• 17.04.2008 14:08

  • von Pete Fink

Vorschau: ChampCar-Abschied in Long Beach

Markiert Long Beach wirklich nur den Abschied von den ChampCars, oder treten die 20 Piloten am Sonntag eine Reise in ein neues Zeitalter an?

(Motorsport-Total.com) - "Um diesen Sport weiter wachsen zu lassen, muss die Fehde aufhören. Wir alle wollen diesen Sport erfolgreich machen, es kann nicht länger ChampCar gegen IRL heißen, es kann nur eine IndyCar-Serie geben". Dieses Zitat stammt aus dem Munde von Graham Rahal und ist nur wenige Tage alt.

Titel-Bild zur News: Start in Long Beach 2006

Am Sonntagabend in Long Beach starten die ChampCars ein allerletztes Mal

Als Tony George im Januar 1995 den ersten Rennkalender der IRL veröffentlichte, welcher den Split im US-amerikanischen Formelsport sozusagen besiegelte, war der kleine Graham gerade einmal sechs Jahre alt. Heute ist er nach seinem Erfolg in St. Petersburg der erste ehemalige ChampCar-Pilot, der ein IndyCar-Rennen gewinnen konnte.#w1#

Nach Homestead war es der zweite Auftritt der frisch wiedervereinigten Serie und nicht einmal 500.000 US-Haushalte sahen an ihren Fernsehgeräten zu. Zum Debüt in Homestead waren es noch über 850.000 Menschen, während die NASCAR in ihren acht Saisonrennen - allerdings inklusive Daytona - im Schnitt 11,1 Millionen US-Haushalte vor die Bildschirme lockte.

Jeff Gordon ist einer der großen NASCAR-Stars und von ihm gibt es ein recht berühmtes Zitat: "Wenn jemand aus der damaligen CART-Serie Interesse daran gehabt hätte, mich zu engagieren, dann würde ich jetzt dort fahren", erklärte der vierfache NASCAR-Champion angesichts seiner Monoposto-Herkunft. "Aber es hat sich niemand für mich interessiert, denn alle wollten europäische und südamerikanische Piloten haben, die Erfahrung auf den Rundkursen besitzen."

Long Beach - das Top-Event des Jahres

Tony George und Kevin Kalkhoven

Tony George und Kevin Kalkhoven - durchaus ein historischer Moment Zoom

Was hat das alles mit Long Beach zu tun? Ganz einfach, diese Zahlen und Zitate bilden in aller Kürze den schonungslosen Zustand ab, in den sich der US-Formelsport in den vergangenen Jahren selbst hineinmanövriert hat - und dessen hoffentlich letzte Erinnerung an alte Zeiten am Wochenende in Südkalifornien aufflackert.

Anfang der 1990er Jahre befand sich die damalige CART-Serie auf dem besten Wege sogar der Formel 1 Konkurrenz zu machen. Knapp zwei Jahrzehnte später hinkt man weltweit der Königsklasse des Motorsports mindestens genau so weit hinterher, wie in den USA der NASCAR.

Das Long-Beach-Rennen wiederum war einer der Hauptgründe, warum diese Fehde überhaupt so lange andauern konnte. Denn was für Tony George das Indy 500 war, stellte für die CART/ChampCar-Fraktion Long Beach dar: Ein Rennen mit Kultstatus und einem Flair, das großes Interesse auch weit über die Grenzen Kaliforniens hinaus hervorbrachte.

Wie wichtig Long Beach auch in der neuen Konstellation der IndyCar-Serie ist, beweist die Tatsache, dass es um den Fortbestand dieses Rennen keinerlei Diskussionen gab. Sogar das seltsame Konstrukt mit zwei Rennen und zwei Fahrerfeldern an einem Wochenende - wobei aber in beiden Events Meisterschaftspunkte verteilt werden - wurde nur wegen Long Beach eingeführt. So elementar ist dieser Auftritt auch für die IndyCars.

Wer ist der Gute? Wer ist der Böse?

