• 18.01.2008 16:55

  • von David Pergler

Stoners Freud', Melandris Leid

Während sich Casey Stoner aufgrund seiner Stärken zu Beginn einen Vorsprung ausrechnet, hat Marco Meldandri seine Ducati-Problemzonen lokalisiert

(Motorsport-Total.com) - Casey Stoner gilt neben Valentino Rossi natürlich als Topfavorit auf den Titel 2008. Das war nicht immer so, vor genau einem Jahr sah sich der schnelle Australier eher dem Gegenteil ausgesetzt. Berühmt durch zahlreiche Stürze, die ihm den Spitznamen "Rolling Stoner" einbrachten und mit eher durchschnittlichen Leistungen bei LCR-Honda kam sich Stoner bei Ducati vor, wie das Kaninchen vor der Schlange.

Titel-Bild zur News: Marco Melandri und Casey Stoner

Casey Stoner und Marco Melandri - unterschiedliche Vorraussetzungen

Aufgrund dieses Spitznamens wollte der amtierende Weltmeister seine Maschine in den Grand Prix jeweils eigentlich primär nur nach Hause bringen - ans siegen hat er dabei noch gar nicht gedacht: "Vergangenes Jahr ging es mir darum, Rennen zu beenden, nicht sie zu gewinnen. Ich wollte sie in erster Linie beenden", erklärt der Ducati-Pilot, wie sich die Puzzle-Teile scheinbar wie von selbst zusammensetzten.#w1#

Doch was in Qatar noch wie ein Glücksgriff aussah, entpuppte sich im Laufe der Saison 2007 als feste Regel - Stoner dominierte die meisten Rennen und setzte sich am Ende des Jahres überlegen die Weltmeisterkrone auf. Überraschend war dabei die scheinbare Leichtigkeit, mit welcher der früher sonst eher nervös agierende Australier seinem Ziel entgegenfuhr.

Der Erfolg peitschte Stoner voran

Doch seine Erfolge gaben ihm Kraft und ließen ihn so viel Selbstvertrauen schöpfen, dass er bei jedem Grand Prix immer sicherer im Sattel saß. Stoner erklärt, wie unsicher er sich noch vor einem Jahr war, zumal er auch noch in das Riesen-Team Ducati gewechselt war: "Vergangenes Jahr fühlte ich mich in diesem Team wie eine Maus oder eine Ameise. Ich bekam viel schlechte Presse und das noch, bevor die Saison losging. Es ist gut, dass all das nun hinter mir liegt und ich mich wirklich auf den Saisonbeginn konzentrieren kann."

Seine eigene Unsicherheit auch dem Team gegenüber war ihm zu Beginn noch oft eine Bremse, doch wie die Saison voranschritt, fasste Stoner auch teamintern immer besser Fuß. "Er war bis zum letzten Test des Jahres 2007 extrem schnell, ich erwarte also großartige Dinge von ihm", erklärt Ducati-Boss Livio Suppo.

"Ich denke, dass er ziemlich davon profitieren wird, das zweite Jahr in Folge beim selben Team zu fahren. Vergangenes Jahr hatte er oftmals Probleme, welche auf seiner mangelnden Erfahrung mit dem Team und der Maschine beruhten. Meiner Meinung nach war dies sein größtes Defizit", prophezeit der Teamboss seinem neuen Starpiloten eine weitere Steigerung."

Stoner zu Saisonbeginn mit Vorsprung?

Ducati-Team

Casey Stoner ist entgültig im italienischen Ducati-Team angekommen Zoom

Nicht nur Stoners sich allmählich häufenden Siege gaben ihm Selbstvertrauen, sondern auch eine immer bessere Zusammenarbeit mit dem damals ihm neuen Team. Diese Selbstsicherheit wurde allmählich so groß, dass der 22-Jährige davon überzeugt ist, dass diese ihn bis zum Saisonende die Oberhand behielten ließ, nachdem die Ducati-Rivalen nach und nach den technischen Vorsprung der Italiener abgeknabbert haben.

