Schmerzhafter Abschied der Clinica Mobile nach 45 Jahren im Paddock

Die Clinica Mobile wird im MotoGP-Paddock durch eine neue medizinische Betreuung ersetzt - Doktor Michele Zasa spricht über den schmerzhaften Abschied

(Motorsport-Total.com) - Knappe zwei Monate nach der Einweihung des neuesten Trucks hat die Clinica Mobile das MotoGP-Fahrerlager verlassen. Im kommenden Jahr übernimmt eine neue Organisation diese Aufgaben. Es ist das Ende einer langen medizinischen, aber auch menschlichen Reise.

Titel-Bild zur News: Clinica Mobile

Die Clinica Mobile beim letzten Rennen in Valencia Zoom

Die Clinica Mobile war über 45 Jahre eine Institution im Paddock. Laut ihrem Gründer, Doktor Claudio Costa, war sie das "zu Hause der Helden der mythologischen Welt des Motorradrennsports".

Sie wurde über die vielen Jahre das mobile Zentrum für medizinische Versorgung und Physiotherapie. Es ging um die Vorbereitung und die Betreuung der Fahrer. Es war auch ein Kokon, wo die Fahrer Unterstützung gefunden haben, die sie brauchen.

Für viele war sie ein Garant für Stabilität. "Ein zweites zu Hause und ein sicherer Hafen", sagt Doktor Michele Zasa im Interview mit der französischen Edition von 'motorsport.com'. Zasa war in den vergangenen acht Jahren Direktor der Clinica Mobile.

Ende September wurde er von der Entscheidung überrascht, dass die Clinica Mobile im nächsten Jahr nicht mehr gebraucht wird. Quironprevencion, eine Firma, die zu Quironsalud gehört, der führenden Krankenhausgruppe Spaniens, übernimmt.

Es wird ein neues Gesundheitszentrum geben, das von Doktor Angel Charte geleitet wird, der bereits der medizinische Direktor der Weltmeisterschaft ist. Laut Carmelo Ezpeleta werden "nicht nur die medizinischen Services für die Fahrer verbessert, sondern für den ganzen Paddock".

Italienische Medien haben schon vor dieser offiziellen Ankündigung Wind von der Änderung bekommen. Es wurde vermutet, dass es finanzielle Hintergründe gibt. Zasa möchte aber glauben, dass nicht mehr dahintersteckt als "kommerzielle" Gründe.

"Die Fahrer haben sich weiterentwickelt, die Zeiten haben sich geändert, aber auch aus Gesundheitssicht müssen wir uns weiterentwickeln. 2022 haben wir ein Service angeboten, das technologisch führend ist."

"Ich glaube also nicht, dass das Problem an der mangelnden Weiterentwicklung der Clinica Mobile liegt", erklärt Zasa. Er betont auch, dass er immer den Respekt von den Teams und den Fahrern für die Arbeit und die Qualität seiner Mitarbeiter gespürt hat.

"Deshalb kann ich gelassen gehen, weil wir gut gearbeitet haben." Trotzdem kam das Aus überraschend. "Ich hatte es nicht erwartet, weil wir immer über langfristige Projekte gesprochen haben", sagt Zasa. "Dann musste ich verstehen, dass sich Pläne ändern können."

Michele Zasa, Jack Miller

Aus dem Archiv: Michele Zasa kümmert sich um Jack Miller Zoom

"Es muss eine Serie von Situationen, Notwendigkeiten gegeben haben. Ich schätze, dass auch die finanziellen Probleme im Zuge der Coronavirus-Pandemie dazu geführt haben, dass sich Pläne ändern können."

"Aber für uns war es eine spezielle Situation, weil wir einen neuen Truck gemacht haben und auf ein langfristiges Projekt gesetzt haben. Aber es ist, wie es ist. Man steht vor Problemen und muss weitermachen." Die neue Clinica wurde in Misano eingeweiht.

"Es herrscht nicht die beste Atmosphäre. Wir sind natürlich traurig. Das Team und ich haben viel Zeit, Bemühungen und Organisation investiert. Wir haben alles gegeben. Es ist auch für die Fahrer schade, dass alles so unterbrochen wird."

"Es ist nicht, weil wir nicht professionell genug waren. Uns wurde immer versichert, dass wir es gut gemacht haben. Es ist normal, dass Bitterkeit herrscht, aber wir gehen ohne Kontroversen. Wir wissen, was wir erreicht haben."

