• 16.08.2008 15:51

Interview: Reifen in der MotoGP

Patrick Isaaco, der Reifentechniker von Dani Pedrosa sprich über Michelins Arbeitstechnik, die aktuelle Saison und die Anforderungen an das schwarze Gold

(Motorsport-Total.com) - Patrick Isaaco ist ein alter Hase im Renngeschäft, der schon mit Rennsportgrößen wie Mick Doohan, Wayne Gardner und Alex Criville zusammengearbeitet hat. Seit 19 Jahren ist er schon in der Grand-Prix-Welt tätig, Anfangs noch als Michelins Koordinator in allen drei Motorrad-Weltmeisterschaftsklassen, wo er sich um sämtliche logistischen Angelegenheiten der Teams kümmerte

Titel-Bild zur News: Daniel Pedrosa

Dani Pedrosa bevorzugt meist härtere Reifenmischungen

1991, als Michelin sich nicht an der Motorrad-WM beteiligte, kam Isaaco nach Deutschland, um ein Jahr in der DTM zu arbeiten, bevor er 1992 wieder in die Welt des zweirädrigen Sports zurückkehrte, diesmal an der Seite des Honda-Teams, wo er auf Doohan und Gardner traf. Heute ist er der Michelin-Techniker von Dani Pedrosa.#w1#

Frage: "Können Sie uns zu Begin die Hauptbestandteile einer Reifenkonstruktion beschreiben?"
Patrick Isaaco: "Ich gehe da natürlich nicht groß ins Detail, aber die Basis eines Reifens besteht aus einer Karkasse, das ist die innere Struktur des Reifens. Außen befindet sich der Gummi-Teil, soweit zur Lauffläche. Die Reifenwände sorgen für Kontakt mit dem Boden."

"Alle diese Teile können in ihren Eigenschaften variieren, je nach dem, mit welchem Kurs und mit welchem Grip-Niveau wir es zu tun haben. Was auch immer passiert - die Entwicklung endet nie, alle Teile werden verbessert und modifiziert. Die Fahrer wollen immer mehr haben, wir arbeiten also beständig an der Reifenentwicklung weiter."

Auch die Dimensionen können sich verändern, obwohl sie sich, sobald die Saison einmal gestartet ist, nicht allzu sehr verändern. Natürlich werden Tests durchgeführt, aber generell verändert sich während einer Saison normalerweise nicht allzu viel. Dieses Jahr verwenden die Fahrer an der Vorderachse 16-Zoll-Reifen und hinten 16,5-Zoll-Reifen."

Der Wettbewerb endet nie

Frage: "Das vergangene Jahr war schwierig für Michelin. Wie verläuft die Saison 2008 aus ihrer Sicht?"
Isaaco: "Der Wettbewerb ist sehr fordernd und nie kann etwas als absolut perfekt bezeichnen. Wie ich es schon gesagt habe, es gibt immer viel zu tun, um Verbesserungen zu finden. Dieses Jahr ist es zudem schwierig, weil der Titelkampf sehr eng ist und es sehr schwierig ist, für große Unterschiede zu sorgen. Deswegen suchen wir konstant nach neuen Lösungen."

"Wenn man sich die Meisterschaft ansieht, haben wir eine sehr enge Schlacht zwischen Stoner, Rossi, Dani Pedrosa und sogar Jorge Lorenzo, der ja auch noch da ist. Alle Fahrer können einen hervorragenden Job erledigen und wir müssen uns weiterhin anstrengen. Vor dem Start ist nichts entschieden."

Daniel Pedrosa

Michelin ist mit Dani Pedrosa im WM-Kampf noch immer voll dabei Zoom

Frage: "Was denken Sie über die momentanen Reifen-Regeländerungen, welche die Anzahl an Reifen begrenzen, die verwendet werden können und die Reifenwahl am Donnerstag für das restliche Wochenende kritisch machen?"
Isaaco: "Es ist nicht einfach und die Wahrheit ist, dass diese Regelungen unseren Job etwas kompliziert gemacht haben. Gleichzeitig ist es wahr, dass wir nun mehr Reifen haben, als vergangenes Jahr. Früher hat jeder diese Regeln kritisiert, weil sie neu waren und man nicht unbedingt den Durchblick hatte."

"Jetzt haben sich alle daran gewöhnt und man kann mit ihnen gut arbeiten. Die Regeln sind nun mal so und wir müssen sie akzeptieren. Bislang sind dieses Jahr die Dinge nicht allzu schlecht verlaufen obwohl es auch wahr ist, dass unsere Arbeit einen größeren Weitblick und eine bessere Koordination mit dem Team, den Fahrern und Michelin erfordert, damit am Donnerstag vor dem Rennen die richtige Entscheidung getroffen erden kann."

Der Motor bestimmt den Reifen

Frage: "Die genaue Reifenwahl, die am Donnerstag vor einem Grand Prix gefällt wird, ist jedes Mal beinahe ein Staatsgeheimnis. Könnten Sie uns dennoch eine Beschreibung dessen geben, wie die Reifen ausgewählt werden?"
Isaaco: "Wir sehen uns ein paar unterschiedliche Reifen mit verschiedenen Karkassen und Gummi-Komponenten an und machen die Entscheidung vom Wetter abhängig, ob wir ein sehr heißes Wochenende haben werden oder ob es regnen wird etc. Darüber hinaus treffen die Michelin-Reifeningenieure und Entwickler bereits in Frankreich eine Vorauswahl an möglichen Reifen, die für die jeweilige Strecke in Frage kommen könnten."

