• 19.07.2010 19:03

  • von Britta Weddige

Dr. Costa: Der "MotoGP-Halbgott in Weiß"

Dr. Claudio Costa plaudert über seinen Alltag als Leiter der Clinica Mobile: Von Blicken aus Rennfahreraugen und dem unbedingten Willen, zu fahren

(Motorsport-Total.com) - Motorradrennfahrer sind faszinierende Menschen - nicht nur, weil sie mit ihren Bikes im Höllentempo ans Limit gehen. Sie scheinen auch die übermenschliche Fähigkeit zu haben, schwere Verletzungen in einem ebensolchen Höllentempo wegzustecken. Ein Knochenbruch? Macht nichts - es geht so schnell wie möglich wieder auf die Maschine und wenn es sein musst, legt man sich halt im Winter noch einmal unters Messer.

Titel-Bild zur News: Claudio Costa

Dr. Claudio Costa am Eingang zu seiner Clinica Mobile im Fahrerlager

Das jüngste Beispiel ist Valentino Rossi. Gerade einmal sechs Wochen ist es her, dass der Yamaha-Star im Training in Mugello schwer stürzte und sich einen offenen Schienbeinbruch zuzog. Menschen wie du und ich würden monate-, wenn nicht sogar jahrelang daran laborieren. In Rossis Fall sprachen die Sportärzte zunächst von einer Pause von vier bis fünf Monaten. Bei Leistungssportlern verläuft die Genesung schon aufgrund ihrer körperlichen Konstitution schneller. Doch Rossi übertraf alle Erwartungen: Nach nur sechs Wochen humpelte er auf Krücken zu seiner M1, gab wieder Gas und fuhr auf dem Sachsenring nur knapp am Podium vorbei.#w1#

Der Arzt, dem alle MotoGP-Piloten vertrauen, ist Dr. Claudio Costa. Mit der von ihm gegründeten Clinica Mobile ist er im Fahrerlager erste Anlaufstelle bei kleineren Wehwechen oder schweren Verletzungen. Er und sein Team entscheiden als Erste, was getan werden muss, um einen Fahrer wieder auf das Bike zu bringen, wie der weitere Behandlungsverlauf aussehen muss und ob gegebenenfalls eine "richtige" Klinik eingeschaltet wird.

Clinica Mobile

Hier werden sie alle behandelt, vom Weltmeister bis zum Rookie Zoom

"Wir haben hier eine kleine Chirurgie, Platz für verschiedene medikamentöse Behandlungen. Wir haben ein eigenes Röntgengerät und können Brüche diagnostizieren und behandeln", sagt Dr. Costa gegenüber 'Sport 1' über die Clinica Mobile. "Unsere Hauptarbeit ist die phsyiotherapeutische Vorbereitung der Fahrer. Hierfür haben wir sechs erfahrene Physiotherapeuten. Sie bereiten die Fahrer vor und behandeln ältere Verletzungen."

In Dr. Costas Behandlungszimmer waren sie alle schon, Weltmeister wie Rookies, Superstars und No-Names. Doch wenn sie verletzt vor dem Arzt sitzen, sind sie alle gleich. "Die Fahrer sehen uns an wie ihre Mutter - wie ein Kind, das Fieber hat und in die Augen seiner Mama blickt um zu erfahren, ob es spielen darf", verrät der Sportarzt.

Die Fahrer würden alle den "magischen Satz" sagen: "Ich will fahren". Denn wer ein echter Racer ist, der lässt sich von einem gebrochenen Schlüsselbein, eienr Handfraktur oder einem geprellten Rücken nicht so leicht aufhalten. Gemeinsam mit seinem Team berät Dr. Costa dann, wie der jeweilige Fahrer behandelt werden muss. "Wir versuchen, ihnen zu helfen, ihren Traum vom Motorradfahren zu verwirklichen und ihrer Berufung zu folgen", sagt der Italiener, der dem Motorradsport selbst leidenschaftlich verfallen ist.


Fotos: MotoGP am Sachsenring


Dr. Costa ist nicht nur ein medizinischer Vollprofi, sondern eine Koriphäe auf seinem Gebiet. Er hat in den vielen Jahren, in denen er mit der MotoGP-Szene um die Welt reist, schon alles erlebt. Doch welche Berge der Wille, zu fahren, versetzen kann, erstaunt ihn selbst immer wieder aufs Neue. Er verdeutlicht dies am Beispiel Jorge Lorenzo und dessen schweren Sturz 2009 in Laguna Seca.

Jorge Lorenzo

Ein Kühlpad gehörte auch zur Behandlung von Jorge Lorenzos Schlüsselbein Zoom

"Er hatte viele Prellungen, sein Schlüsselbein war ausgerenkt und er hatte wahrscheinlich kleinere Haarbrüche am rechten Fuß, die aber nicht weiter schwer sind. Es war vielmehr Jorge Lorenzo, der bewundernswert war", erinnert sich Dr. Costa. Er hat die Entscheidung getroffen: 'Ich will morgen fahren'." Der spanische Yamaha-Fahrer dachte gar nicht daran, im Rennen in Laguna Seca nicht anzutreten. Er biss die Zähne zusammen und kam nicht nur ins Ziel, sondern fuhr als Dritter sogar auf das Podium.

"Um zu fahren, hat er sich verschiedenen Behandlungen unterzogen, Physiotherapien, viele Spritzen, Infiltrationen, schmerzstillende Betäubungsmittel. Wir haben alle Register der heutigen Sportmedizin gezogen", blickt Dr. Costa zurück.

Doch er betont: "Aber das, was ihm in Laguna Seca ermöglicht hat, überhaupt mitfahren zu können, war sein Herz. Sein unglaublicher Kampfgeist für das, was seine Berufung ist. Das hat das Unmögliche möglich gemacht. Am Ende ist sogar das Podest herausgesprungen."

Und das Menschliche ist ohnehin das, was Dr. Costa an den Motorradpiloten noch mehr interessiert als ihre Knochen: "Das Schönste sind die Fahrer in der Königsklasse des Motorsports, die zwar unbedingten Siegeswillen haben, aber vielleicht auch etwas suchen, das sich im Herzen verbirgt und über das bloße Gewinnen hinausgeht."