Francesco Bagnaia: Wie er sich als Charakter bei Ducati durchgesetzt hat

Zu Jahresbeginn setzte sich Francesco Bagnaia bei einer wichtigen Entscheidung durch - Hinter den Kulissen zeigt sich, wie sehr der Ducati-Fahrer gereift ist

(Motorsport-Total.com) - MotoGP-Weltmeister Francesco Bagnaia zeigt sich nach außen hin ruhig, kontrolliert und etwas introvertiert. Trotzdem hat der Italiener die Führungsrolle bei Ducati übernommen. Wie sehr er gereift ist, zeigt eine wesentliche Entscheidung im vergangenen Winter.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia

Als MotoGP-Weltmeister hat Francesco Bagnaia den Olymp erklungen Zoom

Im Herbst 2021 hat Bagnaia mit vier Siegen in den letzten sechs Rennen gezeigt, dass er das Potenzial hat, ein ernsthafter WM-Anwärter zu sein. Auch beim Jerez-Test im November 2021 meinte er, dass die neue GP22 perfekt sei.

Aber nach dem Februar-Test in Sepang (Malaysia) änderte Bagnaia seine Meinung. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde 2020 und 2021 mit der gleichen Motorspezifikation gefahren. Im Hintergrund wurden über Monate neue Triebwerke entwickelt.

Dieser neue Motor war in Bagnaias Ansicht nicht gut genug. Er konfrontierte General Manager Gigi Dall'Igna und die Ingenieure damit. "Es war nicht einfach, Gigi mitzuteilen, dass es nicht gut lief", sagt Bagnaia im Gespräch mit der spanischen Edition von 'motorsport.com'.

"Aber er ist sehr clever. Man darf nicht vergessen, dass auch er gewinnen will. Das Vorjahresmotorrad war besser, aber es war zu spät. Deswegen mussten wir eine Lösung finden und fuhren mit diesem Hybridmotor."

"Es war ein komplizierter Moment, denn ich war derjenige, der sagte, dass der Motor geändert werden muss. Aber mir gefiel die Reaktion von Gigi, der angefangen hat, in diese Richtung zu arbeiten."

Francesco Bagnaia

Im Februar traf Bagnaia nach dem Sepang-Test eine grundlegende Entscheidung Zoom

Man entschied sich für eine Spezifikation, die zwischen dem alten und dem neuen Motor lag. Laut Reglement musste auch Jack Miller damit fahren. Mit dem 2022er-Motor traten Johann Zarco, Jorge Martin und Luca Marini an, die schlussendlich kein Rennen gewonnen haben.

"Als 'Pecco' Gigi gesagt hat, dass er den alten Motor bevorzugte, hatte er jegliche Legitimation dafür", erinnert sich Sportdirektor Paolo Ciabatti zurück. "So wie er die Saison 2021 beendet hat, hat er sich das Recht dafür erarbeitet."

Dovizioso konnte sich nicht gegen Dall'Igna umsetzen

Prinzipiell trifft Dall'Igna die technischen Entscheidungen. Dass er in diesem Fall auf Bagnaia gehört hat, ist bemerkenswert, wenn man auf die jüngere Vergangenheit blickt. Zwischen Andrea Dovizioso und Dall'Igna gab es regelmäßig hinter den Kulissen Diskussionen über Änderungen.

Dovizioso konnte sich nicht durchsetzen, was schließlich zum Bruch zwischen beiden geführt hat. Dass Bagnaia richtig gelegen ist, zeigten die Ergebnisse von Enea Bastianini, der mit der ausgereiften GP21 in die Saison startete. Er gewann zwei der ersten vier Rennen.

Andrea Dovizioso

Zwischen Andrea Dovizioso und Gigi Dall'Igna gab es Auseinandersetzungen Zoom

Konfiguration des Motors brauchte Zeit

Die GP22 brauchte in den Händen von Bagnaia bis zum sechsten Rennen, als er erstmals gewinnen konnte. "Es brauchte etwas Zeit, bis der Motor richtig konfiguriert war", sagt Cristian Gabarrini, der Crewchief des neuen Weltmeisters.

"Und diese Zeit, die man dafür investiert, damit alles richtig kalibriert ist, kann man nicht verwenden, um daran zu arbeiten, so schnell wie möglich zu sein." Deshalb dauerte es, bis Bagnaia die Performance auf der Strecke umsetzen konnte.

Aber selbst im Herbst gab es in Misano und Aragon enge Duelle mit Bastianini. Hätte Bagnaia mit der ausgereiften GP21 die Weltmeisterschaft viel früher für sich entscheiden können? Auf diese Frage antwortet er zurückhaltend und diplomatisch.

Francesco Bagnaia, Cristian Gabarrini

Crewchief Cristian Gabarrini mit Francesco "Pecco" Bagnaia Zoom

"Ich bin nur der Fahrer. Diese Entscheidungen liegen beim Team. Darauf will ich nicht eingehen. Sicher wäre es besser gewesen, mit dem Motorrad zu fahren, mit dem ich 2021 die letzten Rennen gewonnen habe. Aber ich weiß nicht, ob ich damit so viel und so oft gewonnen hätte."

Crewchief Gabarrini vergleicht Stoner mit Bagnaia

Bagnaia ist Ducatis zweiter Weltmeister nach Casey Stoner im Jahr 2007. Als der Australier diesen großen Erfolg erzielt hat, war Gabarrini dessen Crewchief. Er kann also die besten Parallelen zu damals ziehen.

"Die Ducati von 2007 war extrem, der Motor war fast unfahrbar. Die aktuelle Ducati ist eine der besten im Feld, aber am Ende hat eine Suzuki gewonnen. Wenn Marc [Marquez] völlig fit gewesen wäre, dann hätte Honda wohl auch ein Rennen gewonnen", meint Gabarrini.

"Es stimmt, dass damals die Bridgestone-Reifen auf einem hohen Level waren, aber Michelin brachte für Sonntag spezielle Reifen, die sie in der Nacht zuvor produziert hatten. Das war in vielen Fällen eine große Hilfe."

Casey Stoner

Casey Stoner bändigte im Jahr 2007 die Ducati und wurde Weltmeister Zoom

"Und dann gibt es die Elektronik. Damals war unsere viel schlechter als von allen anderen. Casey bevorzugte es, mehr oder weniger ohne zu fahren. Er wollte alles selbst kontrollieren. Jetzt ist es ganz anders, weil es jetzt an den Fahrern liegt, die Elektronik zu managen."

Nach dem Saisonfinale ist der Blick nach vorne gerichtet. Woran muss Ducati für 2023 arbeiten? "Wenn ich an die anderen Motorräder denke", sagt Bagnaia, "dann fehlt es uns nicht beim Motor. Aber wir müssen den Grip in Schräglage verbessern. Daran müssen wir arbeiten."