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  • 20.10.2013 06:37

  • von Pete Fink

Irre Fontana-Show: Power siegt - Dixon Meister

Will Power gewinnt ein völlig verrücktes Fontana-Rennen, in dem Scott Dixon Platz fünf zum dritten Titel reicht - Helio Castroneves als tragischer Held

(Motorsport-Total.com) - Eines ist jetzt schon sicher: Das denkwürdige MAVTV 500 auf dem Auto Club Speedway wird in die IndyCar-Geschichte eingehen. Das Saisonfinale 2013 sah zwei Sieger und einen tragischen Held: Will Power (Penske-Chevrolet) gewann und Scott Dixon (Ganassi-Honda) reichte Rang fünf zu seiner dritten IndyCar-Meisterschaft. Die tragische Figur wiederum hieß Helio Castroneves (Penske-Chevrolet; 6.), der im Rennverlauf das Titel-Ruder bereits herumgerissen hatte, bevor ihm am Ende alle Felle davon schwammen.

Titel-Bild zur News: Scott Dixon

Champion: Scott Dixon feiert IndyCar-Titel Nummer drei mit Ehefrau Emma Zoom

Das riesige Zwei-Meilen-Oval im kalifornischen Fontana bot jede Menge Führungswechsel und zwei völlig unterschiedlich verlaufende Rennhälften, die gespickt waren mit zahlreichen Unfällen, Defekten und einem schweren Massencrash, in dem sich Justin Wilson (Dale-Coyne-Honda) verletzte. Am Ende der 500 Meilen sahen gerade einmal neun von 25 Piloten die Zielflagge, nur fünf Teams beendeten die 250 turbulenten Umläufe in der Führungsrunde.

"Das war ein absolut verrückter Tag", lautete das erste Statement des neuen IndyCar-Champions, während Sieger Power vom "zufriedenstellendsten Sieg meiner ganzen Karriere" sprach. Kein Wunder, denn von Dixon war zu Beginn überhaupt nichts zu sehen. Am Ende hatte der Neuseeländer großes Glück, weil sein Ganassi-Honda überhitzte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der mit dem Messer zwischen den Zähnen kämpfende Castroneves nach einem Kontakt aus der Führungsrunde verabschiedet und musste tatenlos zusehen, wie Dixon seinen dritten IndyCar-Titel holte.

Power wiederum lies im Finale überhaupt nichts mehr anbrennen und hielt die stark dezimierte Konkurrenz klar hinter sich. Ed Carpenter (Carpenter-Chevrolet) wurde Zweiter vor Tony Kanaan (KV-Chevrolet) und James Hinchcliffe (Andretti-Chevrolet). Kanaans Teamkollegin Simona de Silvestro erlitt beim Wilson-Unfall einen Streifschuss, konnte aber weiterfahren und feierte am Ende als Achte eine Top-10-Platzierung. Doch der Reihe nach.

Castroneves übernimmt virtuelle Gesamtführung

Castroneves und Ryan Hunter-Reay (Andretti-Chevrolet) legten los wie die Feuerwehr und saßen Leader Sebastien Bourdais (Dragon-Chevrolet) bald im Genick, der wiederum Polesitter Power abgelöst hatte. Im Gegensatz dazu kam Dixon überhaupt nicht in die Gänge und hing zwischen Platz 13 und 15 fest. Dies hatte zur Folge, dass der virtuelle Gesamtstand gleich zu Rennbeginn quasi ausgeglichen war: Dixon hatte seinen Vorsprung von 25 Punkten eingebüsst - ein faszinierendes Fernduell der beiden Titelkontrahenten hatte begonnen.

Helio Castroneves

Helio Castroneves wird für seine kämpferische Fahrt nicht belohnt Zoom

Nach 35 Runden begann die erste Serie der Green-Flag-Stopps. Hunter-Reay lag zu diesem Zeitpunkt in Front vor Castroneves, Power, Kanaan und Hinchcliffe. Dixon wiederum dümpelte hinter der versammelten Chevy-Armada auf Rang 12. Die Balance an seinem Ganassi-Honda war gut, der Speed nicht. Als nach Gelbphase 1 (ein Abflug von Sebastian Saavedra und Pippa Mann) in Runde 71 der zweite Stopp anstand, zauberte die Ganassi-Crew den Neuseeländer auf Rang sechs. Dixon hatte damit in der Gesamttabelle die Nase wieder vorne - aber nicht lange.

