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  • 28.03.2009 07:26

  • von Pete Fink

Die IndyCar-Expertenrunde zur Saison 2009 (1)

Am 5. April geht es los: Sven Heidfeld und Andreas Wirth diskutierten mit 'Motorsport-Total.com' über die neue IndyCar-Saison 2009

(Motorsport-Total.com) - IndyCar-Experten wachsen in Deutschland zwar nicht auf den Bäumen, aber es gibt sie. 'Motorsport-Total.com' hat zwei davon an einen Tisch gerufen, um in einer gemeinsamen Diskussionsrunde die entscheidenden Fragen vor der neuen IndyCar-Saison 2009 zu besprechen.

Titel-Bild zur News: Sonnenuntergang in Indianapolis

Die IndyCar-Serie beginnt ihren Fahrbetrieb am kommenden Wochenende

Andreas Wirth ist der letzte Deutsche, der Ende 2006 in der damaligen ChampCar-Serie fuhr. Unter anderem die Wiedervereinigung im US-Formelsport brachte den Heidelberger um die Chance auf ein Stammcockpit. Sven Heidfeld wiederum beobachtete in den vergangenen Jahren die US-Szene intensiv als Experte beim Bezahlsender 'Premiere'.#w1#

Auf den Tisch kamen hochinteressante Fragen rund um die IndyCar-Serie 2009, die unsere Fachleute ausführlich für die Leser von 'Motorsport-Total.com' diskutiert und beantwortet haben. Nicht immer waren die Herren Experten dabei einer Meinung. Hier der erste von zwei Teilen der großen IndyCar-Expertenrunde zur Saison 2009.

Wer kann Scott Dixon schlagen?

Frage: "Wenn wir über die IndyCar-Saison 2009 sprechen wollen, dann lautet meine erste Frage an die Experten: Wer bitte soll 2009 in der Lage sein, Scott Dixon schlagen zu können?"

Sven Heidfeld

Sven Heidfeld kommentiert seit vielen Jahren die IndyCar-Serie bei Premiere Zoom

Andreas Wirth: "Eine sehr gute Frage. Vielleicht sein eigener Teamkollege? Da rechnet zwar niemand damit, aber wer nach einem NASCAR-Jahr in Surfers Paradise sofort im Bereich der Top 5 fährt, der hat es drauf. Außerdem hat Dario Franchitti schon bewiesen, dass er gewinnen kann."

SvenHeidfeld: "Also ich glaube, dass sich Scott Dixon in erster Linie selber schlagen kann. Mit seiner Erfahrung und seinen Erfolgen ist er ganz klar wieder der Favorit, der sogar noch Potenzial nach oben hat. Als den stärksten Dixon-Gegner würde ich ansonsten nur Ryan Briscoe sehen."

Wirth: "Ja. Vielleicht kann einer der Penske-Jungs Dixon wirklich ein Schnippchen schlagen. Ganz einfach vor allem auch deswegen, weil Penske in meinen Augen nach wie vor das absolut beste Team in der IndyCar-Serie ist."

Dixon der kompletteste IndyCar-Pilot

Frage: "Was zeichnet Scott Dixon aus? Warum ist der Neuseeländer so souverän?"

Andreas Wirth

Andreas Wirth fuhr viele Jahre in den USA und 2006 auch in der ChampCar-Serie Zoom

Wirth: "Ich habe Scott Dixon 2006 kurz kennengelernt, und fünf oder sechs Sätze mit ihm gewechselt. Er ist ein relaxter Typ, der genau weiß was er will. Er ist ein sehr guter Rundstreckenfahrer, der gelernt hat, auch in den Ovalen zu Recht zu kommen. Er ist also ein kompletter Rennfahrer mit viel IndyCar-Erfahrung, und er fährt in einem der Top Teams. Es ist also von jedem etwas."

Heidfeld: "Vor allem kann er auf den Ovalen abwarten, und dann im richtigen Moment zuschlagen. Aber ich stimme Andreas zu. Im Moment ist er ganz einfach der kompletteste Fahrer der IndyCar-Serie."

Wirth: "Was vor allem in letzter Zeit noch dazu kommt, ist das notwendige Quentchen Glück, denn er hat ja nicht jedes Jahr gewonnen. Aber wir alle wissen, dass das im Rennsport natürlich auch dazu gehört."

Ganassi und Penske voran

Frage: "Bei den offiziellen IRL-Tests waren entweder Ganassi oder Penske vorne. Ist das auch die zu erwartende Kräfteverteilung, oder kann in diesem Konzert ein drittes Team mitspielen?"

Scott Dixon Dario Franchitti Ganassi

Ganassi schickt Scott Dixon und Dario Franchitti in die IndyCar-Saison 2009 Zoom

Heidfeld: "Ich glaube schon, dass die beiden Teams über die gesamte Saison gesehen den Ton angeben werden. Vielleicht gibt es seitens der Konkurrenz den einen oder anderen Ausreißer nach oben, aber insgesamt werden die beiden den Titel unter sich ausfahren."