Jeff Gordon

Niemand wollte Ende der 1980er Jahre Jeff Gordon verpflichten... Zoom

Was aus der Vergangenheit bleibt, sind ein paar wesentliche Punkte: Es gibt kein Gut und Böse in dieser Geschichte. Natürlich war es zu Beginn der Streitigkeiten vor allem Tony George, der gegen die CART-Bosse schoss. Aber man muss auch verstehen, dass die IndyCars traditionell eine hauptsächlich amerikanisch geprägte Formelserie waren - und auch immer sein werden.

Indianapolis ist für die US-Monopostoklasse ein vielfach größeres Zentrum, als es etwa Monaco für die Formel 1 jemals darstellen kann. Was würden die Formel-1-Fans wohl denken, wenn Bernie Ecclestone plötzlich auf die Idee kommen würde, dass Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und Co. im Monat Mai vier Wochen lang im Fürstentum trainieren?

Das Beispiel von Jeff Gordon verdeutlicht dieses Problem nur allzu gut, denn es ist eine Tatsache, dass die amerikanischen Nachwuchspiloten durch die Invasion der prominenten Europäer und Südamerikaner in die Defensive gedrängt wurden. Emerson Fittipaldi und Nigel Mansell sind hier nur zwei Namen, die ihr Glück in den USA versucht haben - Mansell sogar als amtierender Formel-1-Weltmeister.

Wie die NASCAR mit diesem Problem umgeht, verdeutlicht die aktuelle Szenerie: Da wird sogar ein Jacques Villeneuve geopfert, wenn er nicht in der Lage ist, die notwendigen Sponsorengelder zu sammeln. Die einheimischen Piloten hingegen erfahren öffentliche Rückendeckung, und genau das ist es, was die Amerikaner sehen wollen.

Tony George gewinnt

Tony George

Tony George heißt der neue mächtige Mann im US-Formelsport Zoom

Das hat auch Tony George, der neue mächtige Mann im US-Formelsport, begriffen und mit Graham Rahal, Marco Andretti und Danica Patrick hat er dazu drei Kronjuwelen in seinem Lager aufzubieten. Trotzdem ist der Weg, um der NASCAR eine ernsthafte Konkurrenz darzubieten, noch hart und steinig.

Wie schwer das Überleben im Schatten des StockCar-Giganten ist, verdeutlichen die ChampCars. Ob die hartgesottenen Fans es nun wahr haben wollen, oder nicht - ohne die Privatschatullen von Kevin Kalkhoven und Gerald Forsythe wäre die Serie schon vor einigen Jahren den Bach hinunter gegangen.

Die Frage lautete eben genau nicht, ob die ChampCars überleben können würden, sondern nur: Wie lange noch? Long Beach ist am Wochenende also sozusagen eine Stätte der Wiedergeburt und weniger ein Abschiedsrennen, obwohl die Panoz DP01 ihren letzten Auftritt haben werden.

Zwei Drittel des aktuellen IndyCar-Fahrerfeldes sieht dabei zu, denn parallel fahren Tony Kanaan, Helio Castroneves und Co. in Motegi. Doch die fünf ehemaligen ChampCar-Teams, die die Wiedervereinigung mitgegangen sind, treten natürlich alle an der Pazifikküste an.

Long Beach ist das Monaco der USA

Graham Rahal

Graham Rahal ist einer der neuen jungen Hoffnungsträger der USA Zoom

Es ist die 34. Ausgabe des Grand Prix von Long Beach, der zwischen 1976 und 1983 als Formel-1-Event unter der Bezeichnung 'Großer Preis der USA West' durchgeführt wurde. So prominente Namen wie Gilles Villeneuve, Nelson Piquet oder Niki Lauda stehen in den Siegerlisten.

Auf den Straßen rund um das Convention Center am Hafen von Long Beach werden an allen drei Tagen wieder etwa 300.000 Zuschauer erwartet. Der Rekordhalter in Long Beach ist Al Unser Jr., der den Grand Prix alleine sechsmal für sich entscheiden konnte, während Mario und Michael Andretti zusammen fünfmal auf der obersten Stufe des Podiums standen.

Aufgrund seines Charakters als Straßenrennen und seiner Lage direkt am Pazifik - mit der Queen Mary und dem Hafen von Long Beach in unmittelbarer Nähe - wird das Rennen gerne als das Monaco der USA bezeichnet. Vor allem auch deswegen, weil meist der eine oder andere Prominente aus dem nahegelegenen Los Angeles ein Stelldichein in der Startaufstellung gibt.