Power versemmelte den Restart in Runde 82, was auch den direkt dahinter fahrenden Dixon weit zurückwarf. Plötzlich lag Castroneves in der virtuellen Gesamtwertung um sechs Punkte vor Dixon! An der Spitze entbrannte nun ein Zweikampf zwischen dem Penske-Piloten und Bourdais, während Rookie Carlos Munoz als Viso-Ersatzmann auf einen starken dritten Platz nach vorne fuhr. Allerdings übertrieb es der 21-jährige Kolumbianer und setzte seinen Andretti-Chevy in Kurve 2 rücklings in die Mauer. Gelbphase 2 war die Folge.


Fotostrecke: Die Karriere von Scott Dixon

Kaum war der Restart erledigt, krachte es erneut - und wie. Justin Wilson (18.) verlor in Runde 111 seinen Coyne-Honda und wurde hart von Tristan Vautier (Schmidt-Honda; 21.) getroffen, Josef Newgarden (Fisher-Honda; 20.) torpedierte bei einem Ausweichmanöver den unschuldigen Oriol Servia (Panther-Chevrolet; 19.). Zudem wurden auch Simona de Silvestro (KV-Racing) und James Jakes (Rahal-Honda; 22.) in Mitleidenschaft gezogen. Nur die Schweizerin konnte weiterfahren und kam bis zum Ende des sich anbahnenden Ausscheidungsrennens noch auf Rang acht.

Ganassi und Dixon schlagen zurück

Wilson wurde beim heftigen Vautier-Treffer verletzt, die Safety-Crew verbrachte einige Minuten damit, den langen Briten aus seinem Cockpit zu befreien und in den herbei gerufenen Krankenwagen zu bringen. Der ansprechbare Dale-Coyne-Pilot wurde in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht, um den unteren Rückenbereich einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Alle anderen Piloten blieben glücklicherweise unverletzt.

Scott Dixon

Scott Dixon gewinnt nach 2003 und 2008 den nächsten Titel Zoom

Zum Restart kurz nach Rennhalbzeit änderten sich urplötzlich die Verhältnisse. Der bislang so starke Castroneves hatte völlig die Balance an seinem Penske-Chevy verloren, während parallel die bis dato unterlegenen Ganassi-Hondas massiv zulegen konnten. Franchitti-Ersatzmann Alex Tagliani sonnte sich kurzzeitig sogar auf Rang 1, während Dixon den schnell zurückfallenden "Spiderman" überholte. Die Lage hatte sich erneut gedreht: Nun hatte der Neuseeländer plötzlich wieder 29 Punkte Vorsprung in der virtuellen Gesamtwertung.

Nach der folgenden Runde an Green-Flag-Stopps samt Setup-Korrekturen lautete die Reihung: Power, Dixon, Tagliani, Castroneves und Hunter-Reay. Insgesamt befanden sich nur noch 13 Piloten in der Führungsrunde. Für Castroneves bedeuteten die vielen Ausfälle, dass ihm nur Platz 1 oder 2 zum Titel verhelfen würde. Dixon hingegen befand sich nun klar auf dem Weg zu seiner dritten Meisterschaft, aber noch waren 80 Runden auf dem mächtigen Zwei-Meilen-Oval östlich von Los Angeles zu fahren.


Fotos: IndyCar-Finale in Fontana


Mitten in der Serie der nächsten Stopps unter Grüner Flagge ereilte Team Penske der nächste Rückschlag: A.J. Allmendinger (16.) setzte seinen Penske-Chevy rücklings in die Mauer von Kurve 4, was Castroneves eine weitere Trumpfkarte entriss. Allerdings geschah dies unter indirekter Mithilfe von Ed Carpenter, der direkt vor Allmendinger an die Box wollte und ohne Sprit wesentlich heftiger als gewöhnlich verlangsamte.

