Marquez' Geniestreich: Dank falscher Reifenwahl zum Sieg

Schlüsselszene in Runde zwei: Dank falscher Reifentaktik zu Beginn kam Marc Marquez früh an die Box zum Bikewechsel - Dani Pedrosa komplettiert Doppelsieg

(Motorsport-Total.com) - Ob mehr Glück oder doch Verstand Marc Marquez beim Grand Prix von Tschechien zum Sieg verholfen hat, das lässt der WM-Führende nach Rennende offen. Fest steht jedoch, dass der Spanier mit einem strategischen Geniestreich seinen insgesamt 58. Grand-Prix-Erfolg in Brünn feiern durfte. Der Honda-Pilot holte seinen dritten Saisontriumph jedoch nur dank eines Fehlers: Beim Start vergriff er sich bei der Reifenwahl. Mit einem Bikewechsel in Runde zwei hatte er dieses Problem gelöst und damit die goldrichtige Entscheidung getroffen. Im Ziel fehlten Teamkollegen Dani Pedrosa auf Rang zwei über zwölf Sekunden. (Zum Ergebnis!)

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Marc Marquez' Taktikpoker geht bei wechselhaften Bedingungen in Brünn auf Zoom

"Das war ein sehr schwieriger Sonntag. Natürlich ein spezieller Sonntag, weil alle Fahrer für eine Legende gefahren sind, die wir leider verloren haben. Das gab mir extra Motivation", spricht Marquez in der Stunde seines Erfolgs die traurige Nachricht über den Tod von Legende Angel Nieto an. "Ich habe gespürt, dass ich heute ein Risiko eingehen möchte. Ich wollte pushen und das Rennen gewinnen", schildert er. Sein Plan ging auf.

Zunächst sah es ganz und gar nicht nach einer Heldentat des Polesetters aus. Marquez überraschte in der Startaufstellung sein Team, er ließ den weichen Regenreifen auf die hintere Radaufhängung schrauben. Da das Rennen als Regenrennen von der Rennleitung eingestuft wurde, konnten die Fahrer laut Flag-to-flag-Regel das Bike während des Rennens wechseln. Zunächst versuchte der Polesetter seine Ausgangsposition auf Regenreifen zu verteidigen.

Marquez: "Die erste Entscheidung war falsch"

"Die erste Entscheidung fiel auf dem Grid - und es war die falsche. Jeder hat den härteren Regenreifen aufgezogen, ich habe dann plötzlich gesagt, dass sie den weichen aufziehen sollen. Mein Plan war, in den ersten fünf Runden zu pushen und dann an die Box zu kommen, weil ich schon sah, dass es trocken bleibt. Aber es war die falsche Entscheidung, weil der Hinterreifen zu viel durchgedreht hat und zu weich war", erklärt Marquez in der Pressekonferenz am Sonntagnachmittag.

Der Spanier wurde von vielen Kollegen überholt, bevor er sich bereits in der zweiten Runde bei immer noch nasser Strecke dazu entschloss, sein Bike zu wechseln. "Das war die einzige Chance, die ich hatte", erklärt er. Einen Start auf Trockenreifen hat er wie auch die Konkurrenz ausgeschlossen: "Es wäre zu gefährlich gewesen, auf dem Slick zu starten. Das sind sehr schwere und leistungsstarke Bikes, das wäre einfach zu früh gewesen. Die Strecke hat aber schneller aufgetrocknet, als ich erwartet hatte."

Marquez fühlte sich an das Flag-to-flag-Rennen in Deutschland 2016 erinnert: "Auch da hatte ich Probleme auf dem Regenreifen. Ich habe den weicheren Vorderreifen gewählt, und bin daher früher an die Box gekommen. Heute ist es ähnlich abgelaufen. Ich war der einzige der Topfahrer auf dem weichen Hinterreifen. Ich weiß auch nicht, warum ich mich auf dem Grid dazu entschieden habe. Ich wollte einfach das Risiko gehen. Aber ich habe sehr schnell kapiert, dass es ein Fehler war."

"Wäre vier oder fünf Mal fast gestürzt"

Den Fehler konnte Marquez durch den frühen Boxenstopp wieder wettmachen. Allerdings wurde er zunächst bis auf Position 20 zurückgereiht. Die anderen Piloten waren vorsichtiger und haben abgewartet mit dem Bikewechsel. Zunächst schien das auch die richtige Taktik zu sein, wie der Honda-Pilot erklärt: "Ich wäre vier oder fünf Mal fast gestürzt. Vor allem in Kurve 3 hat das Vorderrad beim Bremsen blockiert." Immerhin war es zu Beginn noch sehr nass auf dem Kurs. "Dann bin ich ruhiger geworden und konnte die Reifen gut aufwärmen." Denn während Valentino Rossi an der Spitze Zeiten um 2:08 Minuten fuhr, konnte Marquez auf dem Medium-Slick 1:58er-Runden fahren.

