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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Jorge Lorenzo kommt auf der Desmosedici so richtig in Fahrt - Haben die Ducati-Verantwortlichen den Ex-Weltmeister zu früh abgeschrieben und ziehen lassen?
Liebe Leser,

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Trauern Gigi Dall'Igna (links) und Paolo Ciabatti (mitte) Jorge Lorenzo schon nach? Zoom
kennen Sie das, wenn Ihnen so langsam dämmert, dass eine nicht mehr umkehrbare Entscheidung vielleicht nicht unbedingt die beste war, die sie in ihrem Leben je getroffen haben? Dass sie das letzte Bier am Abend lieber nicht mehr getrunken hätten? Dass es eventuell keine gute Idee war, zehn Euro auf den WM-Titel 2018 für Deutschland zu setzen? So ähnlich dürfte es gerade dem Ducati-Management gehen - nur in deutlich größerem Ausmaß.
Eigentlich ist es auf den ersten Blick paradox, Paolo Ciabatti, Gigi Dall'Igna, Davide Tardozzi und Co. in dieser Kolumne schlecht schlafen zu lassen. Schließlich hat Jorge Lorenzo den Roten gerade den zweiten Sieg in Serie beschert und Überflieger Marc Marquez in Barcelona erneut in die Schranken verwiesen. Doch genau da liegt das Problem - denn Lorenzo wird 2019 nicht mehr für Ducati fahren.
Zugegeben: Ich selbst hätte auch nicht damit gerechnet, dass Lorenzo so schnell - wenn überhaupt noch - die Wende auf der Desmosedici schafft. Nach dem Rennen in Austin machte ich Lorenzo nach einem völlig verkorksten Saisonstart noch zum Thema dieser Kolumne. Ich prophezeite dem Ex-Champion bereits eine weitere "verschenkte" Saison in Rot. Offensichtlich eine Fehleinschätzung meinerseits.
Lorenzo fühlte sich nicht mehr gewollt
Und ganz offensichtlich auch eine Fehleinschätzung der Ducati-Verantwortlichen, die wohl ebenfalls nicht mehr an den Turnaround des Spaniers geglaubt haben. Ausgerechnet nach Lorenzos erstem Sieg für Ducati in Mugello verkündete man, dass die Nummer 99 im kommenden Jahr durch die Nummer 9 - sprich Danilo Petrucci - ersetzt wird. Und vermutlich hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits die böse Vorahnung, dass man mit dieser Entscheidung daneben gegriffen haben könnte.
Letztendlich war es Lorenzo selbst, der sich von Ducati nicht mehr gewollt fühlte und selbst die Initiative ergriff. Er stieg in Verhandlungen mit Honda ein und wird 2019 auf der RC213V an den Start gehen. Das sah vor Mugello noch nach einer guten Lösung für alle Seiten aus. Lorenzos Zukunft war damit gesichert und bei Ducati war man angesichts der Ergebnisse bis zu diesem Zeitpunkt nicht undankbar darüber, Lorenzo durch die deutlich günstigere Alternative Petrucci ersetzen zu können.
Jetzt ist alles anders. In den vergangenen beiden Rennen ist das Kräfteverhältnis bei den Italienern komplett gekippt. Mit der Maximalausbeute von 50 Punkten aus zwei Rennen liegt Lorenzo in der WM plötzlich gleichauf mit Andrea Dovizioso. Das Momentum hat der Spanier sowieso auf seiner Seite. Ausgerechnet jetzt scheint er endlich das Geld wert zu sein, dass Ducati in den Ex-Weltmeister investiert hat.
Petrucci kann einen Lorenzo in dieser Form nicht ersetzen
So richtig genießen kann man das in Bologna aber vermutlich nicht. Natürlich wird man sich bei Ducati über jeden Sieg freuen, aber im Hinterkopf wird man ganz sicher auch an 2019 denken. Und da ist klar, dass ein Danilo Petrucci - bei allem Respekt - einen Jorge Lorenzo in dieser Form niemals ersetzen kann. Man könnte auch sagen: Ducati hat offenbar am falschen Ende gespart.
Besonders bitter ist das deshalb, weil Lorenzo eigentlich gar nicht gehen wollte. Er fühlte sich von Ducati in den Wechsel getrieben. Und noch schlimmer: Aktuell scheint man mit Lorenzo nicht nur selbst einen Topfahrer zu verlieren. Mit seinem Wechsel zu Honda stärkt man so quasi auch noch einen direkten Konkurrenten. Denn spätestens seit gestern ist klar: Mit der Kombination Marquez/Lorenzo könnte Honda eine brutale Dominanz in der MotoGP erreichen.
Das hängt freilich davon ab, ob Lorenzo die Honda zu "seinem" Bike machen kann. Aber nachdem er das nun offenbar mit der Ducati geschafft hat, zweifeln wohl nur noch wenige daran, dass er das auch bei Honda schaffen wird. Möglicherweise wird es wieder einige Zeit dauern, aber klar ist: Wenn Lorenzo es erst einmal schafft, dann wird er auf der RC213V unweigerlich auch Rennen gewinnen.
Zieht Lorenzo "Dovi" jetzt davon?
Gleichzeitig steckt man nun auch in einer Zwickmühle was den weiteren Verlauf der Saison 2018 angeht. Einerseits ist Dovizioso der Fahrer, der auch 2019 noch beim Team sein wird - und somit eigentlich die Richtung bei der Entwicklung vorgeben sollte. Anderseits muss man im WM-Kampf nun plötzlich auch Lorenzo wieder auf der Rechnung haben. Da kann man es sich nicht leisten, den Abwanderer links liegen zu lassen.

