• 29.06.2008 05:11

  • von David Pergler

Crash-Festival in Richmond - Kanaan siegt

Tony Kanaan behielt in einem von Gelb-Phasen dominierten Rennen in Richmond die Übersicht und holte den Sieg vor Helio Castroneves und Dan Wheldon

(Motorsport-Total.com) - IndyCar in Richmond - pfeilschnelle Boliden auf einem engen Short-Track zusammen gepfercht, da ist Chaos vorprogrammiert. Am Ende war es Tony Kanaan (Andretti-Green), der sich relativ ungefährdet seinen ersten Saisonsieg sichern sollte. Sein Landsmann Helio Castroneves (Penske) war glücklich, als Zweiter über die Linie gefahren zu sein und weitere Punkte auf seinen Titelrivalen Scott Dixon (Ganassi) gutgemacht zu haben.

Titel-Bild zur News: Tony Kanaan

Tony Kanaan hat es geschafft - endlich ist der erste Saisonsieg unter Dach und Fach

Die Sonne stand schon tief und das Oval war von den Zuschauern nur zur Hälfte gefüllt - da ist man von der NASCAR andere Bilder gewohnt. 26 Boliden machten sich auf den Weg, die 300 Runden in Richmond zu bewältigen und nur zehn davon sollte dies auch wirklich gelingen, doch Eins nach dem Anderen.#w1#

Das Rennen wurde durch einen schwungvollen 360-Grad-Dreher von Ryan Hunter-Reay (Rahal-Letterman) eingeleitet, der aber weiterfahren konnte. Die ursprünglich grün geschwenkte Flagge wurde flugs gegen eine gelbe eingetauscht - die Erste von vielen. Hunter-Reay, Enrique Bernoldi (Conquest) und Justin Wilson (Newman-Haas) steuerten sofort die Box an, wo Bernoldi bereits sein Rennen beenden musste.

Erster Boxenstopp rennentscheidend

Justin Wilson

Da waren es noch 26 - das IRL-Rennen startete vor halbleerer Kulisse Zoom

An der Spitze herrschte die unveränderte Startreihenfolge - Polesetter Kanaan vor seinem Teamkollegen Marco Andretti. Dann begann die etwa 200 Runden andauernde Phase, wo sich das Feld rapide dezimieren sollte. Zunächst krachte Will Power (KV) rückwärts in die Wand. Anschließend kollidierte John Andretti (Roth) mit A.J. Foyt (Vision) und schob diesen in die Mauer. Leider fuhr dabei Ed Carpenter (Vision) über die Trümmerteile seines Teamkollegen, so, dass auf einen Schlag das Rennen beider Vision-Boliden zerstört war.

Diese Caution wurde natürlich zu Boxenstopps genutzt, wobei es hier zu einer Vorentscheidung des Rennens kommen sollte: Durch die hervorragende Arbeit seiner Mechaniker schaffte Castroneves nach seinem Stopp den großen Sprung unmittelbar hinter Kanaan, wogegen Dixon einige Plätze einbüßen sollte. An der grundsätzlichen Reihenfolge sollte sich ab dann für den Rest der Veranstaltung nichts mehr ändern: Kanaan, Castroneves und ein Stück weiter hinter Dixon.

Nun sollte das Rennen einen kuriosen Stopp-and-Go-Verlauf nehmen: Kaum wurde grün geschwenkt, drehte sich Buddy Rice (Dreyer and Reinbold) rückwärts in die Mauer, gleichzeitig eliminierten sich an anderer Stelle Ryan Briscoe (Penske) und Bruno Junqueira (Dale Coyne) gegenseitig, so, dass das Rennen sofort wieder neutralisiert werden musste.

Marco Andretti verspekulierte sich

Der Penske humpelte mit abgeknickter Vorderradaufhängung an die Box, für den Brasilianer war das Rennen ebenfalls beendet. Briscoe war erbost: "Ich weiß nicht, was da lost ist, wenn 'grün, grün, grün' gerufen wird und der vor dir steigt voll in die Eisen!" Sein Penske wurde zwar noch notdürftig geflickt und wieder ins Rennen geschickt, doch wenig später musste Briscoe endgültig aufgeben.

Und so ging es weiter. Die nächste grüne Flagge war abermals der Startschuss für die nächste Karambolage - Richmond präsentierte sich von seiner typischsten Seite. Diesmal waren es Vitor Meira (Panther) und John Andretti (Roth), der damit für das finanziell gebeutelte Roth-Team kein gutes Resultat mehr holen konnte.

An der Spitze tat sich nicht viel, erst als es in der 130. Runde Graham Rahal (Newman-Haas) erwischte, genehmigte sich die Führung des Rennens bis auf Marco Andretti und Ernesto Viso (HVM) einen Boxenstopp. Die Loskopplung des Andretti-Green-Youngsters vom Boxenstrategie-Mainstream sollte sich noch bitter rächen, obwohl der Amerikaner die Führung nun lange nicht mehr aus der Hand geben sollte.

Dixon gegen Wheldon - das letzte Duell des Rennens

Will Power

Das Rennen in Richmond hat viel Schrott produziert, hier erwischte es Will Power Zoom

Zwischenzeitlich boxten sich Hunter-Reay und Mario Moraes (Dale Coyne) raus, doch Andretti nutze dies nicht zu einem Boxenstopp und beschloss, noch zu warten. Das war ein Fehler, denn das Feld war inzwischen auf zwölf Wagen zusammengeschrumpft und bei immer weniger Autos wurde die Chance, dass wieder welche ausfallen und eine Gelb-Phase auslösen, eher gering.

So kam es auch - nach einem ruhigen Rennverlauf musste Andretti unter grün zum Tanken kommen und fiel damit aus dem Kreis der Siegerkandidaten heraus. Viso hatte sich ebenfalls verspekuliert, beide nahmen mit Rundenrückstand das Rennen wieder auf. Nun war es wieder Kanaan, der das Feld anführte, gefolgt von Castroneves. Weiter hinten nahmen die Ganassi-Boliden Fahrt auf.

Kurz darauf kam, wie zum Hohn für Andretti und Viso, die gesuchte Gelb-Phase: Jaime Camara (Conquest) drehte sich 70 Runden vor Schluss in die Mauer. Sogleich tauchte das Feld zu einem letzten Boxenstopp ab, wo sich nichts Entscheidendes mehr an der Reihenfolge änderte. Nun waren die Würfel gefallen, nur der drittplatzierte Wheldon bekämpfte Castroneves eifrig auf Platz zwei, während Dixon auf Vier dieses Duell interessiert beobachtete. In der letzten Rennrunde schnappte sich der Neuseeländer seinen Teamkollegen und rückte auf Position drei vor.

So siegte nach einem recht ereignislosen Finale Kanaan vor Castroneves und Dixon, während Wheldon auf Platz vier ins Ziel kam. Danica Patrick (Andretti-Green) fuhr das ganze Rennen recht unauffällig aber fehlerfrei und sauste auf Rang sechs über die Linie. Im Ziel feierte der Sieger bei einem großen Feuerwerk seinen ersten Saisonerfolg in einem von Gelb-Phasen beherrschten Rennen: Satte 102 Runden standen unter einer Caution. Einzig 2002 in Nazareth gab es mit insgesamt 116 Runden mehr neutralisierte Umäufe.