MotoGP-Titelduell Martin vs. Bagnaia: Lernen aus Fehlern & Umgang mit Druck

Jorge Martin oder Francesco Bagnaia: Das Duell um den MotoGP-Titel 2024 geht in die brisante Phase - WM-Entscheidung schon am Sonntag in Sepang?

(Motorsport-Total.com) - Unabhängig davon, ob man es als Neuauflage oder als Fortsetzung von 2023 betrachtet: Die Bühne für das Duell zwischen Jorge Martin und Francesco Bagnaia um den MotoGP-Titel 2024 ist angerichtet. Martin, der Vizeweltmeister des vergangenen Jahres, hat aktuell 17 Punkte Vorsprung auf Titelverteidiger Bagnaia.

Titel-Bild zur News: Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Die MotoGP-Titelkandidaten 2024: Jorge Martin und Francesco Bagnaia Zoom

Beim Grand Prix von Malaysia an diesem Wochenende in Sepang hat Pramac-Ducati-Pilot Martin seinen ersten Matchball. Läuft es für ihn optimal, dann könnte er aus jetziger Sicht bereits am Sonntag erstmals Weltmeister der Königsklasse werden.

Im Sprint am Samstag ist die vorzeitige WM-Entscheidung noch nicht möglich. Aber im Sprint wird sich entscheiden, ob der Titelsack schon am Sonntag von Martin zugemacht werden kann oder doch noch nicht. Ducati-Werkspilot "Pecco" Bagnaia jedenfalls ist bemüht, die Entscheidung auf das Saisonfinale zu vertagen.

Ob das MotoGP-Saisonfinale 2024 aber wie geplant am 16./17. November in Valencia stattfinden kann, das steht derzeit noch gar nicht fest. Die schweren Überschwemmungen in Spanien könnten zur Folge haben, dass auf dem Circuit Ricardo Tormo in diesem Jahr gar nicht gefahren werden kann. Eine Absage ist nicht auszuschließen und wird im MotoGP-Paddock befürwortet.

Martin hat aus 2023 gelernt - Bagnaia mag den Druck

Der Fokus von Martin und Bagnaia liegt in diesen Tagen aber zunächst auf den Geschehnissen in Malaysia. In der Pressekonferenz am Donnerstag in Sepang trafen die beiden Titelanwärter aufeinander. Martin gibt dabei klar zu verstehen: "Es ist jetzt an der Zeit, keine Fehler mehr zu machen."

Und Bagnaia ist sich vollkommen bewusst: "In dieser Phase der WM bin ich derjenige, der ein bisschen mehr riskieren muss als Jorge. Ich werde versuchen, beide Rennen hier zu gewinnen, um Punkte aufzuholen."

Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Jorge Martin geht mit 17 Punkten Vorsprung ins Sepang-Wochenende Zoom

Martin ist zwar der WM-Spitzenreiter, betrachtet sich aber trotzdem als Außenseiter, wie er sagt. "Ich war immer der Underdog und ich hoffe, dass ich das noch viele Jahre lang sein kann. Menschlich bin ich im Vergleich zum vergangenen Jahr gereift. Ich habe versucht, aus dem Schmerz [der Niederlage 2023 gegen Bagnaia] zu lernen. Schließlich sind das die Momente, aus denen du am meisten lernst."

"Seither", so Martin weiter, "habe ich viel an mir gearbeitet, um ein besserer Mensch, ein besserer Fahrer zu sein. Und ich denke, das habe ich erreicht. Aber natürlich werde ich auch in Zukunft versuchen, mich von Tag zu Tag und von Rennen zu Rennen weiter zu verbessern".

Siege vs. Konstanz: Blick auf die Zahlen im WM-Duell

Interessant ist ein Blick auf die Zahlen. Von den 36 Rennen im bisherigen Saisonverlauf (18 Grands Prix und 18 Sprints) hat Jorge Martin neun gewonnen, Bagnaia aber 15. Der zweimalige und amtierende Weltmeister hat allein an den Sonntagen neunmal triumphiert, Martin hingegen nur dreimal.

Trotzdem ist es Martin, der in der Punktewertung die Oberhand hat. Ein Blick auf die Top-3-Platzierungen offenbart: Martin ist bei 36 Rennen 28 Mal in die Top 3 gefahren, Bagnaia 23 Mal. An den Sonntagen steht es hinsichtlich der Top-3-Ergebnisse zwischen den beiden 14:14 (MotoGP-Gesamtwertung 2024).


