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MotoGP-Kolumne Jerez: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Marc Marquez droht eine Verletzungspause zum ungünstigsten Zeitpunkt: Der Ausfall des Spaniers verdeutlicht, wie abhängig Honda von der Nummer 93 ist
Liebe Motorradfreunde,

© Motorsport Images
HRC-Teammanager Alberto Puig musste am Sonntag eine Hiobsbotschaft verdauen Zoom
wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann mussten wir sage und schreibe 245 Tage geduldig auf das erste MotoGP-Rennen seit dem Saisonfinale 2019 warten. Ob sich die Wartezeit gelohnt hat? Aber hallo!
An Dramatik und Überraschungen mangelte es dem Spanien-Grand-Prix in Jerez (zum Rennbericht) jedenfalls nicht. Im Fokus des Interesses stand natürlich die irre Aufholjagd und der spätere Sturz von Weltmeister Marc Marquez. Und natürlich dessen Folgen.
One-Man-Show endet im Kiesbett
Man kann von der Nummer 93 halten, was man will. Aber am Sonntagnachmittag demonstrierte der Spanier wirklich eindrucksvoll, warum er der beste Motorradfahrer der Welt ist. Sowohl die akrobatische Einlage beim Rutscher in Runde fünf als auch die folgende Aufholjagd verdeutlichten, wie außergewöhnlich Marquez' Fähigkeiten auf zwei Rädern sind.

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Weltmeister Marc Marquez fällt vermutlich wochenlang aus Zoom
Doch das Glück war dieses Mal nicht auf der Seite des Champions.
Oberarmbruch, Operation am Dienstag und eine vermutlich wochenlange Zwangspause: Das ist Marquez' bescheidene "Ausbeute" beim MotoGP-Saisonauftakt.
Für Außenstehende ist kaum vorstellbar, was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle der Renntag in Jerez für Marquez gewesen sein muss. Dank der vielen Schmerzmittel dürfte er die Nacht aber halbwegs menschenwürdig überstanden haben, hoffe ich.
Alberto Puig steht vor einem Scherbenhaufen
Ob Honda-Teammanager Alberto Puig nach den Geschehnissen am Sonntagnachmittag eine erholsame Nacht hatte, bezweifle ich aber sehr stark. Marc Marquez ist das Fundament aller HRC-Erfolge. Und dieses ist am Sonntagnachmittag in Jerez buchstäblich in sich zusammengebrochen. Deshalb qualifiziert sich der ohnehin meist grimmig dreinschauende Ex-Racer für die Hauptrolle in der heutigen Kolumne.

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Ohne Marc Marquez haben Alberto Puig und Emilio Alzamora wenig zu lachen Zoom
Betrachten wir die Fakten: Auch wenn Marquez zu den absolut härtesten Hunden im Feld zählt, wird er vermutlich nicht vor Spielberg Mitte August zurückkehren können - wenn überhaupt! Ich wäre nicht überrascht, wenn Honda mehrere Monate lang auf den Titelverteidiger verzichten müsste.
Klar, Jorge Lorenzo fuhr 2013 in Assen eineinhalb Tage nach einer Schlüsselbein-Operation ein MotoGP-Rennen und beendete dieses in den Top 5. Aber ein Oberarmbruch ist kein Schlüsselbeinbruch. Es bleibt abzuwarten, wie lange Marquez tatsächlich pausieren muss.
Honda hat(te) nur einen starken Fahrer
Für Hondas Titelambitionen ist Marquez' Verletzung auf jeden Fall ein heftiger Rückschlag. Beim Jerez-Grand-Prix wurde offensichtlich, wie abhängig das MotoGP-Projekt des größten Motorradherstellers der Welt vom Ausnahmekönner aus Cervera ist. Während Yamaha und Ducati mehrere Eisen im Feuer haben, konzentriert sich bei Honda alles auf einen Fahrer. Und zwar komplett.

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Magere Ausbeute für Honda: Takaaki Nakagami war als Zehnter bester Honda-Pilot Zoom
LCR-Pilot Takaaki Nakagami überquerte in Jerez als Zehnter die Ziellinie und war damit bester Honda-Pilot. Yamaha, Ducati und KTM liegen in der Markenwertung aktuell vor Honda. Wenn Marquez länger ausfallen sollte, dann sind die Aussichten für den Rest der Saison düster.
Alex Marquez kann kaum einen Beitrag leisten
Rookie Alex Marquez erlebte in Jerez ein durchwachsenes Debüt. Der Moto2-Champion sammelte zwar als Zwölfter ein paar Punkte, konnte aber lediglich drei Fahrer hinter sich halten. Das waren KTM-Rookie Brad Binder, der im Laufe des Rennens einen Ausritt hatte, sowie Avintia-Pilot Tito Rabat und Aprilia-Ersatzpilot Bradley Smith. Binder hinterließ in meinen Augen ohnehin einen deutlich stärkeren Eindruck als Ex-Moto2-Rivale Alex Marquez.

