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  • 11.04.2011 00:09

  • von Mario Fritzsche & Pete Fink

Will Power gewinnt Barber-Crashfest!

Penske-Pilot Will Power sichert sich in einem wilden IndyCar-Rennen den Sieg vor Scott Dixon - Danica Patrick nach misslungenem Strategiepoker auf P17

(Motorsport-Total.com) - Start-/Zielsieg bei den IndyCars: Polesitter Will Power (Penske) lag jede einzelne der 90 Runden im Barber Motorsports Park in Front und gewann damit sein erstes Saisonrennen vor dem Ganassi-Duo Scott Dixon und Dario Franchitti. Doch hinter diesem Trio war der Sonntagabend geprägt von zahlreichen Kollisionen und Ausrutschern. Der amtierende Vizechampion aus Australien behielt jedoch stets die Übersicht und am Ende folgerichtig die Oberhand.

Titel-Bild zur News: Will Power

Penske-Pilot Will Power drückte dem Rennen klar seinen Stempel auf

"Es ging heute vor allem darum, bei jedem Restart auf der Hut zu sein. Alles in allem war es ansonsten ein sehr entspanntes Rennen für mich", freute sich Power nach dem zehnten IndyCar-Sieg seiner Karriere. Marco Andretti war als Vierter bester Vertreter des Vier-Wagen-Teams von Andretti Autosport, Newman/Haas-Pilot Oriol Servia sicherte sich Rang fünf.

Auf Platz sechs folgte der beste KV/Lotus mit Tony Kanaan am Steuer. Sein brasilianischer Landsmann Helio Castroneves (Penske) belegte Rang sieben vor einem stark auftrumpfenden Simon Pagenaud (Dreyer & Reinbold). Der 26-jährige Franzose bestritt in Birmingham sein erstes Rennen überhaupt unter IndyCar-Regularien und kam nur durch den verletzungsbedingten Ausfall von Ana Beatriz zum Einsatz.


Fotos: IndyCars in Barber


Polesitter Power führte die 26 Wagen starke IndyCar-Meute in die 90-Runden-Hatz. Der Start, sowie die Einfahrt in die erste Kurve gelangen anders als beim Saisonauftakt in St. Petersburg reibungslos. Doch dann wurde es turbulent: Nur wenige Meter später fabrizierte IndyCar-Debütant James Hinchcliffe (Newman/Haas) ausgangs Turn 2 mitten im Feld einen Dreher, konnte seine Fahrt aber ohne Beschädigung des Wagens fortsetzen.

Turbulente Startphase

In einem separaten Zwischenfall gerieten ebenfalls noch in der Startrunde Raphael Matos (AFS) und J.R. Hildebrand (Panther) ausgangs Turn 5 aneinander. Der Dallara von Matos schoss quer über die Strecke und kam auf der anderen Seite der Piste zum Stehen. Die erste Caution des Tages war die Folge, wodurch der Brasilianer wieder zum Feld aufschließen konnte.

Im Gegensatz dazu erwischte Tony Kanaan (KV/Lotus) einen regelrechten Traumstart. Auf der linken Fahrbahnseite vernaschte der aus der zwölften Startreihe ins Rennen gegangene IndyCar-Routinier im Verlauf der ersten halben Runde nicht weniger als zehn (!) Gegner und wurde nach Runde eins bereits auf Rang 14 notiert.

Beim Restart folgte ein Dreher von Dale-Coyne-Rookie James Jakes, während Castroneves ausgangs Turn 1 mit den rechten Rädern neben die Strecke geriet, jedoch ohne großen Zeitverlust weiterfahren konnte. An der Spitze kontrollierte derweil dessen Penske-Teamkollege Power das Geschehen. Dahinter folgte der dritte Penske-Dallara mit Ryan Briscoe am Steuer sowie der schnellste Ganassi-Pilot, Scott Dixon.

In Runde 14 eröffnete Ryan Hunter-Reay als erster den Reigen der Boxenstopps unter Grün. Der Andretti-Pilot befand sich damit anders als die Führenden von Beginn an auf einer Dreistoppstrategie. Mangels Gelbphase folgte ihm im Verlauf der nächsten Runden Fahrer für Fahrer unter Renntempo. Leader Power fuhr in Runde 32 bei der Penske-Truppe vor und bestimmte auch nach der ersten Runde der Pitstops das Tempo. Dixon konnte sich im Zuge der Stopps an Briscoe vorbei auf Rang zwei nach vorne schieben.

Will Power

Power konnte sich bei den zahlreichen Restarts regelmäßig vom Feld absetzen Zoom

Viso sorgt wieder für Unmut

Unterdessen entwickelte sich Takuma Sato (KV/Lotus) zum Spezialisten darin, die Gegner mit Spätbremsmänovern auf der Innenseite von Turn 5 zu überrumpeln. Nachdem ihm ein solcher Überraschungsangriff unter anderem gegen Graham Rahal (Ganassi) gelungen war, übertrieb es der Japaner kurze Zeit später allerdings beim Versuch, Castroneves zu kassieren. Der dunkelgrüne KV/Lotus von Sato drehte sich nach einer Berührung nach innen weg und verlor wertvolle Sekunden.