Fotostrecke: MotoGP 2024: So würde es in der WM ohne Sprintrennen stehen

Wie gehen die Titelanwärter mit dem Druck um? "Ich weiß, dass ich verlieren kann. Ich weiß aber auch, dass ich gewinnen kann", sagt Martin. Und Bagnaia sagt: "Druck gibt es immer, aber es ist immer schön, in dieser Situation zu sein. Es geht darum, der Schnellste zu sein und keine Fehler zu machen. Ich weiß, dass Jorge bezogen auf die Punkte besser dasteht. Ich weiß aber auch, dass es wichtig ist, in dieser Phase ruhig zu bleiben."

Keine Stallorder bei Ducati: Enea Bastianini fährt "frei"

Eine Stallorder gibt es bei Ducati offiziell nicht. Bagnaias Teamkollege Enea Bastianini sagt am Donnerstag in Sepang: "Ich fahre frei. Für mich selber geht es ja in dieser Saison auch um etwas. Ich kann WM-Dritter werden und bin ganz dicht an diesem Ziel dran."

Im Falle von Bastianini sind es "nur" elf Punkte, die ihn von seinem Vordermann - Gresini-Ducati-Pilot Marc Marquez - trennen. "Sowohl Marc als auch ich haben im letzten Teil der Saison ein paar Fehler gemacht und ein paar Punkte liegengelassen. Der kleine Rückstand, den ich habe, der lässt sich aber noch aufholen", ist Bastianini überzeugt.

Enea Bastianini

Bagnaias Teamkollege Enea Bastianini ist in Sepang der Vorjahressieger Zoom

Auch Ducati-Teammanager Davide Tardozzi sagt, dass man Stallorder zu Ungunsten von Bastianini und zu Gunsten von Bagnaia an diesem Wochenende nicht plant: "Mit Enea haben wir nicht gesprochen. Enea kämpft gegen Marc um den dritten Platz. Beide fahren um ihre eigene Position in der WM, denn der dritte Platz ist natürlich viel besser als der vierte. Deshalb gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Teamorder und keine Diskussionen über dieses Thema."

Bagnaia und Martin laut Davide Tardozzi unterschätzt

Tardozzi, der am Donnerstag in Sepang zusammen mit Pramac-Teammanager Gino Borsoi zu einer separaten Pressekonferenz geladen war, zieht im WM-Kampf einen interessanten Vergleich: "Mein Fahrer [Bagnaia] ist sehr ruhig, wohingegen das für seinen Fahrer [Martin] ein bisschen weniger gilt. Im Gegenzug bin ich ein bisschen nervöser, während Gino ruhiger ist." Borsoi grinst nur und spricht von einer "großartigen Balance".

Francesco Bagnaia, Jorge Martin

Wird es der dritte MotoGP-Titel für "Pecco" Bagnaia oder der erste für Jorge Martin? Zoom

Und was das fahrerische Niveau der beiden WM-Anwärter Jorge Martin und Francesco Bagnaia betrifft, da hat Tardozzi eine klare Meinung. Seiner Ansicht wird den beiden in der Öffentlichkeit nicht genug Wertschätzung für ihre fahrerischen Fähigkeiten und Erfolge entgegengebracht.

"Ich finde, dass Jorge und 'Pecco' von den Leuten unterschätzt werden. Valentino [Rossi], Jorge [Lorenzo] und Casey [Stoner] sind unglaubliche Champions aus einer anderen Ära. In der heutigen Ära gibt es neue Champions, die da heißen Marc Marquez, 'Pecco' Bagnaia und Jorge Martin. Ich finde, dass diese Fahrer in dieser Ära auf vergleichbarem Level fahren. Sie sind unfassbar schnell und sie verstehen es, die heutigen Motorräder richtig zu fahren. Deshalb sind sie für mich Champions wie die Champions der Vergangenheit", so Tardozzi.

Ob die Entscheidung im MotoGP-Titelkampf 2024 schon am Sonntag auf der Strecke in Sepang fällt, das wird sich zeigen. Für den Fall, dass das in zwei Wochen angesetzte Saisonfinale in Valencia tatsächlich abgesagt wird und es auch keinen Ersatz geben sollte, dann würde die MotoGP-Saison 2024 mit 19 statt der geplanten 20 Rennwochenenden zu Ende gehen.

Sollte es so kommen, wäre das laut dem aktuellen Tabellenzweiten "Pecco" Bagnaia "wohl nicht fair, aber ich bin nicht derjenige, der das entscheidet".