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Jorge Lorenzo lässt den Hammer ab der Saison 2019 für Honda fallen Zoom
Das ist zugegebenermaßen schon sehr weit gedacht, denn in der Weltmeisterschaft liegen beide Piloten aktuell 49 Zähler hinter Marc Marquez. Im Fall der Fälle wäre dann hypothetisch aber auch noch die Frage offen: Würde Ducati wollen, dass Lorenzo als amtierender Weltmeister zu Honda wechselt und die Startnummer 1 mit zu den Japanern nimmt? Das ist alles aber noch so weit weg, dass wir hier erst einmal die nächsten Rennen abwarten sollten.
Zur Ehrenrettung von Ciabatti und Co. sei übrigens noch gesagt, dass ich in ihrer Position wahrscheinlich nicht anders entschieden hätte. Natürlich habe ich nicht die nötigen internen Einblicke bei Ducati, aber von außen betrachtet war es - zum damaligen Zeitpunkt - die richtige Entscheidung, 2019 nicht mehr auf Lorenzo zu setzen. Nur wird danach am Ende keiner mehr fragen.
Wer sonst noch schlecht geschlafen hat
Andrea Dovizioso: Zu "Dovi" ist eigentlich schon alles gesagt. Das Kräfteverhältnis bei Ducati hat sich in den vergangenen Wochen umgekehrt. Hat dieser Druck Dovizioso in Barcelona in einen Fehler getrieben? Das lässt sich von außen schwer beurteilen. Fakt ist aber, dass Dovizioso seinen eigenen Anspruch - nämlich 2018 um den Titel zu kämpfen - aktuell nicht erfüllen kann.
Maverick Vinales: Auch bei Yamaha bestätigte sich in Barcelona ein Trend: Vinales landete auch im vierten Rennen in Folge wieder mehrere Positionen hinter Valentino Rossi. Nach dem Test an gleicher Stelle war Vinales noch sehr optimistisch, doch im Rennen war es letztendlich wieder das gleiche Spiel wie in den vergangenen Wochen. Vinales braucht dringend die Wende, die Lorenzo jüngst gelungen ist.
Hafizh Syahrin: Bei insgesamt zwölf Ausfällen im MotoGP-Rennen ist es eigentlich unfair, sich ausgerechnet einen Fahrer aus dieser großen Gruppe herauszupicken. Ich mache das trotzdem, denn Syahrin fuhr bis zu seinem Crash sein vielleicht bestes Rennen in der Königsklasse und hätte einige wertvolle Punkte mitnehmen können. Diese Chance konnte - wie übrigens viele andere Piloten aus dem Mittelfeld auch - am Ende nicht nutzen.
Ihr

Ruben Zimmermann


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