• 29.03.2009 12:42

  • von Pete Fink

Die IndyCar-Expertenrunde zur Saison 2009 (2)

Am 5. April geht es los: Sven Heidfeld und Andreas Wirth diskutierten mit 'Motorsport-Total.com' über die neue IndyCar-Saison 2009 - hier Teil 2

(Motorsport-Total.com) - In Teil 1 der IndyCar-Expertenrunde zur Saison 2009 mit Sven Heidfeld und Andreas Wirth drehte sich das Thema vor allem um die favorisierten drei großen Teams von Ganassi, Penske und Andretti-Green, sowie deren Titelkandidaten, und um die Zukunft von Danica Patrick.

Titel-Bild zur News: Start in Long Beach 2006

Chance für die Ex-ChampCar-Teams? Mitte April steht Long Beach im Kalender

Der zweite Teil wirft nun einen intensiven Blick auf das, was hinter den Top 3 passieren könnte, sowie auf die IRL-Situation angesichts der US-Wirtschaftskrise, den Castroneves-Prozess, und dreht sich natürlich auch um die Diskussion um einen möglichen deutschen Hersteller in der IndyCar-Serie.#w1#

Frage: "Wie ist die Hierarchie hinter den großen Drei? Zum Beispiel Newman/Haas?"

Andreas Wirth: "Newman/Haas muss hinter diesen drei Teams kommen - mit Tendenz nach vorne. Die Verpflichtung von Robert Doornbos kann ihnen nur gut tun, denn obwohl Graham Rahal nun über ein Jahr IndyCar-Erfahrung verfügt, so ist und bleibt er trotzdem noch ein junger Bursche."

"Mit Doornbos wird es auch für Newman/Haas einfacher, denn sie brauchen Erfahrung, die ein Sébastien Bourdais oder ein Justin Wilson einbringen konnten. Auf Rundstrecken muss man Newman/Haas definitiv auf der Rechnung haben, bei den Ovalen muss man einmal abwarten."

Rahal mit 20 Jahren schon Teamleader

Graham Rahal

Graham Rahal ist mit erst 20 Jahren der Teamleader bei Newman/Haas Zoom

Sven Heidfeld: "Also für mich kommen hinter den großen Drei viele Teams auf Augenhöhe. Das macht die Sache ja so interessant, denn da hat jeder Fahrer die Chance, mit seiner Leistung aufzufallen. Wenn Newman/Haas gegenüber dem Rest einen Vorteil haben sollte, dann ist der meiner Meinung nach minimal, und in keinem Fall eine Garantie dafür, dass sie immer das bessere Auto haben."

Frage: "Andreas, du kennst Graham Rahal ja recht gut, du bist ja noch gegen ihn gefahren. Einmal ganz profan gefragt: Ist Rahal aufgrund seiner neuen Führungsposition, seines jungen Alters und seines großen Namens und des damit verbundenen Drucks 2009 nicht das ärmste Schwein der IndyCar-Serie?"

Wirth: "Naja, ob du nun Nico Rosberg, Marco Andretti oder Graham Rahal heißt... Ab dem Punkt, an dem du realisiert hast, was du da vor dir hast, lernst du, dir dein Schutzschild aufzubauen. Ein Beispiel: Als ich in der Kart-Europameisterschaft fuhr, kam der Nico mit einem Helikopter angeflogen, während ich gerade eine Autofahrt von 800 Kilometern hinter mir hatte."

"Die Jungs wissen, was sie machen müssen, um den Druck nicht zu stark werden zu lassen. Ich muss sagen, dass es Graham schon 2006 besser gemacht hat, als ich es eigentlich erwartet hätte. Denn ich bin schon 2004 gegen ihn gefahren, und da konnte man schon noch richtig Psycho-Druck gegen ihn betreiben."