Wirth: "Die Reihenfolge wird sein: Penske, Ganassi und dahinter mit sehr geringem Abstand Andretti-Green. Ich weiß nicht, wozu Newman/Haas fähig sein wird. Auf den Rundstrecken werden sie sicherlich gut dabei sein, alleine schon wegen den beiden Fahrern."

"Nur gilt wie bei allen Ex-ChampCar-Teams, dass sie nach wie vor auf den Ovalen Defizite haben werden. Und ob das in nur einer Saison aufgeholt werden kann, wenn die großen IRL-Teams einen Entwicklungsvorsprung von drei bis vier Jahre mit demselben Auto haben, das ist in meinen Augen sehr fraglich."

Frage: "Bei Penske fahren 2009 Ryan Briscoe und Will Power. Ist Briscoe die klare Nummer eins?"

Heidfeld: "Zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar. Aber wie es halt im Motorsport immer ist: Wenn Power schneller ist, dann kann sich das Blatt auch ganz schnell drehen."

Briscoe - oder doch Power?

Wirth: "Also ich schätze Will Power noch stärker ein. Ich kenne ihn schon lange, das ist ein richtig guter Fahrer, ein Kämpfer, ein Beißer. Ich habe gesehen, wie er 2007 bei PKV gegen Simon Pagenaud abgeschnitten hat, und den kann ich ja sehr gut einschätzen, weil ich ja direkt gegen Pagenaud gefahren bin."

Scott Dixon Ryan Briscoe Will Power

Drei Titelfavoriten (v.l.n.r.): Scott Dixon, Ryan Briscoe und Will Power Zoom

Heidfeld: "Ich kann wiederum den Briscoe besser einschätzen, weil ich ja gegen ihn noch direkt gefahren bin. Ich habe Ryan auch erst im Winter in Viareggio wieder getroffen, wo er fleißig am Trainieren war. Ryan fühlt sich in den USA mittlerweile pudelwohl. Er ist bei einem absoluten Spitzenteam angekommen. Er wirkt sehr relaxt und motiviert, und ganz allgemein gut vorbereitet auf die neue Saison."

"Aber natürlich hat auch Will Power schon sein Können aufblitzen lassen. Ich glaube, dass Briscoe in der ersten Saisonhälfte die Nase vorne haben wird. Danach ist die Situation vielleicht pari. So ähnlich sehe ich die Sache übrigens auch bei Ganassi: Dixon wird zu Saisonbeginn besser als Franchitti sein, aber der wird im Verlauf der Saison aufholen können."

Wirth: "Dazu kommt noch, dass Will Power sicherlich auf den Rundkursen stärker sein wird als im Oval, weil er ja erst seit einer Saison IndyCar fährt. Klar gab es auch bei den ChampCars ein paar Ovale, aber der Dallara ist doch etwas anderes, als es der ChampCar-Lola war."

Was ist mit Andretti-Green?

Frage: "Aber Will Power wird das Problem haben, dass es 2009 zehn Ovale gibt..."
Wirth: "Ja. Aber er sitzt im besten Auto, und wir wissen, dass ein guter Rennfahrer in einem Oval mit einem guten Auto immer klar kommt. Man kommt immer nur dann in Probleme, wenn der Fahrer nicht viel Erfahrung hat, und sich das Auto nicht gutmütig fahren lässt."

Tony Kanaan Marco Andretti Danica Patrick

Die Andretti-Zugpferde: Tony Kanaan, Marco Andretti und Danica Patrick Zoom

"Ein Beispiel war etwa Bruno Junqueira, der bei Dale Coyne im ersten Rennen 2008 an die Box gefahren ist und einfach klar gemacht hat, dass es nicht geht. Junqueira hat gesagt, das sei lebensgefährlich. Auf dem Oval muss das gesamte Paket einfach passen."

Frage: "Bis Mitte 2008 sprach man immer von den drei großen IndyCar-Teams. Penske, Ganassi und Andretti-Green. Dann hat Andretti-Green extrem geschwächelt. Gibt es bei Andretti-Green eine Wiederauferstehung?"

Heidfeld: "Mit fiel vor allem eines auf: Sie waren eigentlich nie ganz weg, aber auch nicht ganz vorne dabei. Und wenn sie einmal vorne dabei waren, dann immer mit unterschiedlichen Leuten. Einmal Tony Kanaan, dann einmal Danica Patrick, und ab und zu auch Marco Andretti."

"Da fehlt mir bei jedem einzelnen Fahrer die Konstanz, und deswegen wirkt das in der Summe dann so, als würde es einfach nicht reichen. Sie sammeln aufgrund ihrer Inkonstanz einfach zu wenige Punkte, um in der Meisterschaft eine Rolle zu spielen."

Andretti ist nun einmal Andretti...

