KTM-Teammanager: Warum Brad Binder eine Phase mit vielen Stürzen hatte

Die erste Saisonhälfte von Brad Binder gleicht einer Achterbahnfahrt - Eine Phase mit vielen Stürzen und seit einigen Wochen keine Chance mehr auf Podestplätze

(Motorsport-Total.com) - Mit zweiten Plätzen in beiden Katar-Rennen ist Brad Binder stark in die MotoGP-Saison 2024 gestartet. Aber seither war der KTM-Fahrer nicht mehr bei der Siegerehrung dabei. Markenkollege Pedro Acosta eroberte nach Katar zwei Podestplätze am Sonntag und drei in Sprints. Zuletzt war die Spitze aber auch für den Rookie nicht mehr in Reichweite.

Titel-Bild zur News: Brad Binder, Francesco Guidotti

Teammanager Francesco Guidotti mit Brad Binder Zoom

Das selbst gesteckte Ziel, in diesem Jahr ein Wort um den WM-Titel mitsprechen zu können, hat KTM nicht erreicht. "Man muss natürlich alle Details kennen, aber ehrlich gesagt, wir haben auch kleine Fehler gemacht", sagt KTM-Teammanager Francesco Guidotti im Gespräch mit Motorsport-Total.com.

"Diese kleinen Fehler haben einmal mehr gezeigt, wie hoch das Level in der MotoGP ist. Wenn man Erfolg haben will, dann muss alles perfekt sein. Der Fahrer muss perfekt sein, das Team muss perfekt sein. Das Motorrad wird nie perfekt sein."

"Wir müssen das Motorrad so gut wie möglich vorbereiten und der Fahrer muss sich darauf in jenem Moment einstellen. Er muss auch während des Rennens verstehen, wann der beste Moment ist, zu attackieren oder abzuwarten, wann er ein Überholmanöver macht."

Klammert man Sprints aus, dann hat KTM zum letzten Mal im Frühling 2021 bei normalen, trockenen Verhältnissen einen Grand Prix gewonnen. Danach gewann Binder in Spielberg bei einsetzendem Regen mit Slicks. 2022 gab es noch zwei Siege im Regen von Miguel Oliveira.

"Das Ziel ist natürlich klar", sagt Guidotti. "Ein Werksteam muss dieses Ziel haben. Das ist der Sinn des Projekts. Wir können uns nicht verstecken. Aber Erwartungen waren ein großes Fragezeichen. Vor dem ersten Saisonrennen waren wir uns überhaupt nicht sicher."

Pedro Acosta

Pedro Acosta war in einigen Rennen der beste KTM-Fahrer Zoom

"Ich würde nicht Probleme sagen, aber es gab bei den Wintertests Sachverhalte, weshalb wir uns nicht sicher waren. Aber wir wissen, dass Tests und Rennen zwei Paar Schuhe sind. Deshalb haben wir das erste Rennen abgewartet, um zu verstehen wo wir stehen."

"Mit dem zweiten Platz von Brad haben wir gesagt, dass wir dabei sein können. Die ersten Rennen sind aber immer knifflig." Denn das Nachtrennen in Katar ist speziell, vor allem weil es dort im Vorfeld offizielle Testfahrten gegeben hat.

Auch Portimao ist eine spezielle Strecke, das gilt auch für Austin. Vor dem US-Wochenende hat sich Binder eine Fußverletzung zugezogen, die ihn auf der anspruchsvollen Strecke doch stärker behindert hat.

Plötzlich stürzt Brad Binder mehrmals am Wochenende

"In Jerez hat es dann mit den Stürzen begonnen", seufzt Guidotti. Denn Binder hatte zu Beginn der richtigen Europa-Saison einige Stürze. Am Freitag in Le Mans ging der Südafrikaner gleich dreimal zu Boden.

Anschließend stürzte er am Freitag in Barcelona innerhalb von zehn Minuten zweimal an der gleichen Stelle. Im Sprint gab es den nächsten Sturz von Binder, immerhin in Führung liegend. Also war Performance vorhanden.

