Stefan Bradl im Interview: "Für 2016 noch nichts Konkretes"

Im Interview spricht Stefan Bradl über seinen Einstand bei Aprilia und seine neue Herausforderung in der zweiten Saisonhälfte - Die Zukunft 2016 ist noch offen

(Motorsport-Total.com) - Nach der turbulenten Sommerpause und dem Wechsel von Forward-Racing zu Aprilia steht Stefan Bradl in Brünn vor seinem zweiten Rennwochenende mit der RS-GP. Vor einer Woche in Indianapolis konnte der einzige Deutsche im MotoGP-Feld auf Anhieb das Level von Teamkollege Alvaro Bautista erreichen. Trotzdem traten im Rennen Schmerzen in der rechten Hand (Kahnbeinbruch in Assen) auf, die Bradl etwas einbremsten.

Titel-Bild zur News: Stefan Bradl

Seit Indianapolis fährt Stefan Bradl für das Aprilia-Werksteam Zoom

Nach den Turbulenzen bei Forward hat Bradl mit Aprilia sofort ein neues Team gefunden. In der zweiten Saisonhälfte ist der Moto2-Champion von 2011 in die Entwicklung eingebunden. Noch muss sich Bradl nach dem kurzfristigen Motorrad- und Teamwechsel auf die Aprilia eingewöhnen. Vor dem Grand Prix von Tschechien gibt Bradl im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' Auskunft über seinen Einstand bei Aprilia. Außerdem nimmt er Stellung zu seiner momentan ungewissen Zukunft.

Frage: "Stefan, wie geht es jetzt deiner Hand?"
Stefan Bradl: "Es ist hoffentlich besser als in Indy. Wie es im Rennen aussehen wird, kann ich noch nicht sagen, weil ich im Rennen die größten Probleme hatte. Ich verlor etwas die Kraft und bekam Schmerzen. Ich bin aber bereit. Ich habe auch in Indy gezeigt, dass ich fahren kann. Auf dem Sachsenring hätte es noch keinen Sinn gemacht."

"Jetzt werden wir sehen, wie es hier läuft. Ich denke, die Strecke ist für die Hand auch nicht ganz so anspruchsvoll. Ich hoffe, dass mir der flüssige Streckenverlauf entgegenkommt. Sicher bin ich noch nicht bei 100 Prozent, dass ich extrem attackieren kann. Ich werde mir die Hand tapen und massieren lassen, damit sie am Sonntag im bestmöglichen Zustand ist."

Frage: "Kann man eigentlich etwas machen, oder ist Ruhe für die Hand die beste Möglichkeit?"
Bradl: "Natürlich hatte ich noch Nachwehen nach Indy. Am Montag und Dienstag war ich bei der Physio und habe das ganze Wochenende auch Schmerzmittel genommen. Das wird sich wahrscheinlich hier auch nicht ändern, damit es erträglich ist."

Eingewöhnung auf die Aprilia RS-GP

Frage: "In Indianapolis bist du zum ersten Mal die Aprilia gefahren. Zunächst ging es um die Sitzposition, damit du dich wohlfühlst. Konntet ihr sonst schon etwas mit dem Bike machen?"
Bradl: "Wir konnten ein paar Dinge ausprobieren, aber jeder weiß, dass ein Motorradwechsel während der Saison äußerst unüblich ist. Normal fängt man bei den Wintertests mit der Sitzposition und groben Veränderungen am Motorrad an."

"Das musste bei uns auf die Schnelle in den kurzen Trainingssessions gemacht werden. Von daher bin ich noch nicht so weit um sagen zu können, was ich brauche, um schnell fahren zu können. Wir müssen uns vorantasten, was ich brauche und wir ändern müssen, damit wir vorwärts kommen. Ich weiß zum Beispiel auch noch nicht, wie sich das Motorrad auf vielen Strecken über die Distanz verhält, und weiß auch noch nicht, welche Resultate Fahrwerksänderungen bewirken."

Alvaro Bautista, Stefan Bradl

Stefan Bradl fuhr auf Anhieb auf dem Niveau von Alvaro Bautista Zoom

Frage: "Musst du deinen Fahrstil stark für die Aprilia verändern?"
Bradl: "Die Aprilia verlangt natürlich einen etwas anderen Fahrstil, weil sie in der Kurve leichtes Untersteuern hat. Das versuchen wir zu beheben. Wir probieren im Moment grobe Dinge aus, mein Fahrstil muss in gewissen Dingen auch angepasst werden. Logisch, das ist bei jedem Motorrad so. Dafür brauchen wir noch Zeit."

"Man darf auch an diesem Wochenende keine Wunder erwarten. Wenn WM-Punkte rausschauen, dann wäre es schon ein Traum. Da in Indy für mich alles frisch war, waren die Ansätze schon gut. Ich war damit zufrieden. Im Rennen kannte ich das Motorrad nicht über die Distanz, und dann kommen viele Faktoren hinzu. Dabei war ich gar nicht so weit weg von Alvaro."