Die enge Linkskurve Nummer fünf sah wenig später eine weitere Kollision, als Graham Rahal und J.R. Hildebrand aneinander gerieten. Für Rahal, der sich bei der optimistischen Aktion die rechte Vorderradaufhängung verbog, war der Tag in Alabama gelaufen. Alex Tagliani (Sam Schmidt) sorgte in Runde 37 für die zweite Full-Course-Yellow. Der Kanadier verlor seinen Boliden in der langgezogenen Rechtskurve kurz vor Start und Ziel aus der Kontrolle und blieb im Kiesbett stecken. Die Führenden blieben allesamt auf der Strecke. Ab Platz sieben gingen die Fahrzeuge ein weiteres Mal an die Box.

Graham Rahal

Für Graham Rahal war nach Kollision mit J.R. Hildebrand früh Feierabend Zoom

Beim folgenden Double-File-Restart gerieten Dario Franchitti (Ganassi) und Ryan Briscoe zwischen den Kurven eins und drei gleich mehrfach aneinander, bevor wiederum in Turn 5 das Chaos losbrach. Ernesto Viso (KV/Lotus) drehte sich auf der Außenbahn unter tatkräftiger Mithilfe von Simona de Silvestro. Der Dallara des Venezolaners stand quer zum Feld. De Silvestro konnte nicht ausweichen und musste bis zum Stillstand verzögern. Caution Nummer drei war die Folge.

James Hinchcliffe war ebenfalls verwickelt. Der Bolide des Kanadiers wurde vom Heck des Viso-Autos erwischt. Hinchcliffe war im Anschluss wenig angetan vom Verhalten Visos: "Simona hat ihn angeschoben. Der Dreher war nicht sein Fehler. Dass er dann allerdings voll auf dem Gas blieb, anstatt die Kupplung und die Bremse zu treten, verstehe ich nicht. Es hat keinen Sinn mit ihm darüber zu sprechen, er lernt es sowieso nicht." Starke Worte des IndyCar-Debütanten. Eine hitzige Diskussion in der Boxengasse zwischen ihm und Viso war die Folge.

Hunter-Reay schießt Briscoe ab

Unterdessen behauptete Power auch beim nächsten Restart die Spitze vor Dixon. Im Hinterfeld krachte Mike Conway (Andretti) ausgangs Turn 4 in die Leitplanken. Vorausgegangen war eine Berührung mit Teamkollegin Danica Patrick auf der unübersichtlichen Kuppe. Die anschließende vierte Rennunterbrechung war jedoch nur von kurzer Dauer. "Ich kam über die Kuppe und ab ging die Post", erklärte Conway. "Ich glaube, ich habe wohl ihren Weg gekreuzt. Es war mein Fehler, aber ich bin okay."

Es ging Schlag auf Schlag weiter. Das nächste Scharmützel fochten Briscoe und Ryan Hunter-Reay im Kampf um Platz vier aus. In der schnellen Bergabschikane nahm der Andretti-Pilot den Penske-Fahrer aufs Korn. Für Briscoe war das Rennen im Kies der Auslaufzone beendet. Hunter-Reay konnte seine Fahrt fortsetzen, musste allerdings eine Penalty für vermeidbaren Kontakt einstreichen. Den folgenden Restart nahm der US-Amerikaner nur von Platz 18 aus in Angriff. Am Ende landete er auf Rang 14.

Ryan Hunter-Reay, Ryan Briscoe

Ryan Briscoe vor Ryan Hunter-Reay: Kurz darauf kam es zur Kollision Zoom

"Er hat es an einer Stelle versucht, wo es einfach nicht geht", zeigte sich Brisoce von der Aktion des Andretti-Fahrers enttäuscht. "Er fuhr einfach in mich hinein. Es ist frustrierend. Ich wollte beim letzten Stopp auf die Reds wechseln und die Ganassi-Jungs unter Druck setzen." Dazu kam es freilich nicht mehr. Während der Neutralisation des Rennens absolvierten die Topleute den zweiten Routinestopp des Tages. Power setzte für den Schlussspurt ebenso auf die weicheren Reds wie Dixon. Danica Patrick hatte bereits beim Stopp zuvor auf die weicheren Reifen gesetzt und verzichtete auf einen Wechsel der Pneus. Sie gewann dabei vier Plätze und nahm den folgenden Restart von Position drei aus in Angriff.

