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  • 19.03.2013 17:52

  • von Pete Fink

Vorschau 2013 - Teil 2: Das Mittelfeld

Im zweiten Teil der IndyCar-Saisonvorschau 2013 blickt 'Motorsport-Total.com' auf die fünf Mittelfeldteams von KV, Rahal, Sam Schmidt, Dragon und Dale Coyne

(Motorsport-Total.com) - Fünf IndyCar-Mannschaften treten in der neuen Saison 2013 als Zweiwagenteams an und werden vermutlich hinter den "Big Three" von Penske, Ganassi und Andretti ein breit aufgestelltes Mittelfeld bilden. Im Fokus aus mitteleuropäischer Sicht steht dabei natürlich KV Racing, bei denen neben IndyCar-Routinier Tony Kanaan ab sofort auch die Schweizerin Simona de Silvestro fahren wird.

Titel-Bild zur News: Simona de Silvestro

Simona de Silvestro und ihr KV-Chevy stehen im Fokus von Mitteleuropa Zoom

Doch auch ansonsten ist vieles neu: Graham Rahal feiert eine Wiedervereinigung mit seinem Vater Bobby, im Team von Sam Schmidt macht sich ein französisches Doppel mit Simon Pagenaud und dem schnellen Rookie Tristan Vautier auf die Verfolgung des IndyCar-Establishments. Sebastien Bourdais bleibt die Speerspitze bei Dragon Racing und Dale Coyne hat - wie immer - seine beiden Piloten noch nicht offiziell bestätigt.

Wie gut verkauft sich de Silvestro?

Deutsche Teilnehmer sind bei den IndyCars auch in dieser Saison Mangelware, weshalb sich die Aufmerksamkeit hierzulande einmal mehr auf eine Pilotin fokussieren wird, die der deutschen Sprache mächtig ist: Natürlich auf die Schweizerin Simona de Silvestro, die im neuen IndyCar-Jahr eine großartige Chance bekommt: Die 24-Jährige ist der Neuzugang bei KV Racing, dem Team von Kevin Kalkhoven und Jimmy Vasser. Ihr Teamkollege ist der erfahrene IndyCar-Routinier Tony Kanaan.

Nach ihrem Horrorjahr bei HVM Racing und den schwachbrüstigen Lotus-Motoren hat de Silvestro nun erstmals in ihrer IndyCar-Karriere echtes Top-Material zur Verfügung. Daraus leitet sich natürlich sofort die Frage ab, was die Schweizerin in ihrer Startnummer 78 erreichen kann? Den ersten Sieg oder zumindest das eine oder andere IndyCar-Podium? Eines steht jedenfalls fest: Der 38-jährige Kanaan mit seiner unglaublichen Erfahrung von 16 IndyCar-Jahren und 257 Rennstarts ist für die gebürtige Thunerin ein echter Gradmesser.

Dies zeigte sich bereits bei den offiziellen IndyCar-Testfahrten in Barber, als Kanaan mit der viertbesten Zeit seiner Teamkollegin dreieinhalb Zehntelsekunden abnahm. "Ich bin glücklich mit dem Team, es waren zwei gute Testtage", versicherte de Silvestro (12.). Sie weiß: "An den Rennwochenenden werden wir nicht viel Zeit bekommen, weshalb wir jedes Mal bestens vorbereitet auftauchen müssen." Auch Kanaan sprach nach Barber von "einem sehr produktiven Test."

Nach drei Jahren als HVM-Einzelkämpferin muss sich de Silvestro auch in einem anderen Punkt umstellen, denn nun hat sie einen Teamkollegen. "Du musst das Teilen lernen und damit fangen wir gerade an, vor allem von meiner Seite aus", gab sie vor den Barber-Tests zu Protokoll. Vor allem rund um das so wichtige Thema Oval-Racing kann sie sich in ihrem vierten IndyCar-Jahr einiges vom alten Fuchs Kanaan abschauen, der in seiner Karriere bisher 15 IndyCar-Rennen gewinnen konnte.

