• 01.11.2022 17:21

  • von David Malsher-Lopez, Co-Autor: Andre Wiegold

Vom Formel-1-Schlusslicht zum Indy-500-Sieger: Der Aufstieg von Marcus Ericsson

Marcus Ericsson hat sich mit seinem Indy500-Sieg 2022 unsterblich gemacht und IndyCar-Geschichte geschrieben - So hat es der Schwede geschafft

(Motorsport-Total.com) - Mit seinem Sieg beim Indy 500 2022 hat Marcus Ericsson ein wichtiges Stück IndyCar-Geschichte geschrieben. Der 32-Jährige, der nach Kenny Bräck der zweite Schwede in der Victory-Lane von Indianapolis war, hat sich vom Formel-1-Schlusslicht zum Topfahrer in der US-amerikanischen Rennserie gemausert. Sein Renningenieur Brad Goldberg erklärt, wie es der Ganassi-Pilot an die Spitze des legendären 500-Meilen-Rennens geschafft hat.

Titel-Bild zur News: Marcus Ericsson

Marcus Ericsson hat mit dem Sieg in Indianapolis Geschichte geschrieben Zoom

Erst einmal aber eine kurze Zusammenfassung der Karriere von Ericsson: In seiner Anfangszeit hat er sich klassisch durch die Nachwuchsserien im europäischen Formelsport gekämpft. Vier Jahre lang war er in der GP2-Serie (heute Formel 2) unterwegs, einen Titel hat er aber nie geholt. Platz sechs mit DAMS im Jahr 2013 war sein persönlich bestes Ergebnis.

Dennoch schaffte Ericsson im Jahr 2014 den Sprung in die Formel 1. Der Schwede heuerte bei Caterham an und holte in seinem Debütjahr keinen einzigen Punkt. In der Saison 2015 ging es für Ericsson nach Sauber und endlich schaffte es der Schwede, WM-Punkte zu holen. Mit fünf Top-10-Platzierungen kam er auf insgesamt neun Zähler.

Lange Durststrecke in der Formel 1

Die nächsten Nuller folgten in den Jahren 2016 und 2017. Nach zwei rabenschwarzen Jahren fuhr Ericsson noch eine Saison Formel 1 im neuen Alfa-Romeo-Team, das von Sauber betreut wird. Sechs Top-10-Resultate sorgten wieder für neun Punkte, doch Ericssons Zeit in der Königsklasse war abgelaufen, da Alfa Romeo für einen Umbruch im Team sorgte.

Der Schwede brauchte eine Alternative und fand in der IndyCar-Serie ein neues Zuhause - erst bei Schmidt Peterson. In seinem Debütjahr lief es für Ericsson noch nicht rund, obwohl er in Detroit einen zweiten Platz holte. Mit Platz 17 in der Gesamtwertung war es bereits nach einem Jahr Zeit für einen Tapetenwechsel: Das Topteam von Chip Ganassi nahm das Talent unter Vertrag.

Nach einem zwölften Platz in seiner ersten Saison im Team platzte der Knoten im Jahr 2021. Ericsson holte seinen ersten IndyCar-Sieg auf seiner Spezialstrecke in Detroit. Der zweite Besuch in der Victory-Lane folgte in Nashville. Mit zwei Siegen auf dem Konto reichte es für Ericsson für Platz sechs in der Gesamtwertung.

Stetige Weiterentwicklung


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Zuletzt fuhr der Ganassi-Fahrer aus Kulma in der IndyCar-Gesamtwertung wieder auf Platz sechs, doch das eigentliche Highlight des Jahres 2022 war der Sieg beim legendären Indy 500. Goldberg erklärt, wie es der 32-Jährige geschafft hat, das wichtigste Rennen in den USA für sich zu entscheiden. "Als Markus von der Formel 1 in die IndyCar-Serie gewechselt ist, hat er sich mit den Ovalen beschäftigt", erklärt der Renningenieur, der auch das Geheimnis von Ericsson verrät: "Er hat die starke Fähigkeit, schnell zu lernen."

"Als er im Jahr 2020 erstmals für uns gefahren ist, hat er sich eingebracht und das Programm vorangetrieben. Im Jahr 2022 hat er viel beigetragen, was dem gesamten Team genützt hat. Wir hatten in diesem Jahr wieder exzellente Autos, das stimmt. Jedoch haben wir im Qualifying Änderungen an den Autos vorgenommen, die alle auf den Wünschen von Ericsson basierten. Er hat sie alle besser gemacht."

Beim Indy 500 hat Ericsson laut Goldberg das Freie Training intensiv genutzt, um seine Fähigkeiten zu verbessern. Sobald er eine Gruppe im Training gefunden hat, habe er sich ihr sofort angeschlossen, um im Verkehr zu üben, so der Renningenieur. Im Qualifying fuhren seine beiden Teamkollegen Scott Dixon und Alex Palou auf den Plätzen eins und zwei, doch das habe Ericsson nichts ausgemacht, da er bereits im Rennmodus gewesen sei.

Renntrimm wichtiger als Qualifying

"Natürlich wären wir gerne an der Spitze bei unseren Teamkollegen gewesen", erklärt Goldberg. "Das Ziel ist es aber, das Rennen zu gewinnen. Das Qualifying war vorbei und wir haben gesehen, dass es für das kommende Jahr noch Luft nach oben gab. Wir haben uns aber sofort um das Set-up für das Rennen gekümmert. Solange ein Auto von uns auf der Pole steht, egal welches, passt das für uns."

