• 27.03.2007 19:02

  • von Pete Fink

Wie ein Deutscher in die NASCAR kam

Im ersten Teil des großen 'Motorsport-Total.com'-Interviews erzählt Klaus Graf, wie es dazu kam, dass auf einmal ein Deutscher in der NASCAR fuhr

(Motorsport-Total.com) - Wenn es um das Thema NASCAR geht, dann kommt man in Deutschland nicht an Klaus Graf vorbei. Der 37-jährige Rennfahrer aus dem Schwarzwald ist nicht nur ein gern gesehener, kompetenter 'Premiere'-TV-Experte und Co-Moderator bei den NASCAR-Übertragungen, er ist auch der einzige Deutsche, der jemals ein Nextel-Cup-Rennen bestritten hat.

Titel-Bild zur News: Klaus Graf

Klaus Graf im Cockpit seines Dodge Intrepid 2004 in Sears Point

Insofern verfügt er über ein hierzulande einzigartiges Fachwissen, von dem er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' einiges verraten hat. Zudem wird Klaus Graf in Zukunft als Kolumnist von 'Motorsport-Total.com' regelmäßig seinen Standpunkt zu den aktuellen NASCAR-Themen darstellen.

Hier der erste von mehreren Teilen unseres großen Exklusivinterviews.#w1#

Der einzige Deutsche in der NASCAR

Frage: "Klaus, bist du wirklich der einzige Deutsche, der jemals in der NASCAR gefahren ist..."
Klaus Graf: "Ja. Es gibt da zwar immer ein paar Einwände von einigen Fans, weil Rolf Stommelen mal in Riverside ein Rennen gefahren ist. Ich weiß nicht mehr, wann das genau war, es ist schon lange her. Aber letztendlich war das kein Meisterschaftsrennen, denn man ist mal eine Zeitlang in Riverside ein Einladungsrennen gefahren. Von daher bin ich vermutlich der einzige Deutsche, der in der Neuzeit ein Winston-Cup- oder ein Nextel-Cup-Rennen gefahren ist."

"Da habe ich das erste Mal gesehen, was das in Amerika für eine Dimension hat." Klaus Graf

Frage: "Jetzt hat das Ganze ja im Jahr 2004 stattgefunden. Damals haben sich noch sehr wenige Leute, gerade was die Medien betrifft, mit der NASCAR beschäftigt. Viele Leute kennen die Geschichte nicht und deswegen würde ich dich darum bitten, dass du die Story, wie es dazu kam, einmal kurz anreißt."
Graf: "Das war ein richtig langer Weg. Ich bin 1999 das erste Mal richtig in Verbindung mit NASCAR gekommen, als wir mit Panoz die Sportwagenmotoren von Robert Yates Racing hatten, damals noch das NASCAR-Werksteam von Ford. Da bin ich öfters zu denen in die Fabrik gekommen und habe das erste Mal gesehen, was das überhaupt alles bedeutet - was die NASCAR überhaupt veranstaltet, was das in Amerika für eine Dimension hat."

"Und danach habe ich natürlich angefangen, die NASCAR mehr und mehr zu verfolgen, mir die Rennen anzuschauen, da ich ja in den USA gelebt habe. Ich habe auch mal in Atlanta ein Rennen vor Ort besucht."

"Mensch, NASCAR wäre mal was ganz Neues"

"NASCAR wäre etwas, was in den USA mindestens den gleichen Stellenwert zur Formel 1 hat." Klaus Graf

Frage: "Du warst zu dem Zeitpunkt drüben, als Panoz-Werksfahrer in der ALMS."
Graf: "Genau, Und ich habe mich dann mehr und mehr mit dem Thema NASCAR beschäftigt und wusste dann irgendwann: 'Mensch, das wäre mal was ganz Neues!' Die Formel 1 war für mich als Fahrer seit vielen Jahren abgehakt und die NASCAR wäre etwas, was von der sportlichen Wertigkeit, vor allem in den USA, mindestens den gleichen Stellenwert hat."

"Dazu muss man wissen, dass das ganze Gefüge NASCAR mit seinen vielen Unterklassen - wir kennen ja letztendlich nur den Nextel-Cup - wie ein geschlossener Kreis funktioniert."

Über die Good-Old-Boys-Mentalität

Frage: "Ist es tatsächlich so, dass die NASCAR, wie man oft nach außen hin sagt, eine ziemlich protektionistische Clique ist, so richtig mit klassischen Männerfreundschaften und so weiter?"
Graf: "Ja, die 'Good Old Boys' halt, so kann man das ruhig sagen, das zählt schon noch. Das ist durchaus so. Es gibt viel Ungeschriebenes - du gehörst dazu oder du gehörst nicht dazu. Das ist die Mentalität und deswegen war es für den Christian auch sehr schwer, da mal überhaupt Gehör von irgendjemand zu finden."

