• 30.06.2011 17:50

Dovizioso: "Moto2 ist wegen vieler Gründe schlecht"

Andrea Dovizioso kritisiert die Moto2 und will die Elektronik in der MotoGP beschneiden - Im Interview spricht der Italiener auch über seinen Teamkollegen Casey Stoner

(Motorsport-Total.com) - Andrea Dovizioso spricht vor seinem Heimrennen in Mugello mehrere Themen an. Den Vorteil des neuen Honda-Getriebes sieht der Italiener nicht so eklatant, wie er von der Konkurrenz vermutet wird. Zudem kritisiert der 25-Jährige die Moto2, denn in der Nachwuchsklasse lernen sich die Fahrer einen falschen Fahrstil an. Das macht den Aufstieg in die MotoGP schwieriger. Am liebsten würde Dovizioso die Elektronik in der MotoGP beschneiden, damit es wieder spektakulärere Rennen gibt.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Honda-Pilot Andrea Dovizioso will seinen Fans in Mugello eine gute Show zeigen

Frage: "Inwiefern verbessert das neue Getriebe die Rundenzeit?"
Andrea Dovizioso: "Bei zwei Dingen. Eines davon ist die Beschleunigung. Man schaltet schneller, was bei der Höchstgeschwindigkeit keinen großen Unterschied macht, aber bei der Beschleunigung. Am wichtigsten ist das Gefühl für den Fahrer beim Schalten im Trockenen. Wenn man in Schräglage den Gang wechselt, dann ist der Vorgang viel sanfter, schneller und weicher. Das macht einen kleinen Unterschied."

"Beim elektronischen Schaltvorgang wird die Zündung leicht unterbrochen. Mit dem neuen Getriebe ist diese Unterbrechung kürzer. Das größte Problem in der Vergangenheit war, dass man schalten musste, während das Hinterrad durchdrehte. Das neue Getriebe macht das besser. In manchen Kurven macht das einen großen Unterschied aus. In der letzten Kurve in Valencia muss man zweimal schalten. Mit dem neuen Getriebe kann man die Linie besser halten und leichter rutschen."

Frage: "Das Getriebe ist aber nur eine von zahlreichen Verbesserungen an der RC212V?"
Dovizioso: "In den Medien wurde zuviel über das neue Getriebe gesprochen. Ich kann zwei Dinge dazu sagen. Als ich zum ersten Mal damit gefahren bin, war es etwas Spezielles, weil man selten etwas probiert, das mechanisch einen großen Unterschied ausmacht. Man testet selten eine große Neuheit, bei der man sagen kann, dass es sich super anfühlt."


Fotos: Honda, MotoGP in Assen


"Honda hat einen tollen Job gemacht, aber bei der Rundenzeit ist es nicht so ein großer Unterschied. Ich meine, er ist sehr klein. Ich glaube nicht, dass es drei, vier Zehntelsekunden ausmacht. So ist es nicht. Beim Motorrad ist aber alles wichtig. Wenn man sich mit allen Verbesserungen zusammen um drei, vier Zehntel steigert, dann ist das sehr wichtig."

Frage: "Du, Casey Stoner und Dani Pedrosa habt jeder einen ganz anderen Fahrstil."
Dovizioso: "Ja. Ich dachte nicht, dass es so wäre, aber es ist so. Es ist überall ein großer Unterschied, beim bremsen, bei der Schräglage am Kurveneingang, wann man das Gas aufdreht, bei der Traktionskontrolle - überall."

Frage: "Wer von euch hat den größten Einfluss bei der Entwicklung?"
Dovizioso: "Wir werden das im nächsten Jahr sehen. Für diese Saison war das kein Problem, weil es nicht viel zu entwickeln gab. Es gab Verbesserungen, aber keine großen Entwicklungen. Das Motorrad war bereits gut. Wir haben einige Dinge geändert, die einen kleinen Unterschied ausgemacht haben. Wir haben wirklich ein sehr gutes Motorrad. Ich denke, wenn man ein Motorrad mit einer guten Balance für alle drei Fahrer hat, dann ist das gut. Danach arbeiten die Teams an den individuellen Bedürfnissen der Fahrer. Wichtig bei der Entwicklung ist, dass man eine gute Basis hat. Danach arbeiten der Fahrer, das Team und die Ingenieure zusammen."

Stoner der schnellste MotoGP-Pilot

Frage: "Hat sich mit der Ankunft von Casey die Entwicklungsrichtung verändert?"
Dovizioso: "Nein, nichts. Das Motorrad war bereits fertig. Er musste das Motorrad nur an seinen Fahrstil anpassen."

Frage: "Glaubst du, ist Casey derzeit der schnellste MotoGP-Fahrer?"
Dovizioso: "Vom Speed her, ja. Aber mit Grundschnelligkeit gewinnt man keine Weltmeisterschaft. Wenn dem so wäre, dann hätte er schon zehn Titel gewinnen müssen. Das hat er nicht getan."