Marcus Ericsson

Ericsson feierte seinen dritten IndyCar-Sieg überhaupt Zoom

Früher im Jahr hatte Ericsson bereits auf dem Texas Motor Speedway sein erstes Podium auf einem Oval geholt und dementsprechend hoch war die Motivation, in Indianapolis noch eine Schippe draufzulegen. "Wir haben in Texas etwas gefunden, das Marcus für das Set-up in Indianapolis geholfen hat. So hat er das Maximum aus sich herausgeholt." Auch das gesamte Team vom Reifenwechsler bis zum Spotter hätten den Schwung mitgenommen und alles gegeben.

Im Rennen selbst waren es Dixon und Palou, die den Großteil des Rennens anführten, während sich Ericsson unter dem Radar stetig in den Top 10 hielt. Strafen warfen Ericssons Teamkollegen dann aber weit zurück: Erst kam Palou in die geschlossene Box und musste den folgenden Neustart von hinten aufnehmen. Dixon war bei seinem Stopp 1,6 Kilometer pro Stunde zu schnell in der Boxenasse unterwegs und wurde dafür bestraft. Die beiden dominanten Fahrer des Rennens waren damit raus.

Ericsson zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Ericsson übernahm die Rolle als die Ganassi-Speerspitze und raste letztlich auf Platz eins und damit zu seinem ersten Indy-500-Sieg. "Man weiß nie, welche Reserven die Fahrer noch in petto haben", so Goldberg. "Wir wussten aber, dass er noch was aus dem Hut zaubern kann, denn er war sehr ruhig in den ersten Stints. Wir haben gesprochen und da war kein Stress in seiner Stimme."

Mit der immer heißer werdenden Strecke und den veränderten Wetterbedingungen wird es beim Indy 500 gegen Rennende immer wichtiger, eine gute Kombination aus einem schnellen Auto und einen guten Fahrer zu haben. "Wir hatten ein starkes Auto und einen Fahrer, der den ganzen Tag über keinen Fehler gemacht hatte. Deshalb sind wir dann voll auf Sieg gegangen", so Ericssons Renningenieur, der den Schweden in der Schlussphase an beiden McLaren-SP-Autos vorbeischießen sah, um nach einer späten Rotphase noch den Sieg zu holen.

Marcus Ericsson

Marcus Ericsson gilt als ruhig und berechnend Zoom

"Als die gelbe Flagge kam, wusste ich, dass sie das Rennen mit rot unterbrechen werden", so Goldberg über die Entscheidung seitens IndyCar, die das legendäre Rennen unter grün zu Ende gehen sehen wollte. "Ich war rund 15 Sekunden sauer darüber, aber dann hörte ich Marcus' Stimme im Radio und die Gelassenheit hatte sich in etwas völlig anderes verändert." Die beiden hätten sich gegenseitig beruhigt, um sich auf die finale Chance im Rennen vorzubereiten, denn auch Ericsson hätte einige Sekunden gebraucht, um sich so richtig auszukotzen.

Ganassi hatte Strategien parat

Ganassi hatte im Team vor dem Rennen viele Szenarien durchgespielt, um in der entscheidenden Phase des Rennens eine gute Strategie parat zu haben. "Ich habe ihm dann in einer starken Tonlage gesagt, dass er beim Neustart so vorgehen sollte, wie wir es geübt hatten. Ich habe in seiner Stimme dann gemerkt, dass er wieder voll fokussiert und bereit war, anzugreifen."

Der brillante Neustart in Runde 199 war letztlich der Schlüssel zum Erfolg. Pato O'Ward war hinter dem Schweden, bereit, einen Angriff zu starten. Ericsson hielt den Mexikaner aber in Schach und gewann das Rennen. "In dem Moment, als die grüne Flagge geschwenkt wurde, hat es Marcus perfekt umgesetzt", erinnert sich Goldberg. Er hat Pato in der letzten Runde dazu gezwungen, es in Kurve 1 außen zu versuchen. Er hat das Auto da perfekt platziert."

"Marcus hat diesen Sport studiert und das war ein klassisches Beispiel dafür, dass er die Ressourcen, die Ganassi ihm zur Verfügung stellt, immer perfekt ausnutzt", erklärt der Renningenieur. "Es gab hier viele Informationen und er hat mit Dario [Franchitti] gesprochen, was er tun soll. Außerdem hat er im Vorfeld zahlreiche Videos angeschaut und sich mit seinen Teamkollegen ausgetauscht. Er musste es also nur umsetzen. In der Boxengasse während der Rotphase habe ich ihn an all das erinnert, was er eh schon wusste."

Ericsson durfte die berühmte Milch in Indianapolis probieren. Der Schwede gilt als zurückhalten und sehr berechnend, doch an diesem Tag sei, so Goldberg, aus dem "Mathematiker ein Löwe" geworden. "In diesem letzten Stint hat er so viele verschiedene Fähigkeiten gezeigt", freut sich der Ganassi-Ingenieur. "Ich kann gar nicht beschreiben, wie großartig die Arbeit mit Marcus in den vergangenen drei Saisons war. Es war toll, zu sehen, wie er sich verbessert und sein Potenzial entfalten hat."

Nach Bräck ist Ericsson erst der zweite Schwede, der es in die Victory-Lane von Indianapolis geschafft hat. Mit insgesamt drei IndyCar-Siegen und zwei sechsten Plätzen in der Gesamtwertung ist der Rennfahrer, der mit seinen 32 Jahren im besten Alter ist, sicher auch in der kommenden Saison ein heißer Favorit auf Siege. Goldberg wird weiterhin daran arbeiten, das volle Potenzial aus dem Schweden herauszukitzeln.

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