• 06.07.2008 23:52

  • von Pete Fink

Watkins Glen: Hunter-Reay mit kuriosem Premierensieg

Ryan Hunter-Reay gewann sein erstes IndyCar-Rennen vor Darren Manning und Tony Kanaan - Scott Dixon und Ryan Briscoe kollidieren hinter dem SafetyCar

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich sah am Sonntagabend über weite Strecken alles so aus, als wäre das "Camping World at The Glen" auf dem besten Wege, als ein ganz normales IndyCar-Rennen in die Geschichte einzugehen. Doch weit gefehlt, denn die Schlussphase von Watkins Glen sollte sich zu einer Kuriositätensammlung von besonders erlesener Güteklasse entwickeln.

Titel-Bild zur News: Ryan Hunter-Reay Rahal Letterman Watkins Glen

Ryan Hunter-Reay gewann in Watkins Glen sein erstes IndyCar-Rennen

Im Mittelpunkt standen dabei - unter anderem - die bis dato absolut bestimmenden Akteure Ryan Briscoe (Penske) und Scott Dixon (Ganassi), sowie indirekt und natürlich völlig unfreiwillig das SafetyCar. Denn der bisherige Saisondominator Dixon beging just in der letzten Gelbphase auf Platz zwei liegend einen eklatanten Anfängerfehler und drehte sich hinter dem PaceCar bei dem Versuch, seine Reifen auf Temperatur zu halten.#w1#

Direkt hinter dem Neuseeländer fuhr Briscoe, der Dixon nicht mehr ausweichen konnte, und in den Ganassi-Piloten hinein krachte. Damit war der Weg frei für Ryan Hunter-Reay (Rahal-Letterman), der mit einem beherzten Manöver nur noch den zu diesem Zeitpunkt in Führung liegenden Darren Manning (Foyt) zu überholen brauchte, und sein erstes IndyCar-Rennen überhaupt gewann.

Neben der kuriosen Schlussphase lieferte "The Glen" auch einen hektischen Beginn, der unter der Rubrik Favoritensterben einzuordnen war. Erst wurde der zweite Ganassi-Dallara von Dan Wheldon frühzeitig aller Chancen beraubt. Nach einem Kontakt mit Manning fiel der, spätestens nach seiner Bestzeit im WarmUp zu einem der Geheimfavoriten zählende, Brite mit einen Aufhängungsschaden bereits in Runde eins weit zurück.

Viele Favoriten out - Briscoe und Dixon dominieren

Ryan Briscoe Scott Dixon Ryan Hunter-Reay

Ryan Briscoe und Scott Dixon dominierten in Watkins Glen deutlich Zoom

Nur wenige Runden später rollte auch Glen-Pechvogel Helio Castroneves (Penske) ohne Vortrieb in die Box, konnte nach einer Reparaturphase jedoch wenigstens weiterfahren. Auch Justin Wilson (Newman-Haas), der aus Reihe eins gestartet war, stand viele Runden lang mit technischen Problemen beim Service - und musste später ganz aufgeben.

Während also viel Prominenz früh die Segel streichen musste, waren an der Spitze die Positionen schnell bezogen: Polesetter Ryan Briscoe (Penske) kontrollierte auf seinem erklärten Lieblingskurs das Geschehen, lediglich Dixon konnte dem Australier folgen. Auf Platz drei lag in Lauerstellung Hunter-Reay, der ehemalige ChampCar-Teamkollege von Timo Glock, vor einem lädierten Tony Kanaan.

Der Brasilianer verletzte sich bei einem Unfall im WarmUp am linken Handgelenk. Bitter für den Linkshänder, denn die Verletzung entstand nicht beim Einschlag, sondern bereits als sein Andretti-Green-Dallara aufgrund eines Aufhängungsdefektes urplötzlich ausbrach.

So plätscherte das elfte IndyCar-Saisonrennen in der Folge dahin, eindeutig bestimmt von Briscoe und Dixon, die im Parallelflug über zehn Sekunden zwischen sich und ihre Verfolger brachten. Doch dann drehte sich das Renngeschehen urplötzlich - und der Auslöser war eine Kollision, bei der wieder einmal Ernesto Viso (HVM) unangenehm auffiel, der Vitor Meira (Panther) ziemlich rüde von der Strecke räumte.

