• 08.04.2008 16:58

  • von Pete Fink

Analyse: Sind Edwards und Roush reif für den Titel?

Carl Edwards und das Team von Roush Fenway Racing schieben sich sukzessive in eine Favoritenposition - reicht es für die Meisterschaft?

(Motorsport-Total.com) - Bislang galt Jimmie Johnson als der absolute Spezialist für die 1,5 Meilenovale im Sprint-Cup, doch derzeit scheint ihm Carl Edwards mächtig den Rang abzulaufen. Generell ist auffällig: Während sich die 2006 - und vor allem 2007 - so dominanten Hendrick-Chevrolets mit Problemen herumschlagen, dreht die Ford-Truppe von Jack Roush auf Hochtouren.

Titel-Bild zur News: Carl Edwards Jack Roush

Carl Edwards und Jack Roush - können die beiden den Cup-Titel 2008 holen?

Eine starke Ford-Fraktion ist in der NASCAR weiß Gott nichts Neues, auch schon lange vor dem Erscheinen von Roush, der seit 1988 als Teambesitzer im Cup auftritt. Alleine das langjährige Ford-Aushängeschild Mark Martin dürfte wohl der stärkste NASCAR-Fahrer aller Zeiten sein, der nie einen Titel gewinnen konnte. Viermal wurde der heute 49-Jährige Zweiter der Gesamtwertung und holte dabei 35 Einzelsiege für Jack Roush.#w1#

Was Martin nicht vergönnt war, brachten 2003 und 2004 Matt Kenseth und Kurt Busch zu Ende- zwei Titel wanderten ins Hause Roush, und nach drei Siegen in sieben Rennen präsentiert sich nun mit Carl Edwards ein legitimer Nachfolger, der, ohne den Punktabzug von Las Vegas und seinem Motorschaden eine Woche später in Atlanta, in der Punktetabelle eine klare Führung einnehmen würde.

70 Prozent des Cup-Kalenders werden auf den Intermediate-Ovalen ausgetragen. Im Chase, den alles entscheidenden NASCAR-Playoffs, sind fünf der letzten zehn Strecken just jene 1,5 Meiler, was Johnson 2006 und 2007 mächtig in die Titelkarten spielte - und auf denen sich Edwards nun so stark präsentiert.

Denn ohne den Triebwerkschaden von Atlanta - da sind sich die Experten einig - hätte Kyle Busch in seinem Gibbs-Toyota in Georgia wohl nur wenig Siegchancen gehabt, und Edwards hätte alle drei 1,5 Meilenrennen der aktuellen Saison für sich entschieden.

Der Horrorauftakt 2007

Carl Edwards

Carl Edwards übernahm freiwillig den Löwenanteil der CoT-Tests Zoom

Dabei standen die Dinge vor Jahresfrist um 180 Grad anders. NASCAR brachte gerade das neue Car of Tomorrow (CoT) ins Rennen, mit dem 2008 alle 36 Punkterennen bestritten werden - und die Roush-Autos fuhren gnadenlos hinterher.

Der Grund ist bekannt: Roush vertraute zu stark auf die offiziell angesetzten CoT-Tests und den dazu von Goodyear gelieferten aktuellen Reifen. Doch die Konkurrenz - allen voran Hendrick - besorgte sich älteres Reifenmaterial auch von anderen Herstellern. Man fuhr mit neutral in weiß gehaltenen Trucks munter zu privaten Tests, während die Ford-Armada auf dem Hof in Mooresville blieb.

Das hat sich schnell geändert. Der Teamchef ärgert sich heute noch über diesen Fehler und rief im Sommer 2007 ein umfangreiches CoT-Testprogramm ins Leben. Haupttestfahrer war damals Carl Edwards, der sich aktiv darum bemühte, intensiv in die Probefahrten eingebunden zu werden.

Ein kluger Schachzug, der jetzt massive Früchte abzuwerfen scheint. "Ich habe soviel getestet, wie ich nur konnte und durfte", unterstrich Edwards erst wieder auf der Pressekonferenz von Texas. "Jeder kann sich noch gut daran erinnern, wie peinlich unsere ersten Rennen waren und wie weit entfernt von der Spitze wir damals unterwegs waren."

