• 12.08.2011 14:00

  • von Lennart Schmid

Baumgärtel: "WM-Titel wäre der Hammer"

Kalex-Gründer Alexander Baumgärtel über den bevorstehenden Moto3-Einstieg seiner Marke, den WM-Kampf in der Moto2 und langfristige MotoGP-Ambitionen

(Motorsport-Total.com) - Die Kalex-Moto2-Maschine genießt im Grand-Prix-Fahrerlager einen ausgezeichneten Ruf. Stefan Bradl fährt in seinem ersten Jahr mit dem Fabrikat aus Bobingen um den Weltmeistertitel. Im Frühsommer gaben die Kalex-Gründer Alexander Baumgärtel und Klaus Hirsekorn zudem den Einstieg in die neue Moto3-Weltmeisterschaft bekannt. Im Interview spricht Baumgärtel über den bisherigen Saisonverlauf in der Moto2, den Stand der Dinge bei der Entwicklung des Moto3-Projekts und die Ambition, eines Tages vielleicht auch in der MotoGP an den Start zu gehen.

Titel-Bild zur News:

Alexander Baumgärtel kann sich ein MotoGP-Engagement vorstellen

Frage: "Alexander, Kalex wird in der kommenden Saison mit vier Moto3-Bikes antreten. Die Motoren kommen von KTM - sofern die Österreicher nicht doch noch einen Rückzieher machen. Wie weit ist dieses neue Projekt in seiner Entwicklung inzwischen vorangeschritten?"
Alexander Baumgärtel: "Anfang Juli haben wir die genauen Daten des Motors von KTM erhalten. Bereits davor hatten wir ein Konzept entwickelt, was die ungefähre Geometrie des Motors beinhaltete, um ein Grundlayout erstellen zu können. Unser gutes Bauchgefühl, das wir von Anfang an in Bezug auf das Design des Motors gehabt haben, hat sich nun bestätigt."

"Nun geht es um die Details, wobei uns da die längere Pause zwischen dem Rennen auf dem Sachsenring und dem Grand Prix in Brünn zu Gute gekommen ist, um diesbezüglich einen größeren Schritt zu machen. Wir wollen so schnell wie möglich zur Freigabe der Teile kommen, damit wir sie alsbald in die Produktion geben können."

Frage: "Wann sollen die ersten Testfahrten mit den neuen Motorrädern stattfinden?"
Baumgärtel: "Unser Ziel ist es, direkt mit unseren Kundenteams in den Testbetrieb einzusteigen. Am Montag nach dem letzten Saisonrennen in Valencia wollen wir an jedes Team bereits ein Motorrad übergeben, um dann testen zu können."

Frage: "Steht bereits fest, welche Teams das sein werden?"
Baumgärtel: "Nein, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Diesbezüglich befinden wir uns aber in guten Gesprächen. Die Nachfrage ist sehr hoch. Die Kombination aus KTM-Motoren und Kalex-Chassis scheint interessant zu sein. Hier in Brünn wird es nähere Gespräche geben. Wir sind noch im Entwicklungsprozess, da wäre es vorher nicht seriös gewesen, mit irgendwelchen Zahlen zu hantieren, die man dann später revidieren muss. Das ist nicht unser Stil. Wir gehen aber davon aus, dass wir uns bezüglich der Kosten in einem ähnlichen Bereich wie in der Moto2 einpendeln werden."

Moto3 kostet ähnlich viel wie Moto2

Alex Baumgärtel

Immer dabei: Alexander Baumgärtel legt viel Wert auf guten Service Zoom

Frage: "Das heißt, dass ein Moto3-Motorrad für eine komplette Grand-Prix-Saison genauso viel kostet wie eine Moto2-Maschine?"
Baumgärtel: "Genau, wobei in der Moto3 die Motorenkosten höher sind als in der Moto2. Dafür gehören einem dann am Ende des Jahres die Motoren auch. In der Moto2 bezahlt man als Team ja lediglich eine Leasinggebühr. Am Ende des Jahres erhält man dann zudem die Möglichkeit, einen Motor relativ günstig zu erwerben. Dieser Motor hat dann aber noch nicht einmal die Rennspezifikation."