"Long Beach war im ChampCar-Kalender immer unser Top-Event", gab Kevin Kalkhoven im Vorfeld zu Protokoll. "Es gibt wohl keinen besseren Ort, um die ChampCars zu feiern und gleichzeitig zu signalisieren, dass mit dem Grand Prix von Long Beach auch ein neues Zeitalter beginnt."

Dies wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass sich Tony George und viele IndyCar-Offizielle, sowie einige der Piloten und Teamchefs, sofort nach Fallen der Zielflagge in Motegi auf den Weg nach Long Beach machen werden. "Es wird ein großartiges Wochenende und wir werden alles daran setzen, dass beide Rennen zu einem Weltklasse-Event werden", versprach der IndyCar-Chef.

Fährt Paul Tracy mit?

Paul Tracy

Ein Mitwirken von Paul Tracy sollte irgendwie möglich gemacht werden... Zoom

Während man gespannt sein kann, ob Paul Tracy tatsächlich an den Start gehen wird, oder nicht - auf der Meldeliste steht der Kanadier, aber das will in dem derzeitigen vertraglichen Hickhack mit Gerald Forsythe nichts heißen - stellt das Wochenende für einige Veteranen einen echten Abschluss dar.

"Das wird ein komisches Wochenende für mich", weiß etwa Nelson Philippe, der einen HVM/Minardi-Panoz fahren wird. "Einerseits bin ich froh, wieder in einem Rennwagen zu sitzen, andererseits tut es schon weh, sich von der Serie zu verabschieden, in der ich meine US-Karriere gemacht habe."

Auch Roberto Moreno, mittlerweile 49 Jahre alt, wird einen HVM/Minardi steuern. "1982 habe ich hier in einem Auto der Formel Atlantic mein erstes US-Rennen bestritten", erinnert sich der ehemalige Formel-1-Pilot, der Ende 1991 einen Cockpittausch mit dem jungen Michael Schumacher vornehmen musste.

Moreno verlor damals vor Monza seinen Benetton und übernahm anstelle dessen Schumachers Jordan aus Spa-Francorchamps. 2008 fährt "Super-Sub" Moreno nun ein letztes Mal just in dem Panoz DP01, dessen Chefentwickler er auf diversen Rennstrecken in der Saison 2006 war.

Will Power ist hingegen einer der Piloten, die am Wochenende direkt die Turbo-Power der ChampCar-Cosworth mit den herkömmlich beatmeten Honda-Triebwerken vergleichen können. "Ich denke, dass wird sich wie eine Rakete anfühlen", vermutet der Australier, der in Homestead und St. Petersburg im IndyCar-Feld antrat.

Insgesamt fahren in Long Beach 20 Panoz DP01 und die erzielten Punkte zählen für das Gesamtklassement der aktuellen IndyCar-Meisterschaft. Die Startflagge an der Pazifikküste fällt am Sonntagmittag gegen 13:00 Uhr Ortszeit, in Europa ist es dann bereits 22:00 Uhr am Abend.

Die Entry-List von Long Beach:

01. 02 Justin Wilson (Newman/Haas)
02. 3 Paul Tracy (Forsythe/Pettit)
03. 4 Nelson Philippe (Minardi/HVM)
04. 5 Oriol Servia (KV Racing)
05. 06 Graham Rahal (Newman/Haas)
06. 7 Franck Montagny (Forsythe/Pettit)
07. 8 Will Power (KV Racing)
08. 9 Antonio Pizzonia (Rocketsports)
09. 10 Juho Annala (Rocketsports)
10. 12 Jimmy Vasser (KV Racing)
11. 14 Roberto Moreno (Minardi/HVM)
12. 15 Alex Tagliani (Walker Racing)
13. 18 Bruno Junqueira (Dale Coyne)
14. 19 Mario Moraes (Dale Coyne)
15. 29 Alex Figge (Pacific Coast Motorsports)
16. 33 Ernesto Viso (Minardi/HVM)
17. 34 Franck Perera (Conquest)
18. 36 Enrique Bernoldi (Conquest)
19. 37 David Martinez (Forsythe/Pettit)
20. 96 Mario Dominguez (Pacific Coast Motorsports)