"Wir haben 2000 oder 2001 mit George Smith, der eigentlich der CEO von Roush Racing ist, schon mal einen Termin gehabt. Wir haben auch versucht, Mike Kranefuss an den Tisch zu holen."

Frage: "Mike Kranefuss, muss man dazusagen, war der damalige Teamchef des NASCAR-Teams von Roger Penske..."
Graf: "Genau. Er war damals Partner von Roger Penske. Mike Kranefuss kennen viele in Europa noch aus seiner Zeit als Ford-Motorsportchef zu den großen, glorreichen Zeiten von Ford im Tourenwagensport."

Klaus Graf

Endlich die ersten NASCAR-Tests 2004 bei BAM Racing in Virginia Zoom

Frage: "Und er konnte euch da auch nicht weiterhelfen?"
Graf: "Er konnte schon, wollte aber auch nicht so richtig. Er hat uns zwar ein paar Tipps gegeben, aber so richtig riskieren wollte er doch nichts. Letztendlich sind wir aber trotzdem am Ball geblieben. Christian war sehr intensiv damit beschäftigt, das alles umzusetzen. Er hat sich da mehr und mehr reingearbeitet und kam dann 2003 mit BAM Racing in Kontakt."

Endlich Tests bei einem Nextel-Cup-Team

"BAM Racing war zu dem Zeitpunkt ein ganz junges Team. Beth Ann Morgenthau war die einzige weibliche Besitzerin in der NASCAR, außer Theresa Earnhardt vielleicht, aber okay, das lassen wir mal außen vor. Die Beth Ann ist halt die einzige, die man wirklich als Ownerin bezeichnen kann. Sie waren ein junges Team und sie waren offen für die Idee mit einem Deutschen, mit einem Europäer mal etwas Neues zu probieren."

"Dann hat man gesagt, okay, dann gehen wir mal testen. Wir sind im Januar 2004 nach Virginia auf einen Roadcourse zum Testen gegangen und der Test verlief sehr gut. Zu Beginn hat mir der Teammanager Eddie Jones ein paar alte Reifen gegeben, die noch aufzubrauchen waren. Ich habe mir nur gedacht: 'Oh, das rutscht ja brutal', und kam auf keine Rundenzeiten. Ich denke mir: 'Okay, c'est la vie, es wird halt bloß so gut gehen.'"

"Als ich den inoffiziellen Rundenrekord egalisiert hatte, war natürlich das Eis gebrochen." Klaus Graf

"Dann hat der Eddie aber gesagt: 'Du, bleib mal ruhig, wir haben noch ein paar Satz neue, aktuelle Reifen'. Ja, dann haben wir die darauf geschnallt und auf einmal ging es so, wie es eigentlich gehen sollte. Und dann habe ich den inoffiziellen Rundenrekord von Boris Said egalisiert. Dann war natürlich das Eis gebrochen und dann wollten sie, dass ich auf jeden Fall die Straßenrennen fahre."

Frage: "Aber Boris Said ist damals nicht für BAM Racing gefahren?"
Graf: "Nein. Der Boris fährt als Spezialist seit Jahren die Straßenrennen für verschiedene Teams, ähnlich wie Ron Fellows. Und er wird von den Teams auch für Fahrercoaching oder für Testfahrten herangezogen. Er ist relativ viel auf den NASCAR-Straßenkursen unterwegs."

Relativ schnell auf das Oval

"Weil das Rennen auf dem Infineon Raceway erst im Juni stattfand und man nicht wollte, dass ich mich zum Spezialisten für Roadraces entwickle, kam dann relativ schnell die Idee, dass ich mich als Stock-Car-Fahrer entwickeln soll. Und so hat mich BAM Racing relativ schnell auf das Oval gebracht."

"Wenn die sehen, der passt zu uns, die Leistung stimmt auch, dann kann man da ganz schnell Fuß fassen." Klaus Graf

Frage: "Das sollte man vielleicht noch einmal erwähnen: Auf der einen Seite ist die NASCAR mit dieser 'Good-Old-Boy'-Mentalität eine sehr protektionistische Gesellschaft. Auf der anderen Seite heißt es, wenn du einmal drinnen bist, dann hast du es geschafft. Wie kam es zu diesem Umschwung? Waren das nur die Testergebnisse?
Graf: "Die sind sehr leistungsorientiert. Wenn die Leistung stimmt und die Person dazu passt, dann schalten die von dem einen auf den anderen Moment um. Da gibt es sehr viel Schwarz-Weiß-Mentalität. Wenn die sehen, okay, wir können mit dem viel erreichen, der passt zu uns, die Leistung stimmt auch, dann kann man da ganz schnell Fuß fassen."

Wo bitte ist der Witz am Ovalfahren?