Wirth: "Es ist schwer zu sagen. Man muss sich schon die Frage stellen, wie es zu diesem Schwächeanfall kam. Ich denke, dass 2008 Marco Andretti seinen erfahrenen Teamkollegen Tony Kanaan hätte schlagen sollen und müssen. Ich will damit nicht sagen, dass jemand mit Absicht benachteiligt wird."

Michael Andretti, Danica Patrick und Marco Andretti

AGR-Kriegsrat bei Michael Andretti, Danica Patrick und Marco Andretti Zoom

"Aber man weiß, wem das Team gehört, wer dahinter steht und wo diese Leute Marco Andretti gerne sehen würden. Marco befand sich 2008 in seinem dritten IndyCar-Jahr, und sollte so langsam damit anfangen, seinen guten und erfahrenen Teamkollegen zu schlagen. Wer weiß denn, wie stark sich das Team auf Marco konzentriert hat? Leider konnte er es nicht umsetzen."

Frage: "Das wäre eine Erklärung dafür, warum es vor der Vertragsverlängerung bei Tony Kanaan soviel Ärger gegeben hat. Kanaan war ja mit mehr als nur einem Bein bei Ganassi..."

Wirth: "Unter anderem. Leider weiß ich zu diesem Thema auch aus Insiderkreisen sehr wenig, aber da kann gut etwas dran sein."

Frage: "Was uns beim Thema Andretti-Green natürlich sofort zum Thema Danica Patrick bringt. Wie schätzt ihr Danica ein?"

...und Danica ist Danica

Wirth: "Sie ist eine der hübschesten Rennfahrerinnen... Danica ist Danica. Sie hat mit Sicherheit für die IndyCar-Serie einen gewissen Hype ausgelöst. Sie hat verdient, dort zu sein, wo sie ist. Aber man muss schon einmal die Frage stellen: Wäre sie ein Kerl, wäre sie dann auch da, wo sie heute ist?"

Danica Patrick

Mit ihrem Motegi-Sieg schrieb Danica Patrick 2008 Motorsportgeschichte Zoom

Heidfeld: "Sie ist in jedem Fall eine der besten Rennfahrerinnen auf diesem Planeten. Wenn alles passt, kann sie auf dem Oval jeden Kontrahenten schlagen, aber es fehlt ihr auch da an Konstanz. Auf den Nicht-Ovalen kann sie nicht jeden schlagen, das ist auch Fakt. Das alles fehlt, um irgendwann einmal eine Meisterschaft zu gewinnen."

"Ich weiß nicht, aber vielleicht hat das bei Danica auch etwas mit einer mentalen Stärke zu tun. Sie zickt ja gerne etwas herum, und hat sich in der Vergangenheit auch gerne von äußeren Faktoren ablenken lassen. Aber das Problem ist, dass es einfach nicht für einen Titel reichen wird. Niemals."

Wirth: "Man muss sich schon die Frage stellen, warum die Resultate so durchwachsen sind. Sie wiegt weniger, hatte dadurch immer Vorteile, und sie hat ein gutes Team. Trotzdem hat sie gegen ihre Teamkollegen regelmäßig den Kürzeren gezogen. Dafür muss es ja Gründe geben."

IndyCars als einzige Alternative

Frage: "Danicas Vertrag läuft zum Saisonende aus. Man kann getrost ein Poker-Jahr erwarten, denn sie wird sich sicherlich nicht unter Wert verkaufen. Was würde ein Rennfahrer der Kollegin Patrick empfehlen? Weiter IndyCars, Formel 1 oder sogar NASCAR?"

Danica Patrick

Die Zukunftsfrage: Bleibt das "Supergirl" den IndyCars wirklich erhalten? Zoom

Heidfeld: "Ich würde ihr grundsätzlich empfehlen, sich vor dem nächsten Vertragsabschluss noch einmal frei zu machen, das steigert den Marktwert. Nein ernsthaft: Formel 1 ist vor allem wegen der Testbeschränkung ein gefährliches Pflaster. Das kann auch mächtig in die Hose gehen. Bei den IndyCars weiß sie, dass sie Rennen gewinnen kann und ist der absolute Superstar."

Wirth: "Ich würde ihr auch empfehlen, dort zu bleiben wo sie ist. Wo sie gutes Geld verdient, wo sie sicherlich eines der Zugpferde dieser Serie ist, und wo sie in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt. Die NASCAR hat ihre eigenen Superstars wie Dale Earnhardt Jr. oder Jeff Gordon, die brauchen eine Danica Patrick nicht."

Heidfeld: "Außerdem haben schon einige andere große Rennfahrer bewiesen, dass man in der NASCAR nicht so einfach in ein Auto steigen kann, und sofort gewinnen wird. Ich würde an Danicas Stelle höchstens versuchen, in ein noch besseres IndyCar-Team zu wechseln und noch mehr Geld zu verdienen."

Teil zwei der IndyCar-Expertenrunde folgt am Sonntag.