Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!
Für Kalex gilt: Es kann losgehen!
Kalex-Chef Alex Baumgärtel im Exklusivinterview über die Arbeit an der neuen Moto2, die Standortbestimmung und die Ziele für die Premierensaison 2010
(Motorsport-Total.com) - Vor rund einem Jahr reifte bei Alex Baumgärtel und seinem Partner Klaus Hirsekorn die Idee, mit ihrer Firma Kalex ein Motorrad für die neue Moto2 zu bauen. Also machten sich die beiden Rennsportexperten aus dem schwäbischen Bobingen auf, begannen mit der Entwicklung und suchten nach Partnerteams. In Spanien wurden sie fündig: Sito Pons war vom Konzept der deutschen WM-Neulinge überzeugt und so schlug die Geburtsstunde von Pons-Kalex.

© Pons-Kalex
Sergio Gadea fuhr beim Test mit der Pons-Kalex vorne mit
Seitdem sind in unzähligen Arbeitsstunden die Prototypen entstanden, mit denen Sergio Gadea und Axel Pons in der Premierensaison der Moto2 an den Start gehen werden. Und bevor es zum finalen Test in Jerez und zum Saisonstart nach Katar geht, hat sich Kalex-Chef Alex Baumgärtel mit 'Motorsport-Total.com' zum Exklusivinterview getroffen. Darin spricht er über die arbeitsreichen Wintermonate, verregnete Testfahrten, die aktuelle Standortbestimmung, den Denkansatz bei der Entwicklung und die Zielsetzungen für die Saison und die Zukunft.#w1#
Frage: "In gut zwei Wochen wird es ernst. Wie ist bei euch der Stand der Dinge und wo gibt es noch offene Baustellen?"
Alex Baumgärtel: "Die offenen Baustellen sind aktuell eigentlich nur noch die letzten Ersatzteile, die werden aber rechtzeitig fertig, damit bis zum letzten Test in Jerez alles komplett ist. Von dort aus wird dann alles nach Katar verschifft, deshalb wollen wir bis Jerez alles komplett haben - damit wir im Handgepäck nichts mehr mit nach Katar nehmen müssen."

© Pons-Kalex
Am Firmensitz im schwäbischen Bobingen werden die Bikes entwickelt und gebaut... Zoom
Frage: "Damit liegt ihr also gut im Zeitplan?"
Baumgärtel: "Ja, wir sind im Plan. Hinten raus wird natürlich noch die letzte Minute ausgereizt, aber es funktioniert noch so gerade."
Frage: "Könnt ihr nach den bisherigen Tests schon einordnen, wo ihr steht oder fischen alle noch im Trüben?"
Baumgärtel: "Das ist ganz schwer zu beurteilen. Die Bedingungen waren bisher bei allen Tests vom Wetter her schlecht. Die Bedingungen haben ständig gewechselt und es war nie konstant trocken. Die Asphalttemperaturen waren niedrig und es gab eigentlich nur mittags ein Fenster von vielleicht einer Dreiviertelstunde, in dem es einigermaßen Grip gab. Das war bei jeden Test vielleicht an einem Tag so. Von daher kann man ganz schwer etwas sagen. Aber die Probleme hatten alle und deshalb ist es doch irgendwie repräsentativ. Doch es wird sich auch zeigen, wie die Bedingungen dann in Katar sind, was ja der erste Gradmesser ist."
Frage: "Wie sehr hat euch das schlechte Wetter beeinträchtigt?"
Baumgärtel: "Es fehlt einem einfach das gute Gefühl, dass man auf Zeiten fahren konnte. Natürlich hat man die Fahrzeugbeanspruchung und so weiter, aber gerade, was den letzten Grip angeht, braucht man natürlich auch ein gewisses Temperaturfenster. Und mit dem Grip steigt die Geschwindigkeit, wobei dann andere Symptome, Fahrwerk, Setup und so weiter auftauchen. Aber es war für alle das gleiche Thema. Man kann es sich immer besser wünschen, aber ideal ist es natürlich nie."
Frage: "Wie schwierig wird es dann, wenn das erste Rennen unter komplett anderen Bedingungen stattfindet? Getestet wurde bisher im winterlichen Spanien, jetzt geht es in die Wüste, der Temperaturunterschied kann bei 30 Grad oder mehr liegen?"