Frage: "Wie viel Euro wird ein Team pro Motorrad und Saison konkret aufbringen müssen?"
Baumgärtel: "Ein Fahrzeug wird wahrscheinlich zwischen 100.000 und 110.000 Euro kosten. Im Komplettpaket wahrscheinlich eher 110.000 Euro. Im Vergleich zur Moto2 muss man in der Moto3 mehr Teile selbst entwickeln. In der Moto2 ist durch den Einheitsmotor die Airbox beispielsweise gleich, das ist in der Moto3 nicht so."

"Die Kraftstoffpumpe ist in der Moto3 frei, weshalb man sich da auch was einfallen lassen muss. Sprich, was an Bremsen und Rädern günstiger wird, wird an anderen Stellen wieder etwas teurer. Was die Kalex-Teile angeht, wird sich der Jahresbedarf zwischen 180.000 und 200.000 Euro einpendeln."

Frage: "Hättet Ihr bei den Moto3-Teams ein Mitspracherecht bei der Fahrerwahl? Oder habt Ihr ganz konkret bestimmte Fahrer im Auge und wählt danach die Teams auf, mit denen Ihr zusammenarbeiten wollt?"
Baumgärtel: "Wir mischen uns da gar nicht ein. Natürlich muss man sich in dem Dreieck Fahrer-Team-Budget irgendwo wiederfinden. Letztlich muss ein Team auch ein entsprechendes Budget bereitstellen. Die Kombination Fahrer-Team ist ausschlaggebend."

Bradl ist ein Glücksgriff

Stefan Bradl

Stefan Bradl hat sich für Kalex als Glücksgriff herausgestellt Zoom

Frage: "Ein guter Fahrer ist sicherlich nicht zu unterschätzen, wie man derzeit in der Moto2 sieht, wo Stefan Bradl die Marke Kalex bekannter macht."
Baumgärtel: "Kein Frage, Stefan ist unser bestes Pferd im Stall, das kann man schon so sagen. Er ist für uns ein Glücksgriff. Die Kombination zwischen Technik, Team und Fahrer passt einfach gut. Es geht nie allein, sondern alle drei Komponenten müssen funktionieren. Aktuell stehen wir da natürlich ganz gut da."

Frage: "Wie kam der Kontakt zu Bradl und dem Kiefer-Team im vergangenen Jahr zu Stande?"
Baumgärtel: "Ganz normal, wir haben einfach ein Angebot unterbreitet, das offensichtlich attraktiv genug war. Vielleicht hat die räumliche Nähe zwischen unserem Werk und dem Kiefer-Team auch eine Rolle gespielt."

Frage: "Inwieweit muss Kalex durch das Moto3-Engagement seine Kapazitäten in Bobingen aufstocken?"
Baumgärtel: "Im Bereich der Fahrerlagerbetreuung werden wir uns auf jeden Fall mit einem Mann verstärken. Was die Produktionskapazitäten angeht, verfügen wir bereits über die Ressourcen, auf die wir zurückgreifen können. Was die ganze Logistik angeht, werden wir alles noch genauer planen müssen. Da werden wir uns sicherlich auch noch mit einem Mann verstärken. Für besonders arbeitsreiche Phasen steht uns im Haus eine ausreichende Anzahl an Ingenieuren zur Verfügung, die wir im Prinzip spontan einbinden können. Das sind alles erfahrene Leute, mit denen wir bereits früher zusammengearbeitet haben."