Tony Kanaan

Tony Kanaan ist der erfahrene Teamkollege von Simona de Silvestro Zoom

Dies allerdings fast ausschließlich noch in Diensten von Michael Andretti. KV Racing selbst hat in seiner Historie erst zwei IndyCar-Siege einfahren können: 2005, damals noch unter dem Namen PKV Racing, gewann Cristiano da Matta in Portland, Will Power triumphierte beim ChampCar-Abschlussrennen 2008 in Long Beach. Können Kanaan und de Silvestro mit den starken Chevrolet-Motoren nun daran anschließen?

Familienzusammenführung bei Rahals

Nicht mit Chevy-Power, sondern traditionell mit Honda-Motoren fährt die Familie Rahal. Wobei der Begriff Familie in diesem Jahr wörtlich zu nehmen ist, denn nach zwei Jahren im Farmteam von Chip Ganassi ist Graham Rahal der Neuzugang bei Rahal/Letterman/Lanigan Racing. Der Testauftakt im Winter verlief alles andere als positiv: Mehrere technische Probleme behinderten die Startnummer 15 regelmäßig in Sebring, zuletzt in Barber plagten Rahal Probleme mit der Benzineinspritzung. Daher landete er abgeschlagen auf Rang 21.

Besser lief es bei seinem Teamkollegen James Jakes. Der Brite wechselte im Winter von Dale Coyne Racing zu Rahal und landete nach zwei problemlosen Testtagen auf Rang elf. "Natürlich sind wir enttäuscht, aber immerhin haben wir James im zweiten Auto, der viele Runden gedreht hat", kommentierte Rahal. An St. Petersburg hat der 24-Jährige beste Erinnerungen: Dort gewann er im Frühjahr 2008 sein bisher einziges IndyCar-Rennen.

Graham Rahal

Für Heimkehrer Graham Rahal lief es bisher noch nicht so richtig rund ... Zoom

Für Rahal wird es darum gehen, den Ruf als ewiges Talent hinter sich zu lassen. Eigentlich galt er bei Chip Ganassi als ein logischer Nachfolgekandidat für das A-Team, doch vor allem im Vorjahr blieben seine Vorstellungen zu blass. Unvergessen ist dabei das Texas-Rennen, wo er in den Schlussrunden einen fast schon sicher geglaubten Sieg wegwarf und sich nach einem Mauerkontakt noch von Justin Wilson (Coyne-Honda) überholen lassen musste.

Natürlich gilt der um ein Jahr ältere Jakes in seiner dritten IndyCar-Saison als die klare Nummer zwei im Rahal-Team. Überhaupt ist diese zweite Rahal-Mannschaft Neuland, denn im Vorjahr war Takuma Sato noch als Einzelkämpfer unterwegs. Für Jakes wird es vor allem darum gehen, mit guten Resultaten sein Image als reiner Pay-Driver abzuschütteln. In seinen beiden Dale-Coyne-Jahren schaffte er es lediglich zweimal in die Top 10, seine bisher beste Platzierung ist Rang acht (Toronto, 2012).

Bei einigen ausgewählten Saisonrennen kommt übrigens ein dritter Rahal-Honda zum Einsatz, den dann Mike Conway steuern wird. Bisher steht ein Conway-Start nur am 21. April in Long Beach, der dritten Station 2013, fest. Dieses Rennen gewann der 29-jährige Brite in der Saison 2011, damals allerdings noch in Diensten von Michael Andretti. Im Vorjahr fuhr Conway den Foyt-Honda. Dieses Cockpit verlor er jedoch, nachdem er im Spätsommer 2012 ankündigte, in Zukunft keine Ovalrennen mehr fahren zu wollen.

Das französische Doppel

Geht es nach den - aufgrund der IndyCar-Sparzwängen - nur sehr wenigen Testeindrücken im Winter, dann könnte das Team von Sam Schmidt, Ric Peterson und Davey Hamilton für eine Menge hochgezogene Augenbrauen sorgen. Simon Pagenaud, seines Zeichens der beste IndyCar-Rookie der Saison 2012, hat in Tristan Vautier einen offenbar höllisch schnellen Teamkollegen bekommen. Der 23-jährige Vautier kommt mit der Empfehlung des IndyLights-Titels 2012 und überzeugte von Beginn an durch gute Zeiten.