Frage: "In Zusammenhang mit den Ovalen einmal eine ganz grundsätzliche Frage, was der durchschnittliche, Formel-1-schauende Mitteleuropäer nicht versteht. Der sagt: Wo ist denn bitte der Witz am Ovalfahren? Es sind vier simple Linkskurven. Wo ist der Trick, worum geht es da?"
Graf: "Unterm Strich geht es um die Präzision. Ovalfahren ist sehr facettenreich, es gibt viele verschiedene Streckenkonfigurationen. Und für jede Streckenkonfiguration sind andere Anforderungen gefragt. Das reine Fahren ist dann dieses fast roboterartige Fahren, immer das Gleiche zu machen. Dieses exakte Fahren, dieses Gefühl, immer präzise zu fahren, das ist es, was es für mich ausmacht."

"Plus - und das ist für mich die große NASCAR-Faszination - man kann mit einem vernünftigen Budget, einem guten Crewchief, einem guten Fahrer, und einer guten Crew einen Superjob machen, wenn man mal die ganz großen Teams wie Hendrick und Roush außen vor lässt."

NASCAR ist noch handgemacht

"Man kann in der NASCAR mit einem vernünftigen Budget einen Superjob machen." Klaus Graf

"Das heißt: NASCAR ist immer noch man-made. Es ist gemacht von den Menschen, die da drin arbeiten. Bei der Formel 1 ist das zum Beispiel nur noch bedingt so. Man braucht zwar auch die richtigen Leute, aber Technologie, Ressourcen und Geld spielen eine übergeordnete Rolle. Und in der NASCAR ist es die Kombination Fahrer/Crewchief. Wenn die gelingt, dann kann man erfolgreich sein."

"Es gibt ja bei den Rennen, beim Testen schon, keine Daten- oder Telemetrieaufzeichnungen. Das heißt, letztendlich hat die Aussage vom Fahrer immer noch sehr viel Gewicht. Und der Crewchief muss wissen, wie er diese Aussagen aufnimmt und wie er sie dann in Veränderungen umsetzt. Man hat als Fahrer relativ viel Einfluss und das gibt einem Fahrer dann auch eine relativ große Zufriedenheit."

Frage: "War dir das alles schon klar, zu dem Zeitpunkt, als du zum ersten Mal auf ein Oval geschickt wurdest?"
Graf: "Das war es natürlich nicht, das muss ich ganz klar sagen. Das war für mich natürlich absolutes Neuland. Ich wusste, dass das sicherlich eine ganz andere, spezielle Geschichte wird. Und eines - das vergesse ich nie: Als wir dann in Kentucky getestet haben und ich zum ersten Mal die Boxengasse heruntergefahren bin, da habe ich mir gesagt: 'Mann o Mann, wo bist du denn hier gelandet? (lacht; Anm. d. Red.)' Denn das Auto ist ja komplett asymmetrisch eingestellt, es fährt dann selbstständig nach links."

"Wo bin ich denn hier gelandet?"

"Mein Lenkrad war noch nicht optimal positioniert, das heißt, ich wollte es noch einmal abnehmen und wollte es noch einmal neu drauf machen. Ich habe dann noch einmal angehalten, bin aber die letzten Meter gerollt und habe während dieses Rollens schon mal das Lenkrad heruntergenommen."

"In dem Moment war dann kein Lenkrad mehr auf dem Auto, und das Auto ist sofort zwei Meter nach links gefahren (lacht; Anm. d. Red.). Und ich hab mir gedacht: 'Ja, was ist denn hier los?' Quasi ohne am Lenkrad zu drehen standen die Räder 30 bis 40 Grad nach links."

Klaus Graf

Und plötzlich war Klaus Graf ein NASCAR-Pilot bei BAM-Racing Zoom

"Und dann hab ich gemerkt, okay, hier haben wir also eine komplett andere Baustelle. Dann bin ich die ersten fünf oder zehn Runden nicht auf Rundenzeit gefahren. Und Kenny Schrader, der damals bei BAM Racing mein Teamkollege war, der hat sich das natürlich angeschaut und hat gesagt: 'Okay, du musst ein bisschen ändern, du musst das so und so machen und einfach deine Fahrweise verändern.' Plötzlich bin ich am Ende des Tages fast gleich schnell gefahren wie Kenny, und da hat es halt Klick gemacht."

"Es kommt wohl auch meiner Fahrweise sehr entgegen, ich war auf Anhieb sehr schnell auf dem Oval. Manche tun sich vielleicht schwerer. Man darf halt keine Angst vor den Mauern haben und natürlich nicht vor den hohen Geschwindigkeiten. Kentucky ist ein 1,5-Meilen-Oval, da fährt man Durchschnittsgeschwindigkeiten von 175 bis 180 Meilen pro Stunde, also 270, 280 km/h."

Teil zwei des großen Klaus-Graf-Interviews folgt am Freitag. Freuen Sie sich auf eine ausführliche Beschreibung seiner NASCAR-Erlebnisse.