Doornbos kommt immer schnell auf Speed

Robert Doornbos sammelte 2007 bei den ChampCars US-Erfahrungen Zoom

"Damals hatte er schon richtig dazu gelernt, und ich denke mir, dass er 2007 und 2008 noch einmal mächtig dazu gelernt haben wird. Er wusste 2007, dass er bei Newman/Haas das beste Team und die besten Leute hinter sich hat. Er konnte also sehr relaxt an die Sache heran gehen."

Frage: "Robert Doornbos hat 2007, in seinem ersten USA-Jahr, Leute wie Sébastien Bourdais ziemlich geärgert, obwohl er damals nicht im besten Auto saß. Jetzt sitzt der Niederländer plötzlich im Ex-Auto von Bourdais. Was können wir von Doornbos erwarten?"

Wirth: "Er hat sehr viel Erfahrung, unter anderem ja auch die Formel 1. Für ihn ist dieses Jahr die ganze Oval-Geschichte völlig neu. Bei den Rundstrecken habe ich überhaupt keine Sorgen. Aber speziell der Erfahrungsnachteil auf den Ovalen wird ihm zu schaffen machen."

Heidfeld: "Aber Doornbos hat in meinen Augen überall bewiesen, dass er sehr schnell mithalten kann. Sei es in der Formel 1, bei den ChampCars oder meinetwegen auch in der A1GP-Serie. Das finde ich erstaunlich. Er ist schnell, er lernt schnell, und kann dem Team vor allem auf den Nicht-Oval-Strecken wahrscheinlich sehr weiterhelfen."

"Mich freut es auch, dass wir damit wieder einen Mitteleuropäer bei den IndyCars haben, der es in meinen Augen auch ganz klar verdient hat, dort zu fahren. Nur auf den Ovalen hat er noch eine ganze Menge zu lernen. Das wird schon ein Lernjahr werden. Das ist richtig."

Duno mit ihrem Geld bei Newman/Haas?

Milka Duno

Die Peronalie Milka Duno wird bei den Experten kontrovers diskutiert Zoom

Frage: "Nach wie vor im Raum steht bei Newman/Haas auch das Thema Milka Duno. Was ist denn davon zu halten?"

Wirth: "Es ist vielleicht ein schwieriger Vergleich, aber wenn jemand zu Penske gehen würde, und 15 oder 20 Millionen auf den Tisch legen würde, dann fährt er. Denn dann wird Geld verdient, und solange mindestens ein Top-Mann im Team ist, passt es für das Team ja immer noch. Milka Duno würde das Newman/Haas-Budget ja nur verbessern, insofern sehe ich da eigentlich kein großes Problem."

Heidfeld: "Also wenn das klappen soll, dann muss sie schon wirklich eine Menge Geld mitbringen. Sie ist bei den IndyCars ja auch nicht die einzige Frau, insofern ist sie auch daher nichts Besonderes. Und als Rennfahrerin kann man sie auch nicht ernst nehmen. Ich tu mich bei der Milka richtig schwer. Wenn es klappt, dann läuft das für mich unter dem Motto: Was die Finanzkrise alles möglich macht."

Frage: "Hinter den großen Drei und Newman/Haas folgen 2009 fast nur Einzelkämpfer. Wem traut ihr zu, den Big Boys den einen oder anderen Nadelstich zu versetzen?"

Heidfeld: "Also wenn ein Vier-Wagenteam gegen Einzelkämpfer fährt, dann hat man als One-Man-Show schon einen gigantisch großen Nachteil. Da braucht man schon eine unglaubliche Menge an Erfahrung, und deswegen würde mir spontan der Vitor Meira einfallen, auch wenn er der ewige Zweite ist."

Matos, Conway und Wheldon

Dan Wheldon

Ist Dan Wheldon der stärkste IndyCar-Pilot unter den One-Man-Shows? Zoom

Wirth: "Wer mich bisher enttäuscht hat, war Raphael Matos. Ich habe Raphael jedes Mal geschlagen, als ich noch gegen ihn fuhr. Als ich dann leider nicht mehr fuhr, hat er die Meisterschaft gewonnen. Und Luczo-Dragon Racing gehört ja Jay Penske, dem Sohn von Roger Penske. Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwischen Penske und Luczo-Dragon kein Informationsaustausch stattfindet."

"Wenn mein Papa das beste Team der Serie hätte, dann würde ich ihm schon genau erzählen, was ich gerne hätte. Klar hat Raphael auch noch nicht die große Oval-Erfahrung. Wo er mich aber ein wenig enttäuscht hat, war der Rundstrecken-Test im Barber Motorsports Park. Da hat ihm auch einiges gefehlt. Das hätte ich so nicht erwartet. Vor allem, dass er auch hinter einem Mike Conway steht, der ja keine Strecken kennt.

Heidfeld: "Ich halte sehr viel von Conway. Das ist in meinen Augen ein sehr unterschätzter Fahrer."

Wirth: "Gut, aber Raphael kennt die Strecken und die IndyCars, er hat 2008 ja bei Andretti-Green getestet. Er sollte eigentlich in einer etwas besseren Position sein, denn Luczo-Dragon ist meiner Meinung nach eines der Einzelkämpferteams, die gefährlich sein könnten."

"Wen ich auch noch auf der Rechnung habe, ist die Kombination Dan Wheldon und Panther Racing. Beide haben die Meisterschaft gewonnen, Wheldon dazu die Indy 500."

Heidfeld: "Das ist richtig. Zumindest wird es Wheldon nicht an Motivation fehlen."

Luft raus bei Wilson?

Justin Wilson

Justin Wilson: Klappt der IndyCar-Neuanfang bei Dale Coyne Racing? Zoom

Frage: "Was denkt ihr von der Kombination Dale Coyne Racing und Justin Wilson? Das ist in meinen Augen auch eine sehr spannende Paarung..."

Wirth: "Auf jeden Fall. Justin Wilson sitzt in dem Auto, weil es Dale aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Ich weiß nicht, was mit Bruno Junqueira geschehen ist, denn eigentlich war er ja Dales Favorit. Trotzdem ist die Situation sehr schwierig, denn als Rennfahrer will man immer vorne fahren, und dazu ist das Geld nicht da."

Heidfeld: "Mein Endruck ist der, dass bei Justin Wilson irgendwie die Luft raus ist. Er könnte soviel mehr, aber er scheitert immer an irgendwelchen Kleinigkeiten oder dummen Dingen, die verhindern, dass es wirklich einmal rund läuft. Das hat schon auch etwas mit den Begriffen Glück und Pech zu tun."

Wirth: "Aber Fakt ist, dass Justin jetzt im Auto sitzt, und vielleicht können sie auf den Rundkursen für die eine oder andere Überraschung sorgen. Auf den Ovalen haben sie für mich keine Chance, weil weder Geld für Windkanäle, Shaker Rigs oder sonstiges da ist."

Kommen 20 Autos zustande?

Start IndyCars

Wieviele Autos gehen 2009 bei den IndyCars wirklich an den Start? Zoom

Frage: "Ein wichtiges Thema ist auch die Wirtschaftskrise. Wir sehen die zweite wiedervereinigte Saison, wir können guter Hoffnung sein, dass wir wenigstens konstant um die 20 Autos sehen. Wie kritisch seht ihr die Situation?"

Heidfeld: "Nach all dem, was ich so gehört habe, sieht es in Amerika in Sachen Motorsport grundsätzlich zapfenduster aus. Man kann aus Sicht der IndyCars nur von Glück reden, dass man die Wiedervereinigung hinter sich gebracht hat, und Zugpferde wie Danica Patrick, Marco Andretti oder Graham Rahal an Bord hat."

Wirth: "Also meiner Meinung nach können sie froh sein, wenn sie konstant 18 Autos sehen. Ich glaube nicht, dass noch viele Teilnehmer kommen. Conquest wird mit einem Auto mitfahren, vielleicht kommt irgendwann ein zweiter KV-Dallara."

"Das zweite Auto hat Kevin Kalkhoven schon die letzten zehn Jahre immer selber bezahlt. Keiner weiß, ob er nun keine Lust mehr dazu hat, oder ob auch ihn die Krise getroffen hat. Die ganze Sache wird noch sehr schwierig werden, und wenn sie wirklich konstant 18 Autos haben, dann können sie sehr froh sein."

Frage: "Man möchte sich ja gar nicht ausmalen, was alles passiert wäre, wenn es keine Wiedervereinigung gegeben hätte..."

Wirth: "Einer der beiden hätte den Kürzeren gezogen, und es wäre nicht der Milliardär gewesen, der den längeren Atem gehabt hätte..."

Heidfeld: "... und pro Serie würden sechs Autos am Start stehen."

Castroneves fehlt als Zugpferd

Helio Castroneves 2001 Indy 500 Sieg Penske Spiderman

Helio Castroneves - wie sehr fehlt der "Spiderman" den IndyCars? Zoom

Frage: "Apropos Zugpferde: Wie sehr fehlt der IndyCar-Serie ein so populärer Pilot wie Helio Castroneves?"

Wirth: "Gut, Helio war auch schon vor seinem Sieg bei 'Dancing with the Stars' eines der großen Zugpferde. Er ist schon lange dabei, er hat viel gewonnen, und hat natürlich mit seinem 'Spiderman'-Gekrabbel auch immer eine gute Show abgeliefert."

Heidfeld: "Vor allem war er einer der ganz großen Sympathieträger, Publikumslieblinge oder von mir aus auch Emotionsträger. Er hat die IndyCars auch im amerikanischen Mainstream populärer gemacht. Das darf man nicht vergessen. Helio fehlt da schon sehr, vor allem als Typ."

Wirth: "Aber man muss auch klar sagen, dass man sich in einem fremden Land ganz genau erkundigen muss, was erlaubt ist und was nicht. Schlussendlich ist jeder dafür verantwortlich, was er macht, auch wenn andere Leute in seinem Namen handeln."

"Ich muss wissen: Wenn ich einmal Mist baue, dann bin ich weg. Mir kann keiner erzählen, dass sie nicht versucht haben, Steuern zu sparen, was ja auch völlig legitim ist. Man muss sich ja nur einmal die Formel 1 ansehen, da gibt es ja nur noch Monegassen und Schweizer."

Deutscher Hersteller wäre positiv

Honda-Motor

Bis jetzt haben die Honda-V8-Motoren bei den IndyCars eine Monopolstellung Zoom

"Ich unterstelle ihm überhaupt keine Absicht, denn mir tut Helio schon leid. Fakt ist: Er hat das beste Cockpit der Serie räumen müssen. Es geht um fünf Millionen Dollar. Wenn er nur drei davon gehabt hätte, dann wäre er auch nicht verhungert, und könnte jetzt weiterfahren."

Frage: "Die IndyCar-Saison 2009 findet wieder ohne deutsche Beteiligung statt, weder auf Seiten von Fahrern oder Teams, noch seitens der Hersteller. Es gibt ja die Diskussion um das neue Motorenreglement, wo der Porsche-Konzern nach wie vor mit am Tisch sitzt. Wie wichtig wäre denn aus eurer Sicht ein mittelfristiger IndyCar-Einstieg eines deutschen Herstellers?"

Heidfeld: "Ich beurteile das natürlich vor allem aus der Fahrersicht. Wenn das wirklich so käme, dann würden die IndyCars auch wieder mehr bei uns stattfinden, weshalb dann auch einmal junge Fahrer früher den Kontakt zu der Serie suchen würden. Aber ich persönlich rechne nur mit einem Einstieg eines deutschen Herstellers, wenn das Ganze wirklich gut durchdacht ist."

Wirth: "Der nordamerikanische Markt ist für jeden Hersteller wichtig. Da wird vieles von den internationalen Motorsportprogrammen abhängen. Aus reiner Marketing-Sicht würde so etwas durchaus Sinn machen, aus anderer Sicht nicht, denn wir haben einfach keine deutschen Teams und keine deutschen Fahrer drüben."