Erst bei den offiziellen Barber-Tests relativierte sich die Lage ein wenig, als Vautier nur als 13. gewertet wurde. "Ich habe es noch nicht geschafft, das Maximum aus den neuen Reifen herauszuquetschen", gab sich der Rookie selbstkritisch. "Aber das ist ein Teil des Lernprozesses." Pagenaud (10.) zeigte sich da zuversichtlicher: "Wir haben speziell für St. Pete ein paar sehr interessante Dinge gefunden. Ich freue mich auf den Saisonstart."

Tristan Vautier

Rookie Tristan Vautier konnte bisher auf Anhieb überzeugen Zoom

Schmidt/Peterson Motorsports betritt dabei insofern IndyCar-Neuland, als es das erste Mal ist, dass die Mannschaft mit zwei Vollzeitteams ausrücken wird. Dazu kaufte man im Winter das Dallara-Chassis von Michael Shank Racing, beförderte einige Mitglieder der sehr erfolgreichen IndyLights-Mannschaft und stellte auch einiges an neuem Personal ein. Teammanager ist Rob Edwards, der zu ChampCar-Zeiten bereits in der Mannschaft von Derrick Walker aktiv war.

Natürlich liegt viel Gewicht auf der Startnummer 77 von Pagenaud, der in seiner ersten IndyCar-Saison gleich viermal (Long Beach, Detroit, Mid-Ohio und Baltimore) auf das Podium fahren konnte. Am Ende des Jahres war der Franzose ausgezeichneter Gesamtfünfter und lies dabei IndyCar-Promis wie Ryan Briscoe (Penske) oder Dario Franchitti (Ganassi) hinter sich. Kein Wunder also, dass viele Experten Pagenaud in dieser Saison die eine oder andere Überraschung zutrauen.

Und: Eigentlich ist es bereits seine dritte volle IndyCar-Saison, denn Pagenaud verdiente sich seine ersten US-Sporen bereits im letzten ChampCar-Jahr 2007. Damals übrigens als zweiter Mann im Team Australia, dessen Aushängeschild Will Power hieß. Mit dem großen IndyCar-Titelfavoriten, der jetzt in Diensten von Roger Penske steht, ist der 28-jährige Franzose nach wie vor gut befreundet. Ob er seinen Kumpel aus gemeinsamen ChampCar-Zeiten das eine oder andere Mal ärgern kann?

Schafft Bourdais die Wende?

Bei Dragon Racing gab es im Winter eine personelle Veränderung: Sebastien Bourdais konnte zwar gehalten werden, aber mit Katherine Legge steht vermutlich noch eine juristische Auseinandersetzung aus, weil die Britin trotz gültigen Vertrages kurzfristig durch Sebastien Saavedra ersetzt wurde. Die Startnummern bleiben: Bourdais fährt die 7, der junge Kolumbianer übernimmt die ehemalige Legge-Nummer 6.

Sebastien Bourdais

Was geht 2013? Sebastien Bourdais hat bei Dragon Racing das Sagen Zoom

Bei den wegweisenden Barber-Tests fuhren beide Dragon-Chevys hinterher: Bourdais kam in der Zeitenliste nur auf Rang 23, Saavedra landete auf Position 26 unter 28 Teilnehmern, nachdem sein zweiter Tag aufgrund eines Ausrutschers vorzeitig beendet war. Bourdais wiederum monierte erst technische Schwierigkeiten und anschließend Balanceprobleme. Sein Kommentar: "Wir haben vieles ausprobiert, aber zumindest hier in Barber hat nur wenig funktioniert."

Was aber am kommenden Wochenende in den Straßen von St. Petersburg bereits ganz anders aussehen kann. Es ist erst das dritte Mal, dass der so US-erfahrene Franzose an der Ostküste Floridas fahren wird und bisher kam er dort noch nie ins Ziel. 2011 verhinderte ein massiver Abflug im Warmup einen Einsatz, ein Jahr später machte sein damaliges Lotus-Triebwerk nach 73 der 100 Rennrunden schlapp.