Baumgärtel: "Es ist ein Nachtrennen, von daher werden die Temperaturen auch relativ niedrig sein. Und Santi Mulero, der Techniker von Pons, hat da jahrelange Erfahrung. Von daher denke ich, dass wir schnell das passende Setup haben werden. Wir haben sehr viel probiert, auch in kleinen Schritten, unterschiedliche Chassis- und Schwingensteifigkeiten getestet. Da ist wirklich viel gemacht und Grundwissen aufgebaut worden. Ob das jetzt alles zum Speed beiträgt, ist aber wieder ein anderer Punkt, weil eben die Randbedingungen nie konstant waren. Doch er hat ein großes Knowhow aufgebaut, die Fahrer haben viel probiert, konnten sich steigern und haben an Selbstvertrauen gewonnen."

© Pons-Kalex
... an der Rennstrecke werden sie dann auf Herz und Nieren geprüft Zoom
"Wir hatten auch bei den bisherigen Tests nur jeweils einen Sturz oder so, was für uns auch ein Zeichen ist, dass die Fahrer ein gutes Gefühl für das Vorderrad haben. Sie können also einfach relativ schnell fahren. Aber man weiß natürlich nie, ob die Fahrer schon voll gepusht haben. Es gibt andere, die permanent an die Grenze gehen und damit auch sehr schnell sind, aber eben oft stürzen. Das wird sich alles erst im Rennen zeigen."
Frage: "Euer Motorrad hat im Fahrerlager schon viel Lob bekommen..."
Baumgärtel: "Diese Wertschätzung tut Rookies wie uns natürlich schon gut, dass anerkannt wird, dass wir auf Anhieb ein ansprechendes und weitgehend fehlerfrei funktionierendes Produkt an den Start gebracht haben. Sergio Gadea platziert sich als schnellster 125er-Aufsteiger im Feld, Axel Pons liegt in seiner zweiten Saison knapp hinter Sergio. Das tut gut und zeigt, dass die Jungs sich entwickeln können, auch auf dem Motorrad."
"Das ist für uns positiv, so müssen wir weitermachen. In den Topspeedwerten lagen wir beim Test in Valencia auf den Plätzen eins und fünf. Also auch da gab es für uns ein gutes Feedback, denn das sind klare Zahlen. Jetzt müssen wir eine gute Saison abliefern, damit wir im nächsten Jahr verkaufstechnisch mit mehr Leuten ins Geschäft kommen können und an das anknüpfen können, was wir bis jetzt gemacht haben."
Nur ein Team: Vor- und Nachteile
Frage: "Ihr hattet eigentlich auch vor, mit mehreren Teams zusammenzuarbeiten, nun liefert ihr aber nur an Pons. Wo liegen die Vorteile, wenn man nur mit einem Team arbeitet und wo die Nachteile?"
Baumgärtel: "Der Vorteil ist, dass man sich komplett auf das eine Team konzentrieren kann. Das ist gut für das Team und gewissermaßen auch für uns, weil wir nicht so viel Manpower brauchen. Der Nachteil ist, dass man nur in eine Richtung läuft, was Setup, Fahrverhalten oder sonstiges angeht. Denn das wird ja doch bis zu einem gewissen Maß vom Technischen Direktor oder Chefingenieur vor Ort gesteuert. Das reduziert das Knowhow, das andere brauchen könnten."
"Das Gute ist, dass Pons sehr professionell und erfahren ist, wir sind also nicht mit irgendwelchen Nobodys unterwegs. Aber man kann sich dann auch nicht hinter den Teams verstecken. Wenn jemand viele Teams ausrüstet, kann man darauf verweisen, dass manche Piloten ganz vorn sind, während andere hinterherfahren. Man kann also sagen: 'Am Motorrad liegt es nicht, das kann es'. Diese 'Ausrede' haben wir nicht. Wir haben nur einen Gradmesser und der ist eher subjektiv als neutral. Doch wir fühlen uns in der Position wohl, es sieht alles gut aus."
"Es ist natürlich auch wirtschaftlich ein Thema, ob man seine Entwicklungskosten auf zwei, vier oder sechs Motorräder auslegen kann. Vom Aufwand her macht es im ersten Schritt nicht viel Unterschied, ob man für zwei oder sechs Motorräder entwickelt. Man muss halt die Kapazitäten für die Fertigung schaffen, aber ob man 20 oder 50 Teile auf den Bestellzettel schreibt, ist dann egal."
Frage: "Wieviele Leute bauen bei euch, also Kalex und der Holzer-Gruppe, an den Motorrädern?"
Baumgärtel: "Eigentlich die komplette Fertigung. Pons hat jetzt noch Ersatzteile für beide Motorräder bestellt, zwei Rahmen, zwei Schwingen, Tanks und so weiter. Zudem wird schon für die nächsten Spares vorbereitet, es wird also schon in drei Schichten gefräst. Insgesamt stecken da schon 15 Mann dahinter, die immer wieder gebraucht werden. Dazu kommt die Dokumentation, wir machen noch die letzten Explosionszeichnungen fertig, damit das Team gut informiert ist."
Noch einmal Selbstbewusstsein tanken
Frage: "Was sind die Hausaufgaben beim letzten Test in Jerez?"
Baumgärtel: "Hoffentlich bei besserem Wetter noch einmal wirklich zu schauen, wo man steht. Das braucht man als Fahrer und als Team, um mit einem gewissen Selbstbewusstsein in Katar anreisen zu können. Die Psychologie spielt ja auch immer eine Rolle, damit man im ersten Training nicht in Panik verfällt oder ähnliches. Denn da kann man viel verschießen und die Trainingszeit ist knapp, bevor es ins Qualifying geht."

© Pons-Kalex
Alex Baumgärtel legt immer wieder selbst mit Hand an Zoom
"Zudem kommen jetzt wohl auch noch einmal neue Reifen - zum letzten Test. In dem Sinne gibt es in Sachen Kinematik noch einmal etwas zu testen, also Hinterradübersetzung. Dazu kommen noch ein paar neue Kleinigkeiten wie Leichtbauvarianten. Und es wird weiter am Setup gearbeitet."
Frage: "War es schwierig, so lange am Motorrad zu planen und zu bauen, ohne den Einheitsmotor von Honda zu haben?"
Baumgärtel: "Das war eigentlich irrelevant. Wir hatten CAD-Daten, also wusste ich, wie der Motor aussieht. Er unterscheidet sich ja nur in ganz kleinen Nuancen vom Standardmotor, nach außen hin. Was innen ist, ist mir als Konstrukteur sozusagen egal. Die Informationen waren okay und der Motor, den wir hatten, war zumindest vom dem, was die Daten zeigen, nah dran. Aber für dich als Team sind beim Vortesten natürlich Kosten entstanden, weil man trotzdem einen Motor machen musste und die ganzen Anschaffungskosten hatte."
Frage: "Gab es in den vergangenen Monaten noch 'Überraschungseier' für euch, also etwas völlig Unerwartetes, das euch gezwungen hat, noch mal komplett umzuplanen?"
Baumgärtel: "Für uns nicht, nein. Die Informationen über die Reifen sind zwar spärlich, aber ich denke, sie haben sich da auch zurückgehalten, damit es nicht im Vorfeld große Diskussionen gibt. Genauso war es ja beim Motor, wo es keine konkreten Aussagen gab, wie viel Leistung er faktisch hat. Ich verstehe es irgendwo, denn ich möchte als Hersteller auch nicht im Vorfeld schon eine große Diskussion haben und Gott und der Welt erklären müssen, weshalb was wie wo ist. Ich denke, dass die Informationen jetzt während der Saison klarer fließen, weil jeder klarer damit arbeitet und nicht vorweg rumdiskutiert."
Klassisch statt exotisch
Frage: "FTR-Chef Steve Bones hat auf Kritiken, der Moto2 mangele es an Innovationen, geantwortet, dass nicht die Hersteller, sondern die Teams keine Experimente wagen wollten. Habt ihr das auch festgestellt oder konntet ihr eurer Kreativität relativ freien Lauf lassen?"
Baumgärtel: "Wir hatten uns von Anfang an entschieden, nichts Exotisches zu machen. Genau aus diesem Verständnis heraus. Zum einen kommen Fahrer zum Einsatz, die schon auf ein gewisses Feedback trainiert sind. Es ist ja nicht so, dass es irgendwelche Kids sind, die man auf Minibikes setzt und die dort das Schwimmen lernen. Denen kann ich ein anderes Feedback geben. Aber das sind Profis, die schon seit zehn Jahren fahren und genau auf solche Geschichten geschult sind."

© Pons-Kalex
Kalex hat bei der Moto2 bewusst auf revolutionäre Experimente verzichtet Zoom
"Deshalb glaube ich selbst nicht daran, dass man bei Vorderradführungen, Gabeln und so viel experimentieren sollte. Wenn es von der Simulation her besser ist, aber du dem Fahrer nicht das Feedback geben kannst, dann hilft es ja auch nichts. Du musst dem Fahrer, der ja immens wichtig ist, sein antrainiertes Gefühl geben. Deshalb wird jedes Motorrad auf den Fahrer abgestimmt. Er mag es so und er kann damit umgehen. Wenn ich dem eine neutrale Vorderradführung gebe, die zwar in Simulationen, physikalisch berechenbar x-mal schneller ist, er es aber nicht umsetzen kann, weil er nicht fühlt, wo der Grenzbereich ist, dann bringt mir die ganze Theorie nichts. Deshalb haben wir auf exotische, neue Entwicklungen verzichtet, sondern ein ganz klassisches Rennmotorrad gebaut, das aber in kleinen Details Optima bietet."
Frage: "Denkst du, dass es in der zweiten Moto2-Saison oder den nächsten Jahren, wenn sich erst einmal alle in der neuen Serie eingelebt haben, bei manchen mehr Mut zum Experimentieren gibt?"
Baumgärtel: "Es wäre für mich natürlich auch interessant. Aber wir als Neueinsteiger brauchen ja zunächst nichts Revolutionäres versuchen. Da würde einem jeder den Vogel zeigen und sagen 'Schau sie dir an, die Rookies, noch keine Erfahrung, wollen aber schon was weiß ich was...'. Man ist sich ja auch selbst darüber bewusst, dass man erst einmal ein Lehrjahr hat und schaut, dass man möglichst wettbewerbsfähig ist und keine Fehler macht. Als Ingenieur wäre es natürlich schon toll, wenn man noch einen Kick mehr machen könnte außer hübsch und schnell - sondern auch noch extrem clever. Aber so etwas hat sich bis dato noch nirgends wirklich durchgesetzt."
Jetzt wird es ernst
Frage: "Der Saisonauftakt steht bevor. Wie hoch ist der Puls und was erwartet ihr euch von diesem Jahr?"
Baumgärtel: "Der Puls kann jetzt noch gar nicht pumpen, ich glaube, das kommt in Katar oder wenn man in den Flieger nach Katar einsteigt. Ansonsten sind wir mit unseren Hausaufgaben ausreichend beschäftigt. Und was die Erwartungen angeht: Es ist noch gar nicht klar, was man sich wirklich wünschen kann und was nicht. Ein Wunsch wäre natürlich, Punkte zu sammeln und beide Fahrer immer möglichst weit vorn zu sehen. Und da keine große Grätsche aufspringen zu lassen, so dass wir wirklich beide Fahrertypen technisch sauber bedienen können. Der eine wiegt 15 Kilo mehr als der andere, das sind ja auch immer noch so kleine Faktoren. Dann wollen wir kontinuierlich kleine Entwicklungsschritte machen und wenn nötig auch große, also eine Lernkurve darstellen. Wenn uns das gelingt, kommen dann auch die Ergebnisse, hoffe ich."
"Sich jetzt schon vorn zu wünschen, ist glaube ich schwierig, wenn man sieht, wo die ersten sechs herkommen. Das sind alles MotoGP-Absteiger oder Quereinsteiger aus den Viertaktklassen. Da wird sich zum einen zeigen, wie sie sich auf den Grand-Prix-Strecken verhalten. Denn bisher waren es ja alles spanische Strecken, auf denen die Jungs auftrumpfen konnten, die aus der spanischen Meisterschaft kommen. Und es hängt auch davon ab, wie die Lernkurven der Zweitaktfahrer sind. Es wird sehr, sehr interessant, wie sich das alles balanciert. Man soll uns die Daumen drücken."