Frage: "Mit wie vielen Motorrädern möchte Kalex 2012 in der Moto2 antreten?"
Baumgärtel: "Da limitieren wir uns auf acht Fahrer. Das ist ein Umfang, den wir noch gut bewältigen können, ohne uns zu viel auf die Schultern zu laden. Wir wollen weiter versuchen, die bestmögliche Betreuung sowohl für die Teams in Bezug auf der Versorgung mit Teilen als auch für die Fahrer zu gewährleisten. Man muss den Fahrern zuhören. Man kann nämlich nie sagen, dass ein bestimmtes Setup für Fahrer X genauso gut funktioniert wie für Fahrer Y. Deshalb braucht man einen guten Draht zum Fahrer. Diese Art der Betreuung werden wir weiter durchziehen, denn das ist etwas, das uns einen guten Ruf im Fahrerlager verschafft hat."

Ständige Weiterentwicklung des Moto2-Chassis

Kalex wird seine Kapazitäten für die kommende Saison aufstocken Zoom

Frage: "Was ist in Bezug auf die Weiterentwicklung des Moto2-Chassis geplant?"
Baumgärtel: "In Sachen Gewicht stehen wir ziemlich gut da, aber im Bereich der Aerodynamik kann man natürlich immer etwas machen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr haben wir relativ große Fortschritte gemacht. In unserem ersten Jahr hatten wir drei Evolutionsstufen beim Rahmen und der Schwinge. Daraus haben wir unsere Schlüsse gezogen. Daraus ist dann das 2011er-Motorrad entstanden."

"Für 2012 werden wir erneut ein Feintuning betreiben, da wir in Bezug auf die Steifigkeit und das Vorderrad-Gefühl ganz gut dastehen. In diesem Zusammenhang lernen wir derzeit auch etwas von Randy Krummenacher, der ja mit Kayaba-Federelementen unterwegs ist. Die anderen Drei fahren mit Öhnlins. Dadurch sammeln wir zusätzliche Erfahrungen und können auch in Zukunft saubere Pakete anbieten."

Frage: "Folgt dann in der Winterpause ein großer Evolutionsschritt oder bringt Ihr laufend Neuerungen ans Motorrad?"
Baumgärtel: "Wir probieren eigentlich ständig etwas Neues aus. Für 2012 wollen wir Nuancen verbessern. Letztlich bedeutet das aber, dass man doch wieder rund 80 Prozent der Teile anfasst und versucht, das Gewicht weiter zu reduzieren oder die Performance zu steigern."

Frage: "Stefan Bradl führt die Moto2-Weltmeisterschaft derzeit an. Sind seine konstant guten Leistungen auch auf das Material zurückzuführen?"
Baumgärtel: "Wir haben daran natürlich einen gewissen Anteil. Aber es kommt auf mehrere Faktoren an. Unser Einstieg 2010 war eigentlich auch schon sehr gut, als Sergio Gadea in Mugello Zweiter wurde. Dann geriet er aber in ein Formtief und kam erst gegen Ende der Saison zurück. Mit Randy Krummenacher haben wir derzeit einen Fahrer, dem wir es zunächst nicht zugetraut hätten, so weit vorne mit dabei zu sein. Aleix Espargaro hat sich im Trockenen inzwischen auch in den Top 5 etabliert."

"Aber na klar, Bradl ist natürlich eine Ausnahmeerscheinung. Seine Dominanz in Katar hat uns selbst überrascht. Dass es recht gut losgehen würde, konnte man bereist beim Test in Anschluss an das letzte Rennen 2010 in Valencia erkennen. Da ist er zum ersten Mal unser 2011er-Motorrad gefahren und konnte auf Anhieb seine schnellste Rennrunde wiederholen. Das war ein guter Auftakt für uns, denn wir wussten dann, dass die Basis stimmt. Wir sind mit unserer Performance zufrieden. Die Teams sind mit der Qualität, die sie sowohl bei unseren mechanischen Bauteilen erhalten, als auch durch unseren Service im Fahrerlager, zufrieden."

