Heiße Diskussionen um die Einheitsreifenregel
Im Hintergrund kochen die Diskussionen über ein Reifenmonopol, der MotoGP-Zirkus ist sich nämlich gar nicht einig über die neue Reifenregel
(Motorsport-Total.com) - Nachdem 2002 Michael Schumacher in der Formel 1 nahezu alles gewann, was es zu gewinnen gab, stellte man kurzerhand die Punkteregeln um, um es den Verfolgern leichter zu machen. Ähnliches könnte in der MotoGP passieren: Ein Reifenmonopol dürfte auf jeden Fall verhindern, dass Casey Stoner oder jemand anderes 2008 wieder uneinholbar davonzieht.

© Yamaha
Reifenmonopol für mehr spannende Rennen? Ein ganz heißes Thema
Der frischgebackene Weltmeister verdankt seinen Triumph nämlich auch zum großen Teil der starken Performance seiner japanischen Walzen, gegen die die Konkurrenz dieses Jahr ziemlich auf verlorenem Posten stand. Ein Reifenmonopol dürfte das Feld wieder näher zusammenführen. Doch so richtig anfreunden will sich damit kaum jemand im MotoGP-Zirkus, weder bei Bridgestone, die in so einem Fall wohl als Alleinausrüster auftreten würden, ebenso wenig bei Michelin, die dann Koffer packen müssten.#w1#
Bridgestone möchte einen Konkurrenzkampf
Es ist klar, dass ein Bridgestone-WM-Titel weniger Prestige für den japanischen Hersteller bringt als ein Titel, der gegen einige Reifenrivalen herausgefahren wurde. Im Bridgestone-Lager argumentiert man, dass es keine Hast gab, die Regeln zu verändern, als Michelin die Rennen beherrschte. Nun habe man bei Bridgestone viele Mittel aufgewendet um die Kräfteverhältnisse wieder umzudrehen. Diese Früchte der harten Entwicklungsarbeit wären auf einen Schlag zunichte, sollte sich der geschlagene Konkurrent Michelin monopolbedingt aus der MotoGP zurückziehen müssen.
Das sieht auch Suzuki-Pilot John Hopkins so: "Ich denke, es wäre gegenüber Bridgestone unfair und könnte für sie eine Bestrafung sein. Michelin hatte so lange Jahre einen großen Vorteil, und daher ist es nicht gerecht gegenüber Bridgestone. Sie haben sich verbessert und hatten dieses Jahr einen besseren Reifen, jetzt werden sie dafür bestraft. Ich denke, es ist gut für den Wettbewerb, wenn man mehr als einen Reifenhersteller im Feld hat. Ich bin besorgt darüber, dass die Hersteller darüber entscheiden wollen, wer welche Reifen bekommt."
Im Falle eines Reifenmonopols würde der Amerikaner gerne mit den Japanern zusammenarbeiten: "Solange ich bei Bridgestone bleibe - und ich war schon immer auf Bridgestone-Reifen unterwegs -, bin ich sehr glücklich. Bridgestone hat den besten Reifen, und selbst als sie ihn nicht hatten, habe ich Bridgestone immer gemocht. Vor vier Jahren, als ich zum ersten Mal auf ihren Reifen unterwegs war, mochte ich auf Anhieb die Stabilität beim Bremsen, und die Reifen wurden immer besser und besser."
Burgess wünscht sich kein Monopol
Selbst im Yamaha-Lager, wo man sehr unter der Bridgestone-Dominanz zu leiden hatte, ist man nicht unbedingt glücklich, sollte eine solche Änderung der Reifenregeln in Kraft treten. Jeremy Burgess jedenfalls, seines Zeichens Renningenieur von Valentino Rossi, hat eine eigene Meinung zu diesem Thema: "Ich denke, der Wettbewerb verbessert das Endprodukt. Auch die 100-Meter-Läufer rennen nicht mit denselben Schuhen. Man hat nicht die Regeln im Tennis verändert, nur weil Pete Sampras alles gewann, und man hat die Golf-Regeln nicht verändert, weil irgendwer immer gewinnt."
"Es liegt nur an den Leuten, die geschlagen wurden, alles zu geben und zu versuchen, zu gewinnen. Jeder will gewinnen. Ich kann nicht im Namen von Yamaha sprechen, aber ich denke, dort wird das Thema sehr, sehr vorsichtig diskutiert. Es ist eindeutig eine Reflexreaktion. Vor einigen Jahren erschuf Carmelo (Ezpeleta; Anm. d. Red.) eine Regel, wo die Reifenhersteller ihm, wenn sie den Sport verlassen wollten, das ein Jahr vorher mitzuteilen hätten. Jetzt sagt er: 'Ich schmeiße zwei oder sogar drei selbst hinaus.' Das ist auf jeden Fall eine Reflexreaktion", so Burgess. Ezpelata, der Boss von Promoter Dorna, hatte nämlich die Diskussion um eine Einheitsreifenregel angeregt.
Bridgestone-Boss Hiroshi Yamada glaubt indes, das Rossi der Rädelsführer der Kampagne für Einheitsreifen sei. Yamada gab an, dass er sehr enttäuscht über den Vorstoß von Ezpeleta sei und unterstellt Rossi, die Dorna dazu angestachelt zu haben: "Ich denke, der Einflussbereich von Rossi und Herrn Ezpeleta reicht sehr weit. Ich glaube, dass das die Hauptgründe für die Diskussion sind."
Bridgestone lehnte Honda und Yamaha ab
Der Bridgestone-Boss bestätigte gegenüber 'Motor Cycle News' die Gründe, warum man für 2008 nicht Yamaha und Honda ins Boot holen wollte. Dies würde Michelin wohl dazu zwingen, auszusteigen, sollten die Franzosen ihre Zugpferde verlieren: "Ich bin sehr, sehr enttäuscht. Wir wollten mit Honda und Yamaha nicht zusammenarbeiten, um den Wettbewerb aufrechtzuerhalten. Über die Reifenregel wurde noch nichts entschieden, aber wenn man sich dazu entschließen sollte, ein Reifenmonopol durchzudrücken, währe ich sehr enttäuscht."
Yamada würde in so einem Fall der Rausch des Wettbewerbs fehlen: "Wenn wir keinen Wettbewerb hätten, hätte ich nicht mehr wieder dasselbe Gefühl, wie ich es in Motegi verspürt habe, als wir den Titel eingefahren haben. Wir haben eine solche Situation nicht erwartet. Jetzt müssen wir intern darüber diskutieren, wie unsere Antwort aussehen könnte und wie wir mit der Situation umgehen."
Bei Bridgestone wurden viele Millionen in die Entwicklung investiert, um Michelins Vormachtstellung zu brechen - das könnte nun ein Bumerang sein. Auf die Frage, ob Bridgestone das MotoGP-Starterfeld für eine Testsession in Valencia am 6. November unterstützen könnte, sollte am 20. Oktober in Sepang eine Entscheidung pro Einheitsreifen fallen, entgegnete Yamada: "Das könnte in dem Umfang sehr schwierig sein. Momentan unterstützen wir zehn Fahrer. So müssten wir 19 ausrüsten, vielleicht sogar mehr, wenn man die Testfahrer dazurechnet. Für gewöhnlich ist es unmöglich, die Kapazitäten zu verdoppeln."

