MotoGP-Chefarzt Angel Charte: Über schwere Unfälle und bittere Realität

Angel Charte hat in seiner Tätigkeit auch tödliche Unfälle miterlebt - Trotzdem überwiegen die positiven Momente, die ihm der Sport über die Jahre beschert hat

(Motorsport-Total.com) - Seit vielen Jahren ist Doktor Angel Charte medizinischer Direktor der MotoGP-Weltmeisterschaft. Der Spanier sitzt im Medical Car und ist bei einem schweren Sturz einer der ersten Helfer an der Unfallstelle, um die Lage zu beurteilen und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Titel-Bild zur News: Angel Charte

Als Medical Director hat Angel Charte eine verantwortungsvolle Aufgabe Zoom

"Dieser Sport hat eine Seite, die - Gott sei Dank - nur einen kleinen Teil ausmacht", sagt Charte im Interview mit DAZN Spanien über die Gefahr, die im Motorradrennsport stets präsent ist. Denn schwerwiegende Verletzungen treten häufiger auf als zum Beispiel in der Formel 1.

"Wir haben im Jahr 1.000, 1.200, manchmal 1.300 Unfälle, von denen vier oder fünf schwerwiegender Natur sind - schwer im Sinne, dass wir direkt auf der Strecke eingreifen müssen", sagt Charte über seine verantwortungsvolle Aufgabe.

"Natürlich hatten wir sehr schwierige Momente. Ich erinnere mich - und wenn ich das tue, zittert meine Stimme ein wenig - an Luis Salom, an Jason Dupasquier, an zwei sehr junge Rookies in Asien sowie an weitere schwere Verletzungen."

Moto2-Fahrer Salom verunglückte 2016 in Barcelona im Training tödlich. Dupasquier verstarb nach einem Unfall im Moto3-Qualifying in Mugello 2021. Im Rahmenprogramm verunglückte 2019 in Sepang ein Fahrer im Asia Talent-Cup. Aber nicht alle schweren Unfälle enden fatal.

Häufig erleiden Fahrer jedoch komplizierte Verletzungen, wie etwa der dreifache Beinbruch von Tito Rabat in Silverstone 2018, als er im Kiesbett von einem Motorrad getroffen wurde. Oder Pol Espargaros schwerer Sturz in Portimao 2023, bei dem er sich zahlreiche Verletzungen zuzog.

"Das ist Teil dieses Sports - so wie es auch in jedem anderen Motorsportbereich ist, etwa in der Formel 1", sagt Charte. "Aber nicht alles ist traurig. Unsere Pflicht ist immer dieselbe: den Fahrer lebend aus der Situation zu bringen und ins Krankenhaus zu überstellen."

"Und wenn das gelungen ist, leisten wir die nötige medizinische Versorgung. Und wie ich immer sage - wie es auch in jedem Krankenhaus der Fall ist - wenn trotz aller Bemühungen keine Rettung mehr möglich ist, dann ist das die Realität, der wir uns stellen müssen."

Medical Services Quironsalud

Die Eröffnung des Gesundheitszentrums im MotoGP-Paddock in Jerez 2023 Zoom

Die Partnerschaft zwischen MotoGP-Promoter Dorna Sports und dem spanischen Gesundheitsdienstleister Quironsalud besteht bereits seit 2013 und wurde im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut.

Seit 2017 ist Quironsalud offiziell für die medizinische Leitung der MotoGP verantwortlich. 2023 wurde im Paddock ein neues medizinisches Betreuungszentrum für die Fahrer präsentiert. Seit 2024 hat diese Einrichtung die "Clinica Mobile" ersetzt.

Charte ist nicht nur Ersthelfer bei schweren Unfällen, sondern führt auch den medizinischen Check durch, wenn ein Fahrer nach einer Verletzung seine Rückkehr auf das Motorrad anstrebt. In den meisten Fällen wird die Freigabe erteilt - aber nicht immer.

"Trotzdem möchte ich klarstellen, dass mir dieser Sport viel mehr Freude gebracht hat", so Charte. "Bei Pols Unfall sah es anfangs sehr schlecht aus, und dann wurde es doch noch sehr gut. Und auch bei anderen Fahrern war es so. Das ist es, was man mitnimmt. Das sind die Momente, die bleiben."

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