"Wir verstehen zum Teil, dass diese kommerzielle Entscheidung im Zuge einer sehr schwierigen Situation als Nachwirkung von Corona getroffen wurde." Auch Gründer Doktor Costa kam nach Valencia zum letzten Grand Prix der Clinica Mobile.

Claudio Costa Ende der 1970er als Visionär

Für ihn war es sein Lebenswerk, das nun zu Ende gegangen ist. "Er hat so sehr gelitten, dass er sich dazu entschieden hat, früher als geplant nach Hause zu fahren", verrät Nachfolger Zasa. "Er ist am Freitag gegangen, weil die Situation für ihn so traurig war."

"Ich habe die Tradition, die er ins Leben gerufen hat, fortgesetzt. Dann habe ich Neuerungen eingeführt. Ich habe versucht, up to date zu bleiben und denke, ich habe gute Arbeit gemacht. Zumindest wurde mir das so gesagt. Aber es war seine Erfindung."

Die Clinica Mobile datiert auf das Jahr 1977 zurück. Costa war ein junger, italienischer Arzt und Sohn eines Rennveranstalters. Ihn faszinierten die Fahrer. Costa erfand ein neues Rettungssystem und hat schon bald Leben gerettet.

Schon bei seinem ersten Rennen hat er Franco Uncini nach einem Unfall auf dem Salzburgring reanimiert. Viele Fahrer haben über die Jahre eine enge Beziehung zu Costa und seinem Team aufgebaut, denn sie waren in kritischen Momenten immer da.

"Das Größte, was Doktor Costa für mich getan hat, war, dass ich immer noch einen Vater habe", sagt Valentino Rossi bei 'Sky Sport Italien'. "In Imola 1982 ist Graziano gestürzt. Die Ärzte probierten damals etwas Neues aus, um Fahrer sofort an der Unfallstelle intubieren zu können."

Claudio Costa, Mick Doohan

Doktor Claudio Costa mit Mick Doohan, dem er die Karriere gerettet hat Zoom

"Graziano stürzte vor Tosa. Dort war ein Doktor der Clinica Mobile, der meinen Vater gerettet hat, weil er ihn dort sofort intubiert hat." Am Anfang war die Clinica Mobile nur ein kleiner LKW, der sich im Laufe der Zeit zu einem großen Truck entwickelt hat.

Es gab immer mehr Betten und Equipment. Die Aktivitäten wurden ständig verbessert, bis sie eine Referenz für die Fahrer wurde. Viele Fahrergenerationen waren der Clinica treu. Von Uncini, Kenny Roberts, Giacomo Agostini und Mick Doohan.

Sie haben nie vergessen, wie viel Costa und sein Team für sie getan haben. Das gerettete Bein von Doohan ist eine dieser Geschichten. Es war eine andere Zeit, aber sie haben den Respekt für die Clinica und die Bindung zwischen den Fahrern und dem Team aufgebaut.

2014 zog sich Costa zurück und Zasa übernahm die Leitung. Nun ging in Valencia die Ära der Clinica Mobile zu Ende. Alle Mitarbeiter, Ärzte und Physiotherapeuten haben auch andere Jobs. Aber ihr Leben wird sich natürlich verändern, wenn sie nicht mehr im MotoGP-Paddock sind.

In der Superbike-WM wird die Clinica Mobile weiterhin ein Fixpunkt im Fahrerlager sein. "Wir stehen dieser Meisterschaft sehr nahe. Wir sind glücklich, dass wir dort für die Fahrer da sind." Außerdem hat die Clinica auch Räumlichkeiten in Parma und Andorra.

"Ich werde immer die Leute in Erinnerung behalten und die Momente, die wir hier verbracht haben", sagt Zasa. "Es ist keine Frage des Images, sondern es sind wichtige Momente, die ich mit wunderbaren Menschen verbracht habe, die ich durch diese Arbeit getroffen habe."

"Ich werde immer Luis Salom, Nicky Hayden und Marco Simoncelli in Erinnerung behalten. Das waren Fahrer, denen ich sehr nahe war. Aber es gibt auch andere, die noch aktiv sind und mit denen ich in Kontakt bleiben werde."

"Bei seinem letzten Rennen in Valencia hat mir Luis Salom eine Box mit spanischem Wein gegeben. Ich hatte ihn noch nicht getrunken, als er gestorben ist. Ich habe den Wein daheim in meinem Wohnzimmer aufbewahrt. Ich denke, jetzt ist der richtige Moment gekommen, um den Wein von Luis zu trinken."