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Pol Espargaro im Interview: "Bei KTM wurde ich ein richtiger MotoGP-Fahrer"

Pol Espargaro spricht im Interview über seine Zeit bei KTM und wie er der Herausforderung Honda entgegenblickt - Diese vier Jahre waren sehr prägend

(Motorsport-Total.com) - In den vergangenen vier Jahren hat sich Pol Espargaro zur KTM-Speerspitze entwickelt. Trotzdem hat sich der Spanier für den Wechsel zu Honda entschieden. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' blickt Espargaro auf seine Zeit bei KTM zurück, wie sehr es schmerzt nicht gewonnen zu haben, und wie er der Herausforderung Honda und Marc Marquez entgegegenblickt.

Titel-Bild zur News: Pol Espargaro

2020 war die bisher erfolgreichste Saison in Pol Espargaros MotoGP-Karriere Zoom

Frage: "Wie blicken Sie auf Ihre Jahre mit KTM zurück?"

Pol Espargaro: "Ich blicke auf viel Arbeit, viel Geduld von beiden Seiten und auf viele Schmerzen von Verletzungen zurück. Aber auch darauf, dass das Projekt zu Beginn nicht geglänzt hat, was geschmerzt hat, weil viel investiert wurde. Es gab aber auch die Liebe von beiden Seiten."

"KTM hat gesehen, dass ich meine 1.000 Prozent gegeben habe, als ich Verletzungen meistern musste. Ich bin sogar verletzt gefahren, weil ich sie nicht im Stich lassen wollte. Alle in der Box haben hart für gute Resultate gekämpft. Es gab viele sehr gute Gefühle."

Frage: "Hätten Sie jemals erwartet, dass Sie schon so früh um Podestplätze und Siege kämpfen könnten?"

Espargaro: "Davon haben wir natürlich geträumt. Wir alle träumen ständig - nicht nur ich, sondern die gesamte Crew. Wir haben davon geträumt, dorthin zu kommen, wo wir jetzt stehen. Wir kämpfen in den Top 5 der Weltmeisterschaft, ich hatte fünf Podestplätze und zwei Pole-Positions."

"Das Saisonende war sehr surreal. Wir haben in dieser Saison um Siege gekämpft. Das war schon in Tschechien der Fall, als Johann [Zarco] mich aus dem Rennen genommen hat. Ich hätte dort gewonnen oder wäre Zweiter geworden. Das wäre ein weiterer Podestplatz gewesen."

Pol Espargaro

Fünfmal stand der Spanier in diesem Jahr als Dritter auf dem Podest Zoom

"Im ersten Rennen in Österreich sind mir nach der roten Flagge die Reifen ausgegangen. Das hätte auch ein Podestplatz sein können. Das wären zwei echte Podestplätze gewesen, wo wir um den Sieg kämpfen konnten. Ich hätte also zweimal öfter auf dem Podium stehen können."

"Das wären insgesamt sieben Podestplätze gewesen, wo ein ein zweiter und ein erster Platz dabei sein hätten können - oder zwei erste Plätze. Es ist deshalb surreal, was wir erreicht haben, was wir erreichen hätten können. Das ist verrückt und unglaublich."

Mehrmals knapp am ersten Sieg gescheitert

Frage: "Wie bitter ist es, dass sie KTM ohne Sieg verlassen?"

Espargaro: "Ja natürlich gibt es dieses Gefühl von diesen beiden Rennen, wie ich eben erklärt habe. Wir konnten nichts anders machen und es war nicht unsere Schuld, weder in Tschechien noch dass wir im ersten Österreich-Rennen keinen neuen Reifen mehr hatten."

"Ich denke, wir hatten die Finger am Sieg, aber es hat nicht geklappt. Im zweiten Österreich-Rennen habe ich bis zur letzten Kurve um den Sieg gekämpft. Ich meine, das waren drei Momente, wo wir gewinnen hätten können."

"Das hat die Saison stark beeinflusst, denn wir hätten in der WM locker Vizeweltmeister werden können. Aber jeder hatte viele Probleme. Bei uns waren es zwei Momente, die nicht in unserer Kontrolle waren. Das schmerzt."

Miguel Oliveira, Jack Miller, Pol Espargaro

In Spielberg 2 kämpfte Pol Espargaro bis zur letzten Kurve um den Sieg Zoom

Frage: "Was werden Sie an KTM vermissen?"

Espargaro: "Die Menschen. Ich habe keine Zweifel daran, dass auch bei Honda gute Leute um mich herum sein werden. Aber die Gruppe an Leuten, die ich bei KTM verlasse - das kann nicht besser sein."

"Das ist nicht weil es keine guten Menschen im Paddock gibt, sondern weil wir so schwierige Momente gemeistert haben. Jeder war in schwierigen Positionen. Nach schlechten Ergebnissen kamen wir ans Jahresende und wussten: 'Wir haben unsere Erwartungen nicht erfüllt'."

"Man wusste nicht, was passieren würde. KTM hat sich immer um diese Seite gekümmert und gesagt, dass es ein langfristiges Projekt ist. Aber jeder hat sich gedacht: 'Wenn das nicht wirklich funktioniert, dann kann mir oder einem Ingenieur etwas passieren'."