Tests stehen für Aprilia im Fokus

Frage: "Du bist jetzt in kurzer Zeit drei verschiedene MotoGP-Bikes gefahren. Kannst du Vergleiche zwischen Honda, Yamaha und der Aprilia ziehen?"
Bradl: "Wenig. Ich wurde auch gebeten, keine großen Vergleiche zu äußern. Es verlangt natürlich einen etwas anderen Fahrstil, aber das ist bei jedem Motorrad so. Als Fahrer muss man sich daran anpassen."

Frage: "Du hast das Turning als Schwachpunkt angesprochen. Von außen fällt auch der niedrige Topspeed ins Auge. Siehst du weitere Defizite?"
Bradl: "Das sind offensichtliche Dinge, wo wir noch im Nachteil sind. Für Aprilia ist es ein Testjahr. Sie wollen im nächsten Jahr mit einem reinrassigen Prototypen an den Start gehen, damit sie in der nächsten Saison perfekt aufgestellt sind. Aprilia testet jetzt unter Rennbedingungen. Ich hoffe, dass ich ihnen da weiterhelfen kann."

Stefan Bradl

Für Aprilia ist die Saison 2015 ein reines Testjahr, bevor der neue Prototyp kommt Zoom

Frage: "Du hast angesprochen, dass es für Aprilia ein Testjahr ist. Die reinen Ergebnisse sind deswegen eher nebensächlich. Das ist anders als in der ersten Saisonhälfte bei Forward, wo es dein klares Ziel war, bester Open-Fahrer zu werden."
Bradl: "Richtig, es ist auch meine Absicht, das Motorrad weiterzuentwickeln. Jeder weiß, dass wir vom Motorrad her limitiert sind. Alvaro und ich sind vom Fahrkönnen her auf einem ähnlichen Niveau. Wir müssen schauen, dass wir die Entwicklungsarbeit leisten, damit die Techniker in Noale für das nächste Jahr ein besseres Package bieten können, damit wir wiederum bessere Ergebnisse holen können."

Frage: "Alvaro kennt die Aprilia schon viel länger. Trotzdem warst du nach den ersten Trainings auf seinem Niveau. Hattest du einen großen Grinser unter dem Helm?"
Bradl: "Nein, es war für mich eine Bestätigung, dass ich noch Motorrad fahren kann. Es war auch für mich überraschend, dass ich so rasch so schnell sein kann. Für ein paar Runden hat es ganz gut funktioniert, über die Distanz muss ich mich noch eingewöhnen. Dazu muss auch noch die Hand komplett fit werden. Im Großen und Ganzen war es für mich zufriedenstellend und auch das Team war sehr happy mit mir."

"Mit der Elektronik komme ich sehr gut zurecht. Sie vermittelt ein gutes Gefühl." Stefan Bradl

Frage: "Stichwort Elektronik: Mit der Open-Elektronik warst du nicht zufrieden. Wie ist dein Eindruck von der Aprilia-Elektronik?"
Bradl: "Ich fühle mich wohler. Das Motorrad hat andere Schwachstellen, gar keine Frage, aber mit der Elektronik komme ich sehr gut zurecht. Sie vermittelt ein gutes Gefühl, Vertrauen zu haben. Es ist auch gar nicht so schwierig, mit der Elektronik zu arbeiten. Das Motorrad ist aber generell nicht auf dem gleichen Stand."

Zukunft noch völlig offen

Frage: "Wie sehen die weiteren Schritte in den nächsten zwei Monaten aus? Wirst du das Werk besuchen, wirst du in die Entwicklung des 2016er-Prototypen eingebunden? Wurde der Fahrplan für die nächsten Monate schon besprochen?
Bradl: "Nein, das haben wir nicht. Ich habe für das nächste Jahr auch noch nichts Konkretes. Noch ist nichts fix. Erst wenn die Zukunft gesichert ist, werden die nächsten Pläne geschmiedet. Vielleicht tut sich an diesem Wochenende etwas. Vor Silverstone hoffe ich, dass ich weiß, in welche Richtung meine persönliche Zukunft geht."

Frage: "Es gibt zu dieser Jahreszeit viele Gerüchte. Ein Sam Lowes soll bei Aprilia unterschrieben haben und Pramac soll an dir interessiert sein. Kannst du etwas dazu sagen?"
Bradl: "Ich lasse mich überraschen, denn im Moment weiß ich nichts Konkretes. Ich warte jetzt ab und will mein Bestes auf der Strecke geben. Wie es mit Aprilia weitergeht, das weiß ich nicht. Das warte ich noch ab. Zu den anderen Dingen kann ich momentan auch nichts sagen. Ich habe gehört, dass ich im Gespräch bin, aber ich weiß noch nichts Konkretes."

"Vielleicht ergibt sich schon an diesem Wochenende etwas. Ich weiß es nicht. Ich wäre auch lieber in einer anderen Situation, damit ich langfristig planen kann. Das ist momentan nicht der Fall. Ich habe gelernt damit umzugehen und lasse mich damit auch nicht mehr stressen. Kommt Zeit, kommt Rat."