Restart um Restart: Power gegen Dixon

Bei diesem konnte sich Power ein weiteres Mal vor Dixon schadlos halten. Franchitti und Marco Andretti schoben sich schnell an Patrick vorbei, die auf ihren gebrauchten Reifen in Turn 5 auch Oriol Servia (Newman/Haas) ziehen lassen musste. Gleichzeitig sorgten im Hinterfeld Justin Wilson (Dreyer & Reinbold) und Raphael Matos mit einer Kollision für die nächste Unterbrechung.

Der mit einer Carbonstütze an der Hand fahrende Wilson musste daraufhin das Rennen beenden. "Es ist enttäuschend. Ich kämpfte mit Raphael um die Position. Ich dachte, er lässt mir etwas mehr Platz. Mein Wagen untersteuerte ziemlich stark, da ließ sich der Kontakt nicht vermeiden." Die Stütze an der Hand brach bereits in Runde 45 entzwei, wovon sich Wilson jedoch nicht beeindrucken ließ.

Den folgenden Restart in Runde 68 schien Dixon für einige Augenblicke besser als Power zu erwischen. Der Penske-Pilot setzte sich in Turn 1 allerdings energisch durch. Hinter dem Neuseeländer in Ganassi-Diensten folgten Franchitti, Andretti und Servia. Dahinter lieferten sich Patrick und Kanaan einen spannenden Kampf, bevor sich der Brasilianer auf der Innenseite von Turn 5 - wo sonst - durchsetzen konnte.

Patrick pokert falsch

Patrick wurde nun durchgereicht und musste fünf Runden vor Schluss schließlich doch noch einmal an die Box kommen und ihre abgefahrenen Reifen wechseln. Das Pokerspiel von Teamchef Michael Andretti ging somit nicht auf und der US-Superstar landete am Ende mit einer Runde Rückstand nur auf Rang 17. Gleiches gilt für Takuma Sato, der zu einem späten Tankstopp an die Box abbog und kurz vor Patrick als 16. gewertet wurde.

Danica Patrick

Der Strategiepoker von Danica Patrick ging nicht auf: Platz 17 war kein Trost Zoom

Die zweite Dame im Feld, Simona de Silvestro, zeigte erneut eine starke Leistung. Von Startplatz 13 aus ins Rennen gegangen, begann die Schweizerin bereits früh mit einer spritsparenden Fahrweise. Durch den Zwischenfall mit Viso fiel die HVM-Pilotin zwischenzeitlich weit zurück. Nach einer erneut sehr kämpferischen Leistung sprang am Schluss allerdings noch ein respektabler neunter Platz heraus.

Zwei Plätze hinter de Silvestro lief Sebastien Bourdais ein. Der Franzose hatte das gesamte Wochenende über mit dem Handling seines Dale-Coyne-Dallara zu kämpfen und erlebte ein schwieriges Comeback-Rennen. Im Kampf um die Spitzenplätze spielte er nie eine Rolle. Auffällig wurde Bourdais eigentlich nur durch eine leichte Kollision mit Sato, die beide jedoch unbeschadet überstanden.

Power am Ende souverän

Am Ende gab das Ganassi-Duo auf. Power fuhr seinen Start-/Zielsieg sicher nach Hause, während Dixon über dessen Verhalten bei den Restarts schimpfte. "Er hat mich immer fast auf das Gras gedrängt", lamentierte der Neuseeländer. Auch für Power waren die Restarts "der Schlüssel. Es kam eine Yellow nach der anderen. Aber ich startete immer innen und konnte das Ganze so kontrollieren."

Will Power, Dario Franchitti, Scott Dixon

Die Top 3 des Rennens: Dario Franchitti (3.), Will Power (1.), Scott Dixon (2.) Zoom

Einig war sich das unterlegende Ganassi-Duo darüber, dass "Will heute die bessere Balance" hatte. "Vor allem im dritten Stint habe ich meine Reifen zu sehr rannehmen müssen", gestand Franchitti ein. "Trotzdem haben wir beide ein gutes Resultat geholt." Hinter diesem Trio war Marco Andretti als Vierter Best-of-the-Rest.

"Es reicht nicht, wir haben zu wenig Grip", lautete seine Analyse. "Wir werden uns Gedanken machen, denn ich möchte den Spitzenleuten schon auf die Nerven gehen können." Tony Kanaan wiederum, der in der Gesamtwertung nun hinter Power und Franchitti Dritter ist, war "nicht glücklich mit seinem Auto. "Ich habe Takumas Setup benutzt und mir die Seele aus dem Leib gefahren. Wir haben noch viel Arbeit vor uns."

Viel Arbeit, aber nur sehr wenig Zeit, denn gleich am kommenden Wochenende steht dann einer der ganz großen IndyCar-Klassiker auf dem Programm: der Toyota Grand Prix of Long Beach. Auf dem legendären Stadtkurs in Kalifornien holte sich Andretti-Pilot Ryan Hunter-Reay im Vorjahr seinen einzigen Saisonsieg.