Er wurde durch die Bikewechsel der anderen Piloten nach vorne gespült, ab Runde fünf war er an der Spitze zu sehen. Das Überholmanöver an Johann Zarco, der am längsten auf dem Regenpneu auf der Strecke blieb, glich einer Demütigung. Ab Runde sechs hatte Marquez das Feld mit rund 20 Sekunden Vorsprung fest im Griff, sein Poker ging auf. "Ich war sehr glücklich, als ich bei Start-Ziel vorbeikam und sah, dass ich 18 oder 20 Sekunden Vorsprung hatte. Der Sonnenschein kam hervor und alles war gut. Ich bin es dann einfach nach Hause gefahren", schmunzelt er.


Fotos: MotoGP in Brünn


Er lobt auch sein Team, denn die Honda-Truppe hatte das zweite Bike mit dem Trocken-Set-up bereit gestellt - ein Fauxpas wie jener der Tech-3-Mannschaft von Jonas Folger blieb Marquez dadurch erspart. "Mein Bike war bereit und alles verlief nach Plan." Nachdem der 24-Jährige die Pole-Position in Brünn bereits zweimal nicht verwerten konnte, holte er sich mit dem taktischen Geniestreich seinen zweiten Sieg auf tschechischem Boden.

Brünn-Test war perfekte Vorbereitung

Maßgeblich dazu beigetragen hat auch der zweitägige Test von Honda in der Sommerpause: "Auf dieser Strecke habe ich normalerweise immer Probleme. An diesem Wochenende fühlte ich mich aber sehr gut. Der Test in der Sommerpause war wirklich wichtig. Ich hatte zuvor immer Sorgen, wenn wir an diesen Kurs gekommen sind. Jedes Jahr habe ich Probleme, aber jetzt mit 25 Punkten abzureisen, das gibt mir viel Selbstvertrauen."

Marc Marquez

Marquez lässt sich auf dem Podium feiern: 14 WM-Punkte führt er vor Vinales Zoom

Der Test in Brünn sei die perfekte Vorbereitung gewesen. "Das war die richtige Strategie. Für die Fahrer ist ein Monat zu lang ohne Bike. Daher haben wir einen guten Test absolviert." Honda ging nicht nur mit einem vorbereiteten Set-up ins Wochenende, sondern auch mit einer neuen Verkleidung. "Wir verbessern uns immer mehr. Natürlich gibt es Strecken, auf denen wir mehr Probleme haben werden. Aber es sieht ein bisschen wie im Vorjahr aus, wo ich auch nicht so gut ins Jahr gestartet bin und dann besser wurde." Und am Ende reichte es immerhin für den fünften WM-Titel.

Seinen WM-Vorsprung konnte Marquez durch diesen souveränen Sieg deutlich ausbauen. 14 Punkte liegt er nun vor Maverick Vinales, der mit Platz drei Schadensbegrenzung betrieben hat. "Das ist der beste Weg, um in die zweite Saisonhälfte zu starten. Das Wichtigste wird aber sein, wie man es zu Ende bringt. Wir haben einen wichtigen Job gemacht heute. Es ist jetzt besser einen kleinen Vorsprung zu haben, als keinen", kommentiert er die Situation in der WM.

Pedrosa bereut: Eine Runde zu spät beim Bikewechsel

Dani Pedrosa liegt bereits 31 Punkte hinter seinem Teamkollegen in der WM-Tabelle, er holte mit dem zweiten Platz jedoch erneut einen soliden Podestplatz. "Danach ist man eben immer schlauer", kommentiert der Spanier. Er kam in Runde vier an die Box, zwei Runden nach seinem Teamkollegen. "Ich habe solch ein Rennen nicht erwartet, nach dem Regen in der Moto2. Es wurde zwar schnell trocken, aber ich dachte, es würde dann wieder zu regnen beginnen. In der Aufwärmrunde habe ich dann aber gesehen, dass es so bleiben wird." Pedrosa wurde von den Bedingungen überrascht.

Daniel Pedrosa

Gute Punkte: Pedrosa pflügte von Platz acht auf Platz zwei nach vorne Zoom

Er blieb eine Runde zu lange auf dem Regenreifen auf der Strecke. "Das bereue ich", meinte er bereits kurz nach dem Rennen. "Sonst hätte ich auf den Slicks ein einfacheres Rennen gehabt." Doch auch auf dem Trockenreifen fühlte er sich anfangs nicht wohl. Er ist dennoch zufrieden: "Ich habe normalerweise Probleme in solchen Rennen, aber ich war ziemlich schnell."

Am Montag wird die MotoGP einen offiziellen Test in Brünn abhalten. "Da werden wir ein paar Set-ups und Dinge für den Red-Bull-Ring ausprobieren", so Marquez. "Im Vorjahr hatten wir dort ein wenig Probleme. Wir waren nicht so weit weg, aber ich glaube, wenn wir uns nur ein bisschen steigern, dann können wir um das Podium kämpfen." Bereits am kommenden Sonntag findet der Grand Prix in Spielberg statt.