Roush motivierter denn je

Jack Roush

Jack Roush will vor allem der Konkurrenz von Toyota die Stirn bieten Zoom

Jack Roush wäre also nicht Jack Roush, wenn es ihm nicht gelungen wäre, der Hendrick-Dominanz Stück für Stück den Lack abzukratzen und nun scheint es so, als würde Carl Edwards in der Lage sein, den scheinbar übermächtigen Chevrolets und Toyotas mehr als nur die Stirn zu bieten.

Letztere sind nach wie vor der Lieblingsfeind des mächtigen Ford-Teamchefs und zumindest nach außen hat es den Anschein, als würde Jack Roush dann am Besten agieren, wenn er sich maßlos über etwas ärgert. Vielleicht ist es das Beispiel des Raubtiers, das dann am Gefährlichsten ist, wenn es gereizt wird. Das anfängliche CoT-Fiasko und der permanente Streit mit Toyota sind zwar möglicherweise schlecht für den Blutdruck, aber offensichtlich gut für die Performance.

Edwards wiederum zeichnete sich nicht nur durch besonderen Fleiß aus, sondern findet auch - aus seiner Sicht - eine perfekte Kombination im Team vor, denn der eigentliche Roush-Frontman Matt Kenseth verlor zu Saisonende 2007 seinen langjährigen Crewchief Robbie Reiser.

Prompt waren Kenseths Resultate seit Saisonbeginn alles andere, als das Gelbe vom Ei, während Reiser als neuer General Manager bei Roush Fenway Racing sein Wissen nun allgemein zugänglich macht. Davon dürfte nicht zuletzt das Gespann Carl Edwards und sein - derzeit noch gesperrter - Crewchief Bob Osborne profitieren.

Dazu kommt, dass Greg Biffle nach seinem Hoch 2005 in ein tiefes Loch stürzte, aus dem er sich derzeit erst langsam wieder herausarbeitet. Youngster David Ragan und Jamie McMurray, das ewige Talent, haben im Vergleich zu den großen Dreien im Team sicher nicht das gleiche Standing.

CoT völlig akzeptiert

Carl Edwards

Fitnessfreak Carl Edwards und sein berühmter Rückwärtssalto Zoom

Ein weiterer Faktor ist die Fitness. NASCAR ist ein Langstreckensport und Carl Edwards gilt unter allen aktiven Teilnehmern als der Fitteste - ganz im Gegensatz etwa zu seinem Großcousin Ken Schrader, von dem er zu Beginn seiner Karriere quasi auf die kleinen Dirt-Track-Ovale gezwungen wurde.

Das wiederum bedeutet nichts anderes, als dass bei Edwards derzeit nahezu alle Faktoren positiv zueinander passen, was sich in den Resultaten niederschlägt. Dazu kommt noch ein ganz wesentlicher Faktor, denn während sich die Konkurrenz in Sachen CoT mehr damit beschäftigt, über negative Details zu lamentieren, hat Edwards ganz bewusst das neue NASCAR-Fahrzeug voll und ganz mit all seinen Problemen und Anforderungen akzeptiert.

"Wir haben eine Menge Ingenieursarbeit in diese Autos einfließen lassen, worüber wir ganz spezifische Informationen besitzen", erklärte Jack Roush. "Carl beharrt nicht auf Prinzipien und auf dem, was er gerade für notwendig erachtet. Er hört den Ingenieuren zu und interagiert mit ihnen und alldem, was das Setup betrifft. Carl kann großartig mit den Werkzeugen umgehen, die wir ihm geben, und ist dann in der Lage, den Sack zu zumachen."

Nach nur sieben von 36 Rennen ist es natürlich unmöglich, einen NASCAR-Champion vorherzusagen. Doch eines hat das erste Saisonfünftel deutlich gezeigt: Wer in diesem Jahr den Titel holen will, der muss in der Lage sein, Carl Edwards und das Roush-Fenway-Team zu schlagen. Und: Wie man einen NASCAR-Titel holt, weiß Edwards genau - er ist der amtierende Meister in der Nationwide-Serie.