Aber warum hatte Binder diese Phase mit so vielen Stürzen? "Das ist nicht passiert, weil das Gefühl gefehlt hat. Es war das Gegenteil der Fall, nämlich zu viel Vertrauen", meint Guidotti. "Als Brad das erste Mal gestürzt ist, war er zwei Zehntelsekunden unter dem Rundenrekord."

Brad Binder

Nur Marc Marquez ist in der bisherigen Saison öfter als Brad Binder gestürzt Zoom

"Deshalb haben wir uns gesagt, dass wir zwar gestürzt sind, aber sehr schnell sind. Dann gab es in Le Mans in der gleichen Kurve zwei Stürze. Der Grund war wieder zu viel Selbstvertrauen. Wir haben für diese Fehler hart bezahlt, weil Brad vom letzten Startplatz gestartet ist."

"Das ist seltsam zu sagen, aber die Stürze sind passiert, weil er zu viel Vertrauen hatte und das Limit nicht gespürt hat. Brad hat immer gesagt, dass er keine Vorwarnung gespürt hat. In den Daten haben wir etwas gesehen, aber er hat das nicht gespürt."

"Er hat zwar diese Bewegung gespürt, aber für ihn war das keine Warnung, sondern ein normales Verhalten des Motorrads. Wir mussten diese Nachricht des Motorrads an den Fahrer neu interpretieren."

Neue Michelin-Reifen ein Mitgrund

Alle Teams stellten zu Saisonbeginn die neuen Hinterreifen von Michelin vor Rätsel. Denn sie sorgen für mehr Grip, es können aber auch Vibrationen auftreten. Die Fahrer sprechen in der Kurve auch davon, dass der Hinterreifen Druck auf den Vorderreifen ausübt.

Dadurch verpasst man am Kurveneingang die Ideallinie und den Scheitelpunkt. Hat das auch eine Rolle für Binders Sturzphase gespielt? "Vielleicht", meint Guidotti. "Der neue Hinterreifen hat ziemlich stark das Arbeitsfenster verändert, in dem man den Reifen optimal nutzen muss."

"Da Pedro keine Referenz aus dem vergangenen Jahr hat, hat er sich daran gewöhnt, so zu fahren. Das könnte auch eine Erklärung sein. Man muss aber viele Faktoren berücksichtigen. Bei diesem Speed ist es für den Fahrer sehr schwierig, immer alles komplett unter Kontrolle zu haben."

Brad Binder

Am Sachsenring klagten die KTM-Fahrer über starkes Untersteuern Zoom

Binders Sturzrate ist zuletzt zurückgegangen. In Mugello, Assen und auf dem Sachsenring gab es keine. Zuletzt klagten die KTM-Fahrer auf dem Sachsenring über Untersteuern. In der WM-Wertung sind Acosta und Binder auf den Plätzen sechs und sieben zu finden.

Der Rookie hat zwei Punkte mehr auf dem Konto. "Für Brad ist es ungewöhnlich, dass er jemanden bei KTM als Referenz hat. Denn normalerweise war er die Referenz", verweist Guidotti auf die vergangenen Jahre. "Es ist immer wichtig, eine Referenz zu haben."

Die Referenz im Feld ist Ducati. Seit Jerez Ende April sind in den Sonntagsrennen alle Podestplätze an Ducati-Fahrer gegangen. Guidotti hat zehn Jahre lang im Pramac-Team gearbeitet und den Aufbauprozess miterlebt. Ende 2021 wechselte er zu KTM.

Ein Aufbauprozesse, in dem sich die österreichische Marke immer noch befindet. Der letzte Schritt an die Spitze ist noch nicht gelungen. "Ducati hat fünf bis sechs Jahre gebraucht, um nahe zu kommen und dann weitere drei, vier Jahre, um den finalen Schritt zu machen", vergleicht Guidotti.

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