Chaos hinter dem SafetyCar

Danica Patrick

Danica Patrick schimpft nach ihrem Mauerkontakt in der Boxengasse Zoom

Dieser Zusammenstoß geschah in mitten einer Serie von Stopps unter Grüner Flagge, wobei unter anderem die beiden Führenden noch nicht beim Tanken waren. Natürlich ging das Feld nun fast geschlossen zum Service, wo Danica Patrick (Andretti-Green) für eine Schrecksekunde sorgte, als sie nach ihrem Reifenwechsel zu ungestüm auf das Gaspedal trat, und mit dem Frontflügel voraus in die Boxenmauer krachte. Es war das einzige Mal, dass das "Supergirl" in Watkins Glen in Erscheinung trat - am Ende wurde Patrick blasse 14.

Neuer Führender war plötzlich Darren Manning, der schon kurz vor der Gelbphase beim Tanken war, und daher nicht mehr an die Box gehen musste. Doch der Foyt-Pilot hatte jetzt natürlich das geballte IndyCar-Establishment im Nacken sitzen: Dixon und auch Hunter-Reay gingen während der Stopps an Briscoe vorbei, Kanaan lauerte auf Position fünf.

Der überrundete Ed Carpenter (Vision) stand hinter Manning dem zweit platzierten Dixon etwas im Weg herum, weswegen Letzterer den Restart verschlief, und sich im Stau dahinter Briscoe wieder an Hunter-Reay vorbei quetschen konnte. Doch ein Abflug von Enrique Bernoldi (Conquest) löste gleich in Turn 1 eine weitere Gelbphase aus.

Diese wiederum sollte dann kuriose Chaos von Watkins Glen so richtig entfachen: Erst sorgte Milka Duno (Dreyer and Reinbold), die zweite Rennamazone im Feld, für Aufsehen, als sie und A.J. Foyt IV (Vision) unter Gelb zusammenstießen. Daher musste die Cautionperiode noch einmal verlängert werden - und das sollte sich für Dixon und Briscoe rächen.

Hunter-Reay gewinnt sein erstes IndyCar-Rennen

Ryan Hunter-Reay Rahal Letterman Watkins Glen

Ryan Hunter-Reay jubelt über seinen ersten Sieg in der IndyCar-Serie Zoom

Denn ausgerechnet der bisherige Saisondominator und dreifache Saisonsieger drehte sich ohne Fremdeinwirkung hinter dem Safety-Car, als er versuchte seine Reifen warm zu halten. Direkt hinter Dixon kam Briscoe daher, der natürlich nicht mit solch einer seltsamen Aktion rechnete. Der ehemalige Toyota-Testfahrer konnte nicht mehr ausweichen und krachte in den Ganassi-Piloten hinein.

Damit war das Favoritensterben von Watkins Glen komplett und es schlug die Stunde der Außenseiter: Ryan Hunter-Reay kassierte Manning beim letzten Restart gleich in der ersten Kurve und fuhr anschließend vorne weg. Manning wiederum verteidigte seinen zweiten Platz mit allem was er hatte vor dem angeschlagenen Kanaan, der als Dritter wenigstens in der Gesamtwertung einen großen Sprung nach vorne machen konnte.

Vierter wurde in einem unterhaltsamen, und am Ende sehr kuriosen Indy-Grand-Prix Buddy Rice (Dreyer and Reinbold) vor Youngster Marco Andretti und den beiden starken Dale-Coyne-Piloten Bruno Junqueira und Mario Moraes. Für Dixon und Briscoe reichte es am Ende nur zu den Plätzen elf und zwölf.

Schlecht für die Beiden, aber gut für die IndyCars, denn in der Gesamtwertung schob sich die Spitzengruppe wieder etwas zusammen: Dixon führt zwar nach wie vor, aber mit Castroneves, Wheldon und Kanaan liegen nun gleich drei Piloten innerhalb von nur noch 66 Punkten wieder einigermaßen in Schlagdistanz. Watkins-Glen-Sieger Hunter-Reay machte natürlich den größten Satz von Platz 13 auf neun.