• 16.03.2006 10:28

  • von Adrian Meier

Zwei Hitzerennen in Folge fordern die Motoren

Gleich in den ersten beiden Rennen stehen die V8-Motoren vor der größten Herausforderung der Saison - Ferraris Mattia Binotto erläutert die Problemstellung

(Motorsport-Total.com) - Nach der Umstellung des Reglements von V10- auf V8-Motoren wartet die Fachwelt gebannt darauf, wie zuverlässig die neue Triebwerksgeneration ist. Beim ersten Rennen des Jahres in Bahrain hatten bereits einige Teams Motorschäden zu beklagen, die meisten Aggregate jedoch hielten den heißen Bedingungen beim Wüsten-Grand-Prix stand und gehen in Malaysia nun in ihr zweites Rennwochenende, erneut unter extremen Bedingungen.

Titel-Bild zur News: V8-Motor

Die V8-Motoren sind für die Formel-1- Teams eine neue Herausforderung

Fand in der Vergangenheit der Saisonauftakt im relativ kühlen Melbourne statt, so dass die Motoren zum folgenden Hitzerennen in Malaysia noch relativ frisch waren, begann die Saison 2006 in Bahrain, wo ähnlich hohe Temperaturen wie in Malaysia herrschen. Daher besteht die Herausforderung für die Motorenbauer gleich zu Beginn des Jahres nicht nur im Absolvieren von zwei Rennwochenenden mit einem Motor, sondern zusätzlich im Sicherstellen der Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen.#w1#

Heiße Rennen im Doppelpack

"Schon für ein einzelnes Rennen unter heißen Bedingungen muss die Kühlung des Autos leistungsstark genug sein, um sicherzustellen, dass die Motoren im richtigen Temperaturfenster laufen", erklärt Mattia Binotto, bei Ferrari für die Rennmotoren verantwortlich