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HRC-Werkspilot Alex Marquez konnte sich in Jerez nicht in Szene setzen Zoom
Ohne die vielen Ausfälle hätte Alex Marquez bei seinem MotoGP-Debüt vermutlich keine Punkte kassiert. Heldentaten sind vom jüngeren der Marquez-Brüder demnächst nicht zu erwarten.
Cal Crutchlow muss ebenfalls operiert werden
Routinier Cal Crutchlow wäre für Honda im Moment sehr wichtig, doch auch der Brite verletzte sich beim MotoGP-Saisonauftakt in Jerez. Nach einem Sturz im Warm-up musste Crutchlow auf die Rennteilnahme verzichten.

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Honda muss vermutlich auch auf Cal Crutchlow verzichten Zoom
Noch am Sonntagabend wurde gemeldet, dass sich der LCR-Pilot eine Fraktur im linken Kahnbein zugezogen hat. Auch Crutchlow muss für eine Operation nach Barcelona gebracht werden. Er soll am Dienstag operiert werden.
Crutchlow möchte natürlich am Freitagmorgen wieder auf seiner Honda sitzen, wenn das FT1 freigegeben wird. Das ist durchaus realistisch, denn die linke Hand hat in der modernen MotoGP deutlich weniger Aufgaben als die rechte Hand. Aber wie fit, belastbar und leistungsfähig wird Crutchlow sein?
Yamaha und Ducati präsentieren sich in WM-Form
Während Honda momentan leidet, trumpfen die Gegner auf. Ausgerechnet Marquez' größte WM-Rivalen heimsten in Jerez die meisten Punkte ein und legten den Grundstein in Sachen Meisterschaft. Fabio Quartararo tankte durch den Debütsieg reichlich Selbstbewusstsein und wird auch am kommenden Wochenende zu den Favoriten zählen.
Maverick Vinales sammelte 20 wichtige Punkte für Platz zwei. Am Renntag erlebte Vinales, dass er dank der Yamaha-Entwicklungen gute Starts abliefern kann. Damit dürfte auch das Selbstbewusstsein des ehemaligen Moto3-Champions einen Schub bekommen haben, denn machen wir uns nichts vor: In den ersten Runden war Vinales in den vergangenen Jahren oft leichte Beute.

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Maverick Vinales, Fabio Quartararo und Andrea Dovizioso sammelten wichtige Punkte Zoom
Und dann ist da noch Vize-Weltmeister Andrea Dovizioso, der in diesem Jahr die wohl größte Chance seines Lebens haben dürfte. Nach der WM-Niederlage 2017 hatten viele "Dovi" bereits abgeschrieben. Doch wenn Marquez länger ausfällt und Yamaha beim Topspeed keinen Joker aus dem Ärmel zaubert, dann könnte die Nummer 04 am Ende der große Gewinner sein.
In zwölf Jahren MotoGP schaffte es Dovizioso noch nie in Jerez aufs Podium. Und auch in den kleinen Klassen war seine Ausbeute in Jerez eher schwach. Sein Lächeln bei der Pressekonferenz signalisierte ganz klar, dass 2020 sein Jahr werden könnte. Mit Brünn, Spielberg, Misano und Barcelona folgen Strecken, die Dovizioso und Ducati sehr gut liegen.
Winziger Lichtblick für Alberto Puig
Mit einem Blick auf das Ergebnis erkenne ich nur einen winzig kleinen Lichtblick, der Alberto Puigs Stimmung minimal verbessern dürfte: die Performance von KTM-Pilot Pol Espargaro. Vor der Leistung des ehemaligen Moto2-Champions kann man nur den Hut ziehen!

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Pol Espargaro demonstrierte, warum er ins HRC-Werksteam aufsteigen darf Zoom
Weniger als sieben Sekunden Rückstand nach 25 Rennrunden und ein Top-6-Finish mit der KTM RC16 - Pol Espargaro hat eindrucksvoll demonstriert, warum er 2021 ins Honda-Werksteam aufsteigt. Alberto Puig hat mit Espargaros Verpflichtung ein gutes Händchen bewiesen. Doch bis der Mann aus Granollers bei HRC andockt, konzentriert sich bei Honda weiterhin alles auf Marc Marquez.
Dessen Genesungsdauer wird entscheiden, wie erfolgreich die MotoGP-Saison 2020 für Honda verläuft. Und wie ruhig Alberto Puig schlafen kann.
Stellvertretend für das Motorsport-Total.com-Team wünsche ich eine schnelle und vollständige Genesung!
Ihr,
PS: Wer letzte Nacht am besten geschlagen hat, können Sie auf unserer Schwesterplattform motorsport.com lesen. Zur Montagskolumne über Andrea Dovizioso geht es hier.


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