Silverstone-Quali im Regen am Limit? MotoGP-Fahrer äußern Kritik

Aquaplaning und viele Stürze: Nach den Regensessions in Silverstone hagelte es seitens der Fahrer Kritik - Was das Fahren aus ihrer Sicht so gefährlich machte

(Motorsport-Total.com) - Das MotoGP-Wochenende in Silverstone war von Regenschauern geprägt, die vor allem am Samstag für teils grenzwertige Bedingungen sorgten. Im Qualifying kam es zu mehreren heftigen Abflügen, auch von Polesetter Marco Bezzecchi (VR46-Ducati) und Weltmeister Francesco Bagnaia (Ducati).

Titel-Bild zur News: Jorge Martin

Stehendes Wasser und schlechte Sicht waren die Hauptprobleme Zoom

Danach war quer durch das Fahrerlager harsche Kritik zu hören. Alex Marquez (Gresini-Ducati), der trotz eines eigenen Sturzes neben Bezzecchi und Jack Miller (KTM) in die erste Startreihe gefahren war, schimpfte im Parc Ferme: "Es gab einige Stürze. Viel Gras landete in der Kurve, in der Marco zu Boden ging."

"Ich frage mich, ob das eine Weltmeisterschaft oder eine regionale Meisterschaft ist. Das ist jedenfalls nicht akzeptabel. Bei solchen Bedingungen muss es eine rote Flagge geben, um die Strecke zu säubern. Außerdem gab es viel Aquaplaning. Die Bedingungen waren also am Limit", hielt der Gresini-Pilot fest.

Nach seinem Sprintsieg wiederholte Marquez seine Kritik in der späteren Pressekonferenz. "In Kurve 1 lagen zwei Flügel, außerdem das ganze Gras von Marcos Crash. In den letzten beiden Runden machte es also gar keinen Sinn zu fahren. Und es war sehr gefährlich mit dem Aquaplaning und all dem. Ich habe einfach nicht verstanden, warum es keine rote Flagge gab zu dem Zeitpunkt", so der Spanier.

Auf die Frage, ob es nur am Wetter oder auch an der Strecke lag, dass die Bedingungen so schlecht waren, sagte Marquez: "Es stimmt, dass das Wasser auf beiden Geraden nicht wirklich abfloss. Vielleicht ist das etwas, das man für die Zukunft verbessern kann."

"Wir hatten das Problem schon 2018, als sich Tito (Rabat; Anm. d. R.) das Bein brach. Das muss man sich ansehen. Denn es hat nicht sehr stark geregnet."

Bezzecchi rutschte auf einer Wasserlache aus

Auch Marquez' Fahrerkollegen zeigten sich mit den Bedingungen unzufrieden. "Es war ein bisschen gefährlich, um ehrlich zu sein", sagte etwa Polesetter Bezzecchi. "In den Kurven war es nicht so gefährlich, aber auf den Geraden, die diese Strecke hat, hatte ich viel Aquaplaning und ein durchdrehendes Heck."

"Da kann man als Fahrer nichts machen. Außerdem war die Stelle, an der ich gestürzt bin, eine Stelle, an der viel Wasser stand. Im Qualifying war es vielleicht okay. Es war am Limit, aber okay. Aber wenn wir so in den Sprint hätte gehen müssen, dann wäre es zu gefährlich gewesen, vor allem wegen der eingeschränkten Sicht."


Fotos: MotoGP: Grand Prix von Großbritannien (Silverstone) 2023, Qualifying und Sprint


Tatsächlich fand vor dem Sprintrennen ein Treffen der Fahrer mit Loris Capirossi, dem Sicherheitsbeauftragten der FIM statt, um zu diskutieren, wie man vorgehen wird, sollte es so nass bleiben. Da sich die Bedingungen im Laufe des Nachmittags besserten, konnte der Sprint aber ohne große Einschränkungen stattfinden.

Dennoch betonte Bagnaia danach: "Es hätte eine rote Flagge geben müssen, wenn es diese Bedingungen im Rennen gegeben hätte. Schon im Freien Training war es grenzwertig. In einem Training ist es zwar in Ordnung, uns fahren zu lassen, aber die Gischt war extrem und bei einem Sturz wie meinem (im Qualifying; Anm. d. R.) würdest du im Rennen mit drei oder vier anderen Fahrern zu Boden gehen."

Deutliche Worte fand wie immer auch Aleix Espargaro (Aprilia): "Ich verstehe nicht, was sich die Rennleitung gedacht hat. Ich habe mit ihnen nach dem Qualifying gesprochen. Sie sagten mir, dass ein Rennen bei diesen Bedingungen zu 100 Prozent nicht starten wird. Da frage ich mich, warum das beim Qualifying anders ist."

Kehrfahrzeug in Silverstone

Kehrmaschinen versuchten, das Wasser zwischenzeitlich abzutragen Zoom

Vor allem auf den Geraden habe es "überall Aquaplaning" gegeben, was zu einigen Stürzen führte. Zwar wurde die Strecke noch vor dem Qualifying mit Kehrfahrzeugen befahren, um stehendes Wasser zu beseitigen. "Das war auch gut", meint Espargaro.

"Aber nach fünf Minuten war die Strecke wieder wie vorher. Okay, sie schicken uns erst einmal raus. Aber sobald man Aquaplaning sieht... ich habe meine Hand gehoben, auch Pecco. Fahrer sind gestürzt. Also schwenkt verdammt noch mal die rote Flagge."

"Mit dem Aquaplaning einfach unberechenbar"

Espargaros Markenkollege Miguel Oliveira gab zu: "Ich wollte eigentlich gar nicht rausfahren. Im Freien Training hätte es mit Sicherheit eine rote Flagge geben sollen. Mit dem Aquaplaning war es einfach unberechenbar. Man hat das nicht unter Kontrolle. Ein Rennen unter diesen Bedingungen wäre unmöglich gewesen. Man kann im Verkehr nur raten, wo man bremsen muss. Es ist also sehr gefährlich."

KTM-Pilot Brad Binder zeigte sich "überrascht", dass das Qualifying nach Bezzecchis Sturz weiterlief. "In Kurve 1 lag eine halbe Verkleidung auf der Strecke, in der letzten Schikane war viel Dreck. Ja, es gab gelbe Flaggen, also nimmt man Tempo heraus. Aber man kann nicht wirklich sehen, was da auf der Strecke liegt."

"Diese Strecke scheint zudem viel Wasser zu halten. Wir hatten Glück, dass es zum Rennen hin nicht stark geregnet hat, denn ansonsten wäre die Sicht ein echtes Problem geworden."

Bezzecchis Teamkollege Luca Marini, der im Qualifying ebenfalls gestürzt war, sah die Bedingungen zwar "am Limit", sagte aber auch: "Für mich ist es okay, uns bei diesen Verhältnissen fahren zu lassen. Denn wenn wir alleine unterwegs sind, ist es nicht so gefährlich. Das Hauptproblem ist die schlechte Sicht."

"Deshalb wäre ein Rennen bei diesen Bedingungen unmöglich gewesen", reiht sich der VR46-Pilot in die Stimmen seiner Kollegen ein. "Aber für ein Qualifying, wo man allein fährt, war es okay. Da geht es dann vor allem darum, viel man zu riskieren bereit ist."