Frage: "Was glauben Sie, wohin die Reifenentwicklung der MotoGP gerade führt."
Isaaco: "Natürlich haben die Reifen nichts mit denen zu tun, die vor einem Jahr benutzt worden sind, weil es eine kontinuierliche Forschung und Entwicklung gibt. Weil sich die Motorräder weiter entwickeln, sind auch die Reifenhersteller gezwungen, sich weiterzuentwickeln."

"Ich glaube, dass sich der Grip und die Haftung in den Kurven bereits drastisch verbessert haben und die Dinge nun ganz anders sind, als zu den Zeiten, wo ich angefangen habe. Die Bikes sind vollständig anders, auch sie haben sich weiter entwickelt, das Material wird also parallel verbessert."

Frage: "Die Elektronik hat das Fahrverhalten verbessert, besonders in schwierigen Situationen und mit abgenutzten Reifen. Haben diese elektronischen Systeme größere Anforderungen an die Reifen?"
Isaaco: "Sie helfen dem Fahrer die Maschine zu kontrollieren und daher wird der Reifen weniger beansprucht, wenn er Leistung übertragen muss. Davor hat der Reifen all die Power des Motors abbekommen, wenn der Fahrer aufs Gas gestiegen ist. Heutzutage erreicht ihn die Leistung auf eine wesentlich kontrolliertere Weise, dank der Elektronik."

Frage: "Welches sind die Kurse mit den höchsten Anforderungen an die Reifen und warum?"
Isaaco: "Am kritischsten ist Phillip Island, die Strecke ist besondert hart zu der linken Seite des Reifens und er sollte dort sehr steif sein. Das ist sehr streckenspezifisch, zum Beispiel Deutschland. Auch sie bekommen einen kritischen Faktor von allen Strecken, die neu asphaltiert worden sind. Wir wissen bei diesen Kursen nämlich nie, was uns erwartet. Dann kann es auch ganz neue Strecken geben, wie z.B. Indianapolis in diesem Jahr."

Pedrosa, der fahrende Reifeningenieur

Nicky Hayden vor Daniel Pedrosa

Der Motor mit den pneumatischen Ventilen macht keinen großen Unterschied Zoom

Frage: "Welcher Fahrer hat Sie am meisten beeindruckt, sei es durch den Fahrstil, sei es, weil er genau verstanden hat, wie die Reifen sich verhalten werden?"
Isaaco: "Das ist schwierig zu sagen, aber für mich haben immer die Fahrer die besten Sensationen auf der Strecke abgeliefert, die mir die meisten Informationen gegeben haben. Das waren zum Beispiel Valentino Rossi und Dani Pedrosa."

"Sie haben beide eine unterschiedliche Arbeitsweise, ganz anders, als viele Andere. Das heißt nicht, dass den anderen die notwendige Sensibilität fehlen würde, es ist aber Tatsache, dass diese beiden wesentlich mehr Informationen generieren."

Frage: "Können Sie kurz beschreiben, wie sich die Reifen seit den wilden 500er 'Zweitakt-Zeiten' bis zu den kraftvollen 990er 'Viertakt-Zeiten' bis zu den anspruchsvollen 800ccm-Motorrädern entwickelt haben?"
Isaaco: "Die genaue Entwicklung aufzuzählen wäre zu schwierig, aber um mit den Maschinen anzufangen: Diese entwickeln die Leistung vollkommen unterschiedlich."

"Die Anforderungen an die Reifen haben sich beim Übergang von 500ccm zu 990ccm verändert und dann zu 800ccm. In der 500er Klasse haben wir uns seit dem Aufstieg zu 990ccm sehr verändert, nachdem alles von den Motoren abhängt. Die Wahrheit ist, dass es jedes Jahr sehr große Entwicklungsschritte gab."

Frage: "Was sind Dani Pedrosas bevorzugte Reifen in Bezug auf seinen Fahrstil und sein Gewicht?"
Isaaco: "Dani Pedrosa hat einen sehr flüssigen Fahrstil, völlig anderes, als das, was die Leute über ihn aufgrund seines leichten Gewichts denken. Er fragt immer nach recht harten Reifen, er hat auch die Tendenz, sehr spät nach den Reifen zu fragen."

"Das liegt daran, weil er es liebt, zunächst an Stabilität zu gewinnen und er sich mit den Reifen noch nicht beschäftigen möchte. Selbst wenn ein Reifen nur ein wenig härter ist, hat er Angst, dass ihm dieser eine noch bessere Rennperformance verschaffen könnte und er ihn benutzen sollte. Wir verwenden im Gegensatz zur allgemeinen Annahme nicht die allerweichsten Reifen."

Frage: "Dani war dieses Jahr nur mit dem konventionellen Motor unterwegs, sollte er wie Teamkollege Nicky Hayden nach einem Aggregat mit pneumatischen Ventilen fragen, was würde sich für die Reifen ändern?"
Isaaco: "Nicky Hayden sitzt bereits auf der neuen Maschine und verwendet keine anderen Reifen, daher denke ich, dass es keinen großen Unterschied geben könnte. Auf diesem Level sind zwei Motoren sehr ähnlich und mit den Kilometern, die Nicky mit der neuen Maschine unterwegs war, konnten wir noch keine speziellen Entwicklungsschritte einschlagen."