Castroneves fliegt aus der Führungsrunde

Penske und Ganassi bestimmten das Bild, als es ins Fontana-Finale ging. Power führte, Castroneves war Vierter. Dixon, Kimball und Tagliani belegten die Positionen zwei, drei und fünf. Mittlerweile war das MAVTV 500 tatsächlich zu einem wahren Ausscheidungsrennen geworden: Graham Rahal (Rahal-Honda; 15.), Hunter-Reay (9.) und auch Marco Andretti (Andretti-Chevrolet; 7.) erlebten allesamt Motorenprobleme, während sich Tagliani (14.) 41 Runden vor dem Ende einen 360-Grad-Dreher erlaubte. Das Aus für den ersten Dixon-Helfer.

Für Penske ging es weiter bergab: Im Glauben, die Boxengasse sei in der folgenden Gelbphase bereits geöffnet, beorderte Roger Penske seinen Schützling Castroneves an die Box. Die Folge war eine Durchfahrtsstrafe, was den Brasilianer wieder auf Rang neun zurückwarf. Der "Spiderman" gab jedoch immer noch nicht auf und geigte sich mit einem gewaltigen Restart von P9 auf P1 zurück, beschädigte sich dabei im Zweikampf mit Kimball aber den Frontflügel. Castroneves musste in Runde 227 unter Grün an die Box und verlor eine Runde. War es das nun endgültig?

Scott Dixon, Helio Castroneves

Helio Castroneves unterliegt Scott Dixon im Titelkampf Zoom

Nein, immer noch nicht, denn in Runde 230 überschlugen sich die Ereignisse erneut. Dixons Honda-Motor begann zu Überhitzen und der Neuseeländer musste an die Box, während nun Bourdais (12.) in genau diesem Augenblick die Mauer streifte. Die Ganassi-Boys arbeiteten fieberhaft am Dixon-Auto, das mehrmals an die Box kam. Beim folgenden Restart flog Kimball (10.) das Honda-Triebwerk um die Ohren, während der unauffällig agierende J.R. Hildebrand (11.) im Herta-Honda weit vorne liegend ohne Vortrieb ausrollte.

Power als "Last-Man-Standing"

Damit lagen mit Power, Kanaan, Carpenter, Hinchcliffe und Dixon nur noch fünf (!) Fahrzeuge in der Führungsrunde, während Castroneves eine Runde dahinter auf P6 festhing. Das war die letztlich entscheidende Krux für den IndyCar-Veteran, denn in diesem Wissen konnte sich Dixon in den Schlussrunden darauf konzentrieren, seinen stark angeschlagenen Ganassi-Honda als Fünfter ins Ziel zu bringen. Dies gelang. Der dritte IndyCar-Titel für den Neuseeländer!

Vorne ließ Power nichts mehr anbrennen und verdiente sich damit die Auszeichnung zum "Last-Man-Standing". Zweiter wurde Carpenter vor Kanaan und Hinchcliffe. "Wir hatten am Ende keine Chance mehr gegen Will", lautete das übereinstimmende Urteil der Geschlagenen. Mit diesem Sieg sicherte sich Chevrolet zudem auch den Herstellertitel 2013. Für Dixon wiederum war es fast eine logische Meisterschaft: Nach 2003 und 2008 dauerte es erneut fünf Jahre für Titel Nummer drei.

Will Power

Will Power und die überschäumende Freude nach dem Fontana-Sieg Zoom

Die Konkurrenz dürfte gewarnt sein: In der Saison 2018 ist der Neuseeländer erst 38 Jahre alt - und wird dann vermutlich immer noch für Chip Ganassi fahren. Castroneves hingegen scheiterte erneut knapp am ganz großen Wurf und bleibt damit auch in seiner 16. IndyCar-Saison ohne Titel. Der bittere Beigeschmack dabei: Ein einziges katastrophales Wochenende vor 14 Tagen in Houston war genug, um dem 38-Jährigen diese überfällige Meisterschaft zu verweigern.