Pol Espargaro, Pit Beirer

Foto mit Pit Beirer: Die Menschen wird Espargaro am meisten vermissen Zoom

"Man weiß wie das hier läuft. Das ist ein Elite-Wettbewerb. Die gesamte Crew musste sehr viele schwierige Momente meistern. Ich denke, das hat eine vereinte Gruppe an Menschen zusammengeschweißt."

Die Zukunft heißt Honda

Frage: "Ihre Zukunft heißt Honda. War es eine Erleichterung, als Honda in der zweiten Saisonhälfte bessere Ergebnisse hatte, oder haben Sie sich keine Sorgen gemacht, weil sie diese Erfahrungen mit KTM gemacht haben?"

Espargaro: "Ich will nicht lügen. Es hat mich nicht gekümmert, weil wir das erste Rennen in Katar mit 3,5 Sekunden Rückstand begonnen haben. Wir haben es in vier Jahren geschafft, ein Motorrad zu bauen, das funktioniert. Glaub mir, das Motorrad war am Anfang sehr schwierig."

"Jetzt kämpfen wir vorne mit. Honda war in der Geschichte auch oben und unten, aber sie waren eigentlich immer vorne dabei. Vielleicht wird das erste Jahr nicht so gut, aber im zweiten Jahr wird das Motorrad vorne dabei sein."

"Das passiert im Wettbewerb, wo es für einen Hersteller mal besser oder schlechter läuft. KTM war sehr schlecht, aber jetzt sind sie sehr gut. Sicherlich wird der Tag kommen, an dem das Motorrad nicht so gut wie erwartet ist. Das passiert."

Marc Marquez, Pol Espargaro

Im verregneten Valencia 2018 kämpfte Pol Espargaro mit Marc Marquez Zoom

"Honda hat mich nicht nur genommen weil ich schnell bin, sondern weil ich bei KTM eine Gruppe an Leuten formen konnte. Jeder hat gut gearbeitet und ich habe die korrekten Informationen weitergegeben, damit sie ein gutes Bike entwickeln konnten. Das ist Teil meines Jobs."

Pol Espargaro fühlt sich bereit für Marc Marquez

Frage: "Viele haben Sie gefragt, ob es Sie abschreckt, gegen Marc anzutreten. Ich würde gerne wissen, wie groß diese Herausforderung als Athlet ist?"

Espargaro: "Ja, zum ersten Mal wird mir diese Frage auf diese Art gestellt. Ich habe immer geantwortet, dass es nicht darum geht, abgeschreckt zu sein, sondern zu entdecken. Ein professioneller Athlet will sich immer verbessern und herausgefordert werden."

"Ich habe das Gefühl, dass dieses Kapitel meiner Karriere ein Abenteuer ist. Ich kann mich selbst verbessern und gleichzeitig auch mich entdecken - wie schnell bin ich. So wie ich das verstehe, wurde ich in der Vergangenheit unterschätzt, weil wir mit KTM keine guten Ergebnisse hatten."

"KTM war noch schwach, weil das Projekt erst am Anfang stand. Ich möchte mich selbst sehen, ich möchte, dass die Menschen mich auf einem anderen Motorrad sehen. Mit der Yamaha war ich in den Top 6 und mit der KTM bin ich in den Top 5 der Weltmeisterschaft."

Pol Espargaro, Stefan Bradl

Nach den Erfahrungen bei KTM ist Espargaro für eine neue Challenge bereit Zoom

"Das will ich auch mit Honda schaffen. Das wird auch mir zeigen, dass ich kein schlechter Fahrer bin. Es geht nicht darum, dass ich jemandem etwas beweise. Ich will mir selbst zeigen und mir selbst beweisen, dass ich auf dem Level des besten Fahrers der Welt sein kann."

Frage: "Honda wird keine einfache Herausforderung sein. Glauben Sie, dass dieser Wechsel auch passiert wäre, wenn Sie bei KTM das alles nie durchlebt hätten?"

Espargaro: "KTM ist zu 100 Prozent ein Teil davon. Einerseits wenn ich auf der Strecke fahre, andererseits psychologisch. Ich bin auf einem Level, auf dem ich nie zuvor war. Ich bin reifer geworden. Wenn ich jetzt verliere, dann fühle ich mich nicht wie ein Verlierer."

"Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, weil ich das Gefühl habe, dass ich bei KTM von einem Kind zu einem Mann herangewachsen bin. Ich habe viele Dinge beim Motorrad gelernt. Wenn ich von meinem ersten MotoGP-Bike direkt zu Honda gegangen wäre, dann wäre es unmöglich gewesen."

"Es wäre unmöglich gewesen, mich anzupassen, weil ich so viele Tools erst bei KTM entdeckt habe. Das hat mich stärker gemacht. Ich habe mit ihnen dieses Motorrad gebaut und kenne jedes wichtige Teil. Ich weiß, wie ich das Bike behandeln muss und wie die Elektronik eingestellt gehört."

"Sie haben mich gelehrt, wie ich ein Fahrer werde. Ich war kein Fahrer. Ich war ein Mann, der ein Motorrad gefahren ist, aber ich war kein richtiger MotoGP-Fahrer. Sie haben mir beigebracht das zu können. Ohne dieses Wissen wäre es unmöglich, sich dem besten Fahrer der Welt zu stellen. Ich fühle mich jetzt wie ein Mann. Es ist jetzt ganz anders."

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