Überhaupt kämpfte der vierfache IndyCar-Champion im Vorjahr zu Beginn mit stumpfen Waffen. In Barber gelang ihm als Neunter das einzige Top-10-Resultat mit Lotus-Power, bevor sich Teambesitzer Jay Penske in Indianapolis aus dem Vertrag herausklagte und einen Chevy-Motor bekam. So gelang es Bourdais im August 2012 in Mid-Ohio, auf einen vierten Platz zu fahren. Es blieb der einzige Hingucker in einer ansonsten sehr durchwachsenen Saison mit diversen technischen Problemen.


Fotos: IndyCar-Tests im Barber Motorsports Park


Es wird also auf den Schultern des 34-Jährigen liegen, das Dragon-Flagschiff flott zu machen. Von seinem 22-jährigen Teamkollegen sind keine Wunderdinge zu erwarten, auch wenn Saavedra in der Saison 2011 ein fast komplettes IndyCar-Jahr im mittlerweile stillgelegten Conquest-Team fahren konnte. Damals schrammte er in Sao Paulo als Elfter knapp an den Top 10 vorbei. Dies ist bis dato seine beste IndyCar-Platzierung geblieben.

Dale Coyne und wer fährt?

Nichts Neues auch bei Dale Coyne Racing. Böse Zungen behaupten, dass im kleinsten Zweiwagenteam der IndyCars die jeweilige Fahrerpaarung am Morgen des ersten Freien Trainings offiziell bekanntgegeben wird. Insofern ist ja noch ein wenig Zeit bis zum kommenden Freitag. Denn schriftlich fixiert ist auch in diesem Jahr noch nichts, inoffiziell sieht die Sache freilich ein wenig anders aus: Im Prinzip ist alles klar.

Justin Wilson wird in seine zweite Saison in einem Coyne-Honda gehen. Das heißt: Eigentlich ist es bereits seine dritte, denn der lange Brite fuhr schon im Jahr 2009 eine komplette Dale-Coyne-Saison und holte damals einen viel umjubelten Premieren-Sieg in Watkins Glen. Im Vorjahr ließ Wilson auf dem Texas Motor Speedway völlig überraschend Dale-Coyne-Sieg Nummer zwei folgen. In der neuen Saison wird er wieder mit der Startnummer 19 ausrücken.

Justin Wilson

Justin Wilson ist bei Dale Coyne der alte und neue Teamleader Zoom

Mit der drittbesten Zeit ließ er bei den Barber-Tests aufhorchen. "Ich bin zufrieden", konstatierte Wilson. "Wir haben alles erledigen können, was auf unserer Liste stand. Jetzt sollten wir für St. Pete gut vorbereitet sein." Es wird ein Jubiläumsjahr, denn der 34-Jährige geht 2013 in seine zehnte IndyCar-Saison (131 Rennen, sieben Siege, 22 Podiumsplätze und acht Poles). Kein Zweifel: Justin Wilson soll auch diesem Jahr für Dale Coyne die Kohlen aus dem Feuer holen.

Über die genaue Besetzung des zweiten Coyne-Hondas gibt es noch ein kleines Fragezeichen. Sah es in der vergangenen Woche noch so aus, als würde Justins um elf Jahre jüngerer Bruder Stefan Wilson zum Saisonauftakt in St. Petersburg die Startnummer 18 fahren, so bekommt nun doch Ana Beatriz den Vorzug. Beide saßen im Rahmen der Barber-Tests im Auto - vielleicht traf der Sponsorenscheck aus Brasilien schneller ein.

Rein zeitentechnisch nahmen sich Beatriz (25.) und Stefan Wilson (28.) in Barber nicht viel: Für den Briten war es der erste IndyCar-Test überhaupt, Beatriz kam in den letzten drei Jahren immerhin auf 22 Renneinsätze. "Es war gut, zurück im Auto zu sein", sagte die 27-Jährige. "Jetzt habe ich mehr Vertrauen bekommen und für mich geht es vor dem ersten Rennen vor allem um Erfahrung." Im weiteren Saisonverlauf soll die Brasilianerin auf alle Fälle ihr Heimrennen in Sao Paulo und die IndyCar-Ovale bestreiten. Wann Stefan Wilson im zweiten Coyne-Honda zum Einsatz kommen wird, steht noch nicht fest.