• 03.12.2008 11:18

  • von Pete Fink

Das Phänomen der "heißen Kartoffel"

Das Beispiel Casey Atwood verdeutlicht ein Problem: Wie schnell kann man in den Sprint-Cup einsteigen, ohne wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen zu werden?

(Motorsport-Total.com) - Casey Atwood war gerade einmal 19 Jahre alt, als er in der Saison 2000 in den Augen vieler zum neuen Jeff Gordon erklärt wurde. Atwoods frühzeitiger NASCAR-Durchbruch schien ihm im Jahr 1999 geglückt zu sein, als er zwei Busch-Rennen für Baker Curb Racing gewann.

Titel-Bild zur News: Joey Logano

Besteht auch bei Joey Logano die Gefahr eines Casey-Atwood-Schicksals?

In der Winterpause 2000/2001 buhlten nahezu alle Topteams aus dem damaligen Winston-Cup um die Unterschrift des vermeintlichen Supertalents. Das Rennen gewann Ray Evernham, der Atwood 2001 den Evernham-Dodge mit der Startnummer 19 anvertraute. Aber nicht einmal zwei Jahre später war die Karriere Atwoods ein einziger Scherbenhaufen.#w1#

Was war geschehen? Atwoods damaliger Teamkollege war NASCAR-Altmeister Bill Elliott, der den Evernham-Dodge mit der Startnummer neun fuhr. Natürlich stand Atwood in seiner Rookiesaison 2001 im Schatten des übermächtigen Elliott, doch gegen Saisonende steigerte er sich.

Er holte Ende Oktober in Phoenix eine Pole-Position und lag im Rennen in der Spitzengruppe, als ihm ein Reifen platzte. Zwei Wochen später in Homestead führte er fünf Runden vor dem Ende, wurde dann jedoch noch von Elliott und Michael Waltrip überholt.

Von Evernham ins Kundenteam verbannt

Casey Atwood

Casey Atwood blickt heute zumeist von außen in die NASCAR-Türe Zoom

Dieser dritte Platz sollte bis jetzt sein bestes Cup-Resultat bleiben, denn Evernham hatte seine Entscheidung bereits getroffen: Er schob Atwood zum Ultra-Team ab, das heute Robby Gordon gehört. Atwood fuhr 2002 also einen Evernham-Kunden-Dodge und hielt sich fast ausschließlich in den Tiefen des NASCAR-Feldes auf.

Evernham selbst begründete den Atwood-Abschub übrigens nie direkt. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man davon, dass der burschikose Youngster aus Nashville kein geeigneter Fahrer für Presse und Medien war. Die sportlich farblose Saison 2002 im Kundenteam tat dann ihr übriges.

Natürlich fragt er sich heute immer noch, was damals schief gelaufen sei, äußerte Atwood gegenüber dem 'Nashville City Paper': "Ich hatte so viele Auswahlmöglichkeiten, entschied mich aber dann für das falsche Team." Bitter, denn unter anderem stand auch Rick Hendrick als Interessent Gewehr bei Fuß.

"Was gewesen wäre, werden wir nie erfahren", lautet das Atwood-Statement. "Ich habe meine Fähigkeiten nie in Zweifel gezogen. Ich habe am Ende meiner Rookiesaison beinahe zwei Rennen gewonnen, aber Evernhams Entscheidung mich zu ersetzen, stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest."

Gestern Atwood, heute Logano und Speed?

Greg Biffle Casey Atwood Nationwide

Ab und zu darf Atwood den Biffle-Ford in der Nationwide-Serie vorbereiten Zoom

Zuletzt trat Atwood in Erscheinung, als er in Nashville den Nationwide-Ford von Greg Biffle vorbereitete, als dieser im Juni 2008 einen Paralleleinsatz in Tennessee und Pocono unternahm. "Alles, was ich machen kann, ist, meinen Namen im Gespräch zu halten und die Teams wissen zu lassen, dass ich zu haben bin."

Es ist also die Geschichte eines hoffnungsvollen Youngsters, der ganz offenbar viel zu früh ins Stahlbad Sprint-Cup geworfen wurde. Eine Randnotiz: Als Joey Logano im April 2008 auf dem Kentucky Speedway sein erstes Nationwide-Rennen gewann, löste er Atwood als jüngster Sieger in der zweiten NASCAR-Liga ab.

Das ist gleichzeitig auch die Parallele in die Gegenwart: Der 18-jährige Logano gilt in der NASCAR als das aktuelle Supertalent und soll 2009 Tony Stewart bei Joe Gibbs Racing ersetzen. Die Ansprüche sind also extrem hoch. Im Sprint-Cup fuhr Logano 2008 dreimal, eine Platzierung in den Top 30 gelang ihm noch nicht. Eine ähnliche Situation ist bei Team Red Bull zu beobachten, wo Scott Speed 2009 den zweiten Toyota Camry fahren wird.

Natürlich verfügt der ehemalige Formel-1-Pilot Speed über jede Menge Motorsporterfahrung - nur eben nicht in der NASCAR. Ein Schicksal, das er mit einer ganzen Reihe von ehemaligen Formelpiloten teilt: Dario Franchitti, Jacques Villeneuve, Patrick Carpentier - die Liste der Gescheiterten ist 2008 sehr prominent besetzt.

Ist "schnell" ist der falsche Ansatz?

Scott Speed

Scott Speed kam bei Red Bull mit wenig Erfahrung schnell in den Sprint-Cup Zoom

Aber das Negativbeispiel Atwood verdeutlicht gleichzeitig ein wesentliches Argument: Schnell geht in der NASCAR gar nichts. Selbst Juan Pablo Montoya spricht mittlerweile von "weiteren drei Jahren", die das Ganassi-Projekt Stockcars bis zum absoluten Durchbruch wohl noch dauern wird.

Logano und Speed haben dagegen nur ganz wenige Rennen in den Topligen der NASCAR gefahren, bevor sie im Sprint-Cup zu Stammpiloten wurden. Ihr Zeitpunkt für einen Aufstieg in den Cup ist auch seitens der aktuellen Rahmenbedingungen schwierig, denn die Sponsoren wollen für ihr knappes und teures Gut Geld schnelle Erfolge sehen.

Es bleibt also die Frage, ob der aktuelle Sprint-Cup und der dortige immense Druck die richtige Bühne für Experimente sind, denn Schicksale von Schlage eines Casey Atwoods drohen auch 2009 ganz schnell. Arbeitslose NASCAR-Piloten gibt es zuhauf, und was mit zu heißen Kartoffeln geschieht, ist sprichwörtlich bekannt: Man lässt sie schnell fallen.

Und was sagt Atwood, mittlerweile 28 Jahre alt, heute? "Ich weiß, dass ich immer noch ein Rennauto fahren kann. Ich brauche nur eine Chance. Eine Menge älterer Piloten wird in den kommenden Jahren aufhören. Dann werden einige Jobs zu haben sein." Das Problem: Die Generation Logano und Co. drängt von unten nach.

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt