Nachwuchs-Probleme: So will der ADAC den Formelsport neu aufstellen
Der deutsche Formel-Nachwuchs stockt und ein Formel-1-Fahrer ist aktuell nicht in Sicht - Thomas Voss will eine ganzheitliche Lösung mit nationalen Einstiegsserien
(Motorsport-Total.com) - Um den deutschen Nachwuchs im Formelsport ist es schlecht bestellt. Nachdem Mick Schumacher auch für 2025 kein Formel-1-Cockpit erhalten hat, gibt es mit Nico Hülkenberg nur noch einen deutschen Formel-1-Fahrer, der sich mit 37 Jahren bereits im Herbst seiner Karriere befindet.
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ADAC Formel 4 2018: Heute fehlt eine deutsche Nachwuchsserie mit vollen Feldern Zoom
Damit droht mittelfristig sogar - sofern Tim Tramnitz nicht den Sprung schafft - die erste Formel-1-Saison ohne deutsche Beteiligung seit 1981 (wobei es auch 1990 und 1991 keinen deutschen Vollzeitfahrer gab). Das Nachwuchsproblem ist bekannt, aber bisher nicht gelöst. Woran hapert es, nachdem es bis in die 2010er-Jahre deutsche Talente am Fließband gab?
ADAC-Motorsportchef Thomas Voss sieht den Grund vor allem in der Monopolstellung der Formel 4, die die Preise in die Höhe treibt: "Wir haben international das Problem, dass es mit der Formel 4 nur noch eine Formel-Einsteigerserie gibt."
"Früher gab es eine Formel Opel Lotus, eine Formel Renault, eine Formel König, eine Formel Ford ohne Flügel, wo man das Fahren im Grenzbereich lernen konnte. Diese Vielfalt an Formelserien vermisse ich heute. Es gibt nur noch die Formel 4. Und wie das so ist: Monopol ist im Zweifel teuer."
Der ADAC hat die Kostenexplosion am eigenen Leib erfahren. Als 2008 das ADAC Formel Masters aus der gescheiterten Formel DMSB hervorging, warb der ADAC mit Kosten von unter 50.000 Euro für ein rennfertiges Auto. 2022 endete die Deutsche Formel-4-Meisterschaft, die das ADAC Formel Masters 2015 abgelöst hatte. Die Kosten für eine Saison lagen zuletzt in der Spitze bei rund 450.000 Euro.
FIA-Reformen haben deutschen Formelsport ruiniert
"Die hohen Kosten haben dazu geführt, dass wir am Ende nur noch zwei deutsche Teilnehmer hatten", bedauert Voss. "Wir sind als ADAC nicht dazu da, der Formel 1 einen Nachwuchspool aus allen möglichen Nationen zu liefern, sondern uns liegen die deutschen Teilnehmer am Herzen."
"Dann haben wir beschlossen, das Ganze auf andere Beine zu stellen, und seit zwei Jahren kooperieren wir mit der französischen Formel 4, wo wir ein eigenes Juniorteam haben." Sowohl Montego Maassen als auch Mathilda Paatz gehören zur zweiten Motorsportgeneration, da ihre Väter bereits im Motorsport aktiv waren. Dank eines starken Saisonendspurts mit drei Podiumsplätzen belegte Maassen den achten Platz in der Meisterschaft, Paatz wurde 20.
Für Voss ist klar: Deutschland war der große Verlierer der Reformen des Automobil-Weltverbandes FIA in den 2010er-Jahren. Diese hatten zum Ziel, die in den 2000er-Jahren extrem unübersichtlich gewordene Zahl der Formel-Rennserien deutlich zu reduzieren und einen klaren Weg in die Formel 1 zu schaffen.
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Die ADAC Formel 4 ebnete Oliver Bearman, aber kaum einem Deutschen den Weg in die Formel 1 Zoom
Mittlerweile hat die FIA die alleinige Hoheit über die Formel 3 und die Formel 2. Darunter sind die regionalen Formelserien angesiedelt, darunter wiederum die nationalen Formel-4-Serien. Doch die Sache hatte einen Haken für Deutschland: Die ADAC Formel 4 war durch die Geo-Begrenzungen der FIA in der Wahl ihrer Rennstrecken stark eingeschränkt und konnte daher kaum auf Formel-1-Kursen fahren.
Doch was wäre der nächste Schritt? Für Voss hilft nur ein ganzheitliches System: "Wir sind nicht erst seit gestern dabei, das Ganze wieder ein bisschen zu beleben und suchen nach entsprechenden Konzepten. Es macht sicher keinen Sinn, jetzt einfach eine andere europäische Meisterschaft zu kopieren."
Voss: Nur eine Pyramide kann Problem lösen
"Langfristig ist es wichtig, die Formel 4 europäisch aufzustellen, zu internationalisieren und auch den fließenden Aufstieg in die Formel 3 darzustellen und finanziell machbar zu machen." Als Vorbild nennt er die frühere Formel-3-Euroserie, die aus der Internationalen Deutschen Formel-3-Meisterschaft hervorgegangen ist. "Da müssen wir wieder hin." Neben den nationalen Einstiegsserien, versteht sich.
"Der Wegfall der nationalen Formel 3 hat uns sehr wehgetan. Die Formel 3 wurde von der FIA vereinnahmt. Das heißt, uns fehlte plötzlich im nationalen Bereich der Aufstieg mit vielen Teilnehmern. Es gab viele Teams, die lieber Formel 4 und Formel 3 gemacht haben. So fiel auf einmal ein Betätigungsfeld weg und es entstand eine Lücke zur FIA-Formel-3, die sehr groß ist."
Dass die alte Formel 3 nicht 1:1 ersetzt wurde, sondern durch eine schnellere Klasse (vormals GP3), hat diese Lücke nur noch vergrößert. In Europa füllt die Formula Regional European Championship by Alpine (FRECA) diese Lücke, doch allein die Namensgebung ist problematisch: Wie soll ein Fahrer einen Formel-Regional-Titel einem potenziellen Sponsor verkaufen?
"Ich glaube, wir müssen wieder zu einem kompletten Formelsystem zurückkehren, anstatt einfach wieder eine Formel-Rennserie einzuführen und zu hoffen, dass alles besser wird. Man muss die ganze Leistungspyramide vom Kartsport bis zur FIA-Formel abbilden. Das geht nicht von heute auf morgen", bemerkt Voss.
Lobend erwähnt er die Partnerschaft mit den Automobilherstellern. Doch bislang geht die Unterstützung der Hersteller nicht über Simulator-Testfahrten für das Motorsport Team Germany hinaus.
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