Doch dazu war es zu spät - Stoner war als Fahrer gereift und konnte die Konkurrenz aus eigener Kraft auf Distanz halten: "Sie haben zum Saisonende hin aufgeholt, aber wir haben uns auch bemüht, schneller zu werden. Ich habe wesentlich mehr Vertrauen in mich und in die Maschine zu bekommen", so Stoner. "Alle haben sich auf unterschiedlichen Gebieten verbessert, aber ich und meine Fahr-Fähigkeiten wurden auch wesentlich besser. Ich wurde selbstsicherer und konnte auch viel besser erklären, was ich an der Maschine brauche."

Mit seiner gestiegenen Selbstsicherheit im Team und auf der Rennpiste einerseits und Ducatis wohl auch diesmal wieder überzeugenden technischen Paket andererseits rechnet sich der amtierende Weltmeister eine Menge Vorteile aus. "Ich denke, dass wir in die neue Saison mit einem Vorsprung gehen", bekräftigt Stoner seiner Zuversicht.

Melandri braucht noch Eingewöhnungszeit

Zuversichtlich ist der Weltmeister auch für seinen neuen Teamkollegen Marco Melandri. Mit dessen Vorgänger verbindet beide höchstens die italienische Herkunft. 2007 hatte Loris Capirossi gegen den Teamneuling Stoner nichts zu melden. Jetzt ist die Situation umgekehrt und der 22-Jährige ist der Eingesessene. Ein Vorteil für Stoner?

"Es gibt keinen Grund, warum Marco Melandri nicht vorne an der Spitze dabei sein sollte" Casey Stoner

"Wenn Marco gewinnen kann, dann freue ich mich für ihn und Ducati. Er hat in all den Jahren gute Leistungen gezeigt und er verdient es, ein paar gute Ergebnisse einzufahren. Ich denke, dass er genug Talent hat", gibt sich Stoner diplomatisch. "Dadurch, dass er genau wie ich vor einem Jahr neu im Team ist, ist er eine unbekannte Größe. Wir werden abwarten und sehen, wie er sich anstellt, aber es gibt keinen Grund, warum er nicht vorne an der Spitze dabei sein sollte."

Noch sind die Kräfteverhältnisse eindeutig, während dem Weltmeister die Ducati wie ein alter Turnschuh passt, schlitterte und rutschte Melandri auf seinem neuen Arbeitsgerät noch etwas umher. Doch von seinem Rennstall erhält er alle Zeit der Welt, sich an die neue Fahrphysik und an sein Team zu gewöhnen, ebenso wie man Stoner etwas Zeit zugestand.

Teamboss Suppo erklärt: "Wenn wir zurückschauen, dann befand sich Casey damals in mehr oder weniger der selben Situation. Er sah mit Sicherheit noch nicht so aus, als könne er die Meisterschaft gewinnen. Er hatte auch etwas Probleme, sich auf der Maschine wohl zu fühlen. Marco verdient also die selbe Eingewöhnungsphase, wie alle anderen."

Melandris Baustelle - der Ducati-Motor

Marco Melandri

Marco Melandri kam bislang eher schlecht als recht mit der Ducati zurecht Zoom

Indes hat Melandri die Hauptunterschiede ausgemacht, welche zu seinen Problemen mit der Ducati führten: "Ich muss beim Umgang mit dem Gas etwas selbstsicherer werden, weil mein Fahrstil vollkommen anders ist, als der von Casey. Es ist offensichtlich, dass die Maschine für ihn entwickelt wurde und jetzt muss ich arbeiten, um sicherzustellen, dass sie meinem Stil mehr entgegen kommt, besonders die Traktionskontrolle."

Melandri spricht die Traktionskontrolle im Zusammenhang mit der scheinbar schieren Power des Ducati-Motors an: "Hoffentlich ist die Fahrbarkeit des Motors besser, wenn wir wieder testen. Ich hoffe, dass sich die Kraft weniger aggressiv entfaltet. Das Aggregat ist ein wenig zu nervös für meine Fahrweise und das ist der Hauptunterschied, den ich zu Honda entdeckt habe. "

"Der Motor ist wesentlich aggressiver, als der von Honda und ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig sein wird, diese Kraft über ein ganzes Rennen lang zu bändigen. Das Problem besteht darin, dass die Charakteristik des Motors nichts ist, was man einfach so verändern kann", so der Italiener. Doch noch hat Melandri die Tests in Sepang, Phillip Island, Jerez und Qatar Zeit, bevor es am 9. März zum ersten Rennen geht.