Andrea Dovizioso, Casey Stoner

Casey Stoner (27) war in dieser Saison bislang schneller als Andrea Dovizioso (4) Zoom

Frage: "Du und Marco Simoncelli waren die letzten Italiener, die den Sprung in die Königsklasse geschafft haben. Es gibt jetzt keine starken Italiener in der 125er-Klasse."
Dovizioso: "Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht sind die italienischen Meisterschaften nicht so gut. Ich glaube, in Spanien funktioniert es wirklich gut, weil viele Spanier immer stärker werden. Das macht den Unterschied aus. Ich glaube, es gibt weltweit viele Talente, aber man muss jungen Fahrern die Möglichkeit geben, ihr Können auch zu zeigen. Vielleicht ist das in Italien, so wie in vielen anderen Ländern auch, nicht so optimal. Manchmal brauchte man auch Glück, um talentierte Fahrer zu finden."

Frage: "Wer wird der nächste Italiener in der MotoGP sein?"
Dovizioso: "Ich glaube, Andrea Iannone kann der nächste Fahrer sein. Sein Speed ist sehr, sehr gut, auch auf seinem Motorrad ist er gut, aber er ist noch nicht bereit für die MotoGP. Vielleicht ist er der schnellste Moto2-Pilot, aber das ist nicht genug. Wir haben schon genug Fahrer gesehen, die in die MotoGP gekommen sind und der Wechsel hat ihre Karriere beendet. Es ist besser, wenn er die Moto2-WM gewinnt, oder konstanter wird. Dann würde er mit mehr Erfahrung und viel stärker in die MotoGP kommen. Das ist sehr wichtig für den Wechsel."

Moto2 eine schlechte Schule

Frage: "Du bist in der 250er-Klasse gefahren und verfolgst die Moto2. Welche Klasse ist die bessere Vorbereitung auf die MotoGP?"
Dovizioso: "Man kann das nicht vergleichen. Die Moto2 ist wegen mehrerer Gründe schlecht. Es gibt nichts Vergleichbares zur MotoGP. Wenn man mit einem 250er Zweitakter schnell war, dann war man schnell, weil die 250er schwierig zu fahren waren. Wenn man mit der 250er schnell war, dann hat man einen guten Job gemacht, hat viele Dinge verstanden und konnte präzise mit dem Gasgriff umgehen."

"Natürlich hat man nicht die Erfahrung mit einem Viertakter. Wenn man aber in die Vergangenheit blickt, dann sind alle Talente aus der 250er-Klasse gekommen. Vom ersten Jahr an konnten sie um das Podium und um Siege kämpfen. Viele Leute sind von den Superbikes gekommen, wo die Motorräder ähnlich zu den MotoGP-Maschinen sind, aber nichts ist passiert."

"Es gibt nichts Vergleichbares zur MotoGP." Andrea Dovizioso

"Ich bin nie ein Moto2-Motorrad gefahren, also kann ich es nicht genau sagen, aber es sieht so aus als hätten sie nicht genug Kraft. Es ist also leicht, weil es ein Viertakter mit einer starken Motorbremse ist. Deshalb kann man am Kurveneingang rutschen. Das ist komplett der gegensätzliche Weg gegenüber den 250ern und der MotoGP. Man lernt also einen anderen Stil als er für die MotoGP nötig ist. Deshalb liegen die Talente eng beisammen, weil das das Limit der Motorräder ist. Man kann dagegen nichts tun."

Frage: "Ist es also für die kommende Fahrergeneration schwieriger sich an die MotoGP anzupassen?"
Dovizioso: "Sicher. Aber nach den aktuellen MotoGP-Talenten werden alle künftigen Fahrer aus der Moto2 kommen. Also ist es kein Problem."

Elektronik sollte beschnitten werden

Frage: "Freust du dich auf die 1000er-Motoren im nächsten Jahr?"
Dovizioso: "Ja, weil es ein netteres Motorrad wird. Es wird keinen großen Unterschied ausmachen, aber es wird von untern heraus mehr Kraft geben. Das hat die aktuelle Honda nicht. Ich glaube, das neue Motorrad wird eine der besten Maschinen der Welt."

Frage: "Wenn du etwas an der MotoGP verändern würdest, was wäre das?"
Dovizioso: "Ich würde die elektronischen Systeme ändern. Für die Sicherheit ist das sehr wichtig und auch für die Straßenmaschinen. Es ist also sehr gut. Aber wenn man auf der Strecke Spaß haben und tolle Kämpfe sehen will, dann muss man die Elektronik beschneiden. Nicht alles, aber mehr als 50 Prozent. Ohne diese Systeme wird das Motorrad schwieriger zu kontrollieren. Wenn man ein schwieriges Motorrad fährt, dann rutscht man viel mehr und begeht mehr Fehler. Es kommt darauf an, aber man wäre näher beieinander. Alles wäre schöner. Ich würde das gerne verändern, aber zu 99 Prozent wird das nicht passieren. Dafür gibt es gute Gründe."

"Was mir noch nicht an der MotoGP gefällt, aber nicht nur an der MotoGP, ist, dass das Fernsehen und die Medien viel Aufmerksamkeit auf komische Fahrer legt und nicht auf die schnellen Piloten. Mir gefällt das nicht, weil ich normal bin. Das wollen die Medien nicht sehen. Das ist lustig, weil ich meinen Charakter nicht ändern kann, nur weil es die Medien wollen. Das ist sehr schlecht. Es ist auch schlecht für die Risiken, die man auf der Strecke eingeht. Man kämpft, kämpft und kämpft. Man zählt zu den besten Fahrern der Welt, aber wenn man nicht lustig ist, dann sprechen nicht viele Menschen über dich. Das ist aber nicht nur in der MotoGP so. So ist die Welt eben und das ist schlecht für den Sport."