"Um auf die Frage zurückzukommen: Ja, das Material hat einen gewissen Einfluss, aber letztlich ist es der Fahrer. Ihn muss man verstehen können. Ihm muss man sämtliche Möglichkeiten geben, damit er Vertrauen aufbauen kann. Das ist anders als beim Automobil, wo der Fahrer keinen so großen Einfluss hat, weil die Verletzungsgefahr eine ganz andere ist. Wir müssen einem Motorradrennfahrer immer das geben, damit er sich an die 99 Prozent herantraut. Sobald er über die 100 Prozent hinausgeht, tut es meistens sofort weh."

"Das Feingefühl gemeinsam mit den Technikern und Fahrern zu entwickeln, macht eine Menge aus, um die kleinen Schritte zu unternehmen, die das Vertrauen bringen. Wir verfügen über eine gute Aerodynamik, das zeigen unsere Topspeedwerte. In Sachen Gewicht sind wir relativ gut, wir haben das leichteste Motorrad. Unsere technische Basis ist also gewiss nicht schlecht. Aber von den Herstellern, die in diesem Jahr in der Moto2 noch dabei sind, sind alle gut."

Keine Unterschiede zwischen Pons-Kalex und Kiefer-Kalex

Sergio Gadea

Sergio Gadea feierte in Mugello 2010 des ersten Podiumsplatz für Kalex Zoom

Frage: "Rechnet Ihr Euch Chancen aus, auch in der Herstellerwertung am Ende ganz oben zu stehen?"
Baumgärtel: "Das ist schwierig, denn wir treten ja eigentlich mit zwei Marken an. Zum einen als Kalex gemeinsam mit Kiefer und dem Racing Team Switzerland, also Bradl und Krummenacher. Zum anderen gibt es die Pons-Kalex mit Aleix Espargaro und Axel Pons. Die Nennung 'Pons-Kalex' ist eigentlich ein Zugeständnis von uns an Sito Pons, der bereits im ersten Jahr an uns geglaubt hat."

"Für einen Quereinsteiger wie uns war es nicht so einfach, sich im Motorradbereich zu etablieren. Dadurch, dass wir nur zwei Fahrer pro Marke haben, wird es letztlich ein bisschen schwieriger, den Konstrukteurstitel zu gewinnen. Sollte Bradl aber weiter so wie bisher fahren, ist aber alles möglich. Das wäre nicht schlecht - nein, das wäre der Hammer!"

Frage: "Unterscheidet sich denn die Pons-Kalex technisch von der Kiefer-Kalex?"
Baumgärtel: "Im Grunde sind beide identisch. Aber es gibt natürlich fahrerspezifische Kompontenten. Wir geben da jedem genau das, was er braucht. Aber das Grundkonzept ist identisch, jeder erhält die gleiche technische Unterstützung und das gleiche Material. Es sind also alle auf dem gleichen Level."

Frage: "Ist für Kalex langfristig ein Einstieg in die MotoGP denkbar, beispielsweise im Rahmen des kommenden CRT-Reglements?"
Baumgärtel: "Für 2012 war das noch kein Thema für uns. Das Reglement hat noch nicht die Stabilität geboten, um dort einzusteigen. Für mich braucht es da einen Dreijahresplan mit einem Team, um eine saubere Strategie aufbauen zu können. Außerdem ist das auch ganz klar eine Frage des Budgets. Insofern haben wir uns jetzt zunächst für die Moto3 entschieden, da das eine Geschichte ist, die wir sehr, sehr gut stemmen können."

"Die MotoGP ist jedoch etwas, das wir im Hinterkopf haben. Sollten sich die Rahmenbedingungen dahingehend verändern, dass man dort erfolgreich einsteigen kann, lautet unsere Antwort ganz klar: ja. Aber wie gesagt: Die Rahmenbedingungen müssen passen, damit man sich dort ordentlich verkaufen kann und nicht Gefahr läuft, sich finanziell in ein Fiasko zu stürzen."