zahl in der NASCAR. Wenn man unter den ersten 20 fährt, dann ist man in den Medien präsent. Alles, was dahinter ist, ist dann schwierig."
Auch eine halbe Saison denkbar
"Und das kann man auch erreichen, wenn man bloß eine halbe Saison fährt, also nur 17 oder 18 Rennen. Zum Beispiel aktuell kann man sagen, man fährt bloß die Rennen mit dem Car of Tomorrow, damit man sich nicht noch auf die anderen Autos einstellen muss. Möglichkeiten gibt es viele, abgeschlossen habe ich nicht. Letztendlich ist es eine Frage der Umsetzung und natürlich auch der Finanzierung."
Frage: "Aber der Name Klaus Graf ist in der NASCAR mit positiven Erinnerungen verbunden, daran würde es nicht scheitern..."
Graf: "Ganz bestimmt nicht. Die ursprüngliche Crew von BAM Racing hat sich mittlerweile in andere Richtungen verändert. Das heißt Mechaniker sind weggegangen und arbeiten jetzt bei Ginn Racing oder bei Toyota. Die Leute, die ich kenne, arbeiten jetzt in anderen Teams - und da bleibt natürlich der Name nicht auf der Strecke."
"Ich hatte zu meinen Mechanikern ein gutes Verhältnis aufgebaut, auch die Mechaniker in der NASCAR sind sehr leistungsorientiert. Wenn man sich mit denen identifiziert und als völlig normaler Typ rüberkommt, dann arbeiten die Tag und Nacht für einen. Man muss in der NASCAR sehr viel Idealismus mitbringen, wenn man da arbeiten will. Die verdienen zwar gut, aber das Leben, was die haben, ist sehr schwer. Und wenn man denen etwas zurückgibt, dann honorieren die das."
Teil drei des großen Klaus-Graf-Interviews folgt am kommenden Dienstag. Freuen Sie sich auf eine ausführliche Analyse der aktuellen NASCAR-Saison.

