Tech-3-Teamchef Poncharal überzeugt: "Ein Satellitenteam kann WM gewinnen"

2020 haben Satellitenteams mehr Rennen als die Werksteams gewonnen - Die enge Zusammenarbeit innerhalb einer Marke sorgt für ausgeglichenen Wettbewerb

(Motorsport-Total.com) - Blickt man auf die MotoGP-Ära seit 2002, dann konnten Satellitenteams immer wieder Achtungserfolge feiern. Beispielsweise forderte Sete Gibernau in den Jahren 2003/04 mit der Gresini-Honda Valentino Rossi (Repsol-Honda) heraus. Für den Weltmeistertitel reichte es aber nicht.

Titel-Bild zur News: Franco Morbidelli, Jack Miller

In Valencia 2 kämpften mit Morbidelli und Miller zwei Satellitenfahrer um den Sieg Zoom

In der MotoGP-Ära hat noch kein Satellitenteam den Weltmeistertitel gewonnen. Über die Jahre ging die Schere zwischen Werk- und Kundenteams immer weiter auf. Zwischen Estoril 2006 (Toni Elias/Gresini-Honda) und Assen 2015 (Jack Miller/Marc-VDS-Honda) gingen alle Grand-Prix-Siege an Werksteams.

Mittlerweile hat sich die Situation verändert. Ducati, Honda und KTM setzen vier aktuelle Werksmotorräder ein, Yamaha drei. Nur noch das Esponsorama-Team verwendet Ducati-Motorräder älterer Spezifikation.

Die enge Verzahnung zwischen Werks- und Satellitenteams hat für die Ausgeglichenheit im Feld gesorgt. 2020 gingen acht der 14 Siege an Satellitenteams. Mittlerweile haben auch die vermeintlichen Kundenfahrer Verträge mit dem jeweiligen Werk in der Tasche.

Ist es deshalb nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Satellitenteam die Weltmeisterschaft gewinnt? "Ja, das glaube ich", meint Tech-3-KTM-Teamchef Herve Poncharal. Vorbei sind die Zeiten, als das Kundenteam mit alten Motorrädern fahren musste.


Fotostrecke: MotoGP Jerez 2005: Rossi rempelt Gibernau in der letzten Kurve weg

Schere zwischen Werks- und Satellitenteams geht nicht mehr auf

Auch Weiterentwicklungen werden verteilt. Deswegen geht auch die Schwere zwischen Werks- und Satellitenteams während der Saison nicht mehr so stark auf wie noch vor wenigen Jahren. Das sorgt für ausgeglichene Rennen und verschiedene Sieger.

"Man muss sich bei den technischen Regeln bedanken, den guten Fahrern und auch bei allen Werken, die an ihre Satellitenteams glauben und sie unterstützen", betont Poncharal und denkt dabei an die Verantwortlichen von Dorna, FIM, MSMA und IRTA.

"Satellitenteams haben die Möglichkeit Rennen zu gewinnen und um den WM-Titel zu kämpfen. Da bin ich mir ziemlich sicher. 2020 war natürlich eine verrückte Saison. Joan Mir ist natürlich ein verdienter Weltmeister, aber das passierte komplett unerwartet."

Herve Poncharal

Das Tech-3-Team von Herve Poncharal holte für KTM den Heimsieg in Spielberg Zoom

"Praktisch alle Satellitenteams haben die gleichen Motorräder wie die Werksteams und volle Unterstützung. Mit größtem Respekt vor unserem Werksteam, aber wir haben im vergangenen Jahr mehr Rennen gewonnen."

"Wenn man sich ansieht, was in Jerez 2 und in Spielberg 1 passiert ist, dann hätten wir vielleicht in der WM das bestplatzierte KTM-Team sein können", erinnert Poncharal an die unschuldigen Ausfälle von Miguel Oliveira. "Bei Yamaha war das Satellitenteam das bessere Team."

Enge Verzahnung und Datenaustausch eine "Win-win-Situation"

Fast 20 Jahre lang war Tech 3 Yamaha-Kunde und musste mit älteren Spezifikationen zurechtkommen. Yamaha änderte diese Strategie erst mit Petronas SRT, wobei hinter den Kulissen gemunkelt wird, dass Petronas für die bessere Unterstützung auch mehr bezahlt.

Als Poncharal 2018 mit KTM über die Zusammenarbeit ab 2019 sprach, wurde rasch erkannt, dass eine enge Kooperation für beide Seiten Vorteile bringen kann. Schließlich befand sich KTM im Entwicklungs- und Aufholprozess.

"Dass wir alle Daten teilen, war für mich ein entscheidender Punkt, als wir zu KTM gestoßen sind", sagt der Franzose. "Wenn wir einen guten Job machen wollen, dann brauchen wir vier Motorräder mit der gleichen Spezifikation und Weiterentwicklung. Anders macht es keinen Sinn."

"Der Austausch der Daten hilft allen vier Fahrern. Wenn man mit vier gleichen Motorrädern in ein Wochenende startet, dann hat man einen Plan. Jeder kann beim Set-up seinen eigenen Weg verfolgen. Mike Leitner spricht mit allen vier Crew-Chiefs."

KTM-Box

Bei KTM arbeiten beide Teams eng zusammen Zoom

"Am Mittwoch und Donnerstag wird in den KTM-Boxen schon intensiv gearbeitet, um Freitag und Samstag vorzubereiten. Auch Pol [Espargaro] hat gesagt, dass ihm das Set-up von Tech 3 auch schon mal geholfen hat. Manchmal hilft uns das Werksteam, manchmal helfen wir ihnen."

"Das ist im Interesse eines Herstellers. Ich glaube, der Datenaustausch hilft nicht nur an den Rennwochenenden, sondern auch den Ingenieuren für die Weiterentwicklung. Es ist eine Win-win-Situation."

Aufgrund dieser Ausgeglichenheit im Feld ist es laut Poncharal unmöglich vorherzusehen, wer das erste Rennen und am Ende die Weltmeisterschaft gewinnen wird: "Praktisch jeder im Feld kann Rennen gewinnen und viele Fahrer kommen für den WM-Titel in Frage. 2020 war unglaublich. Unseren ersten MotoGP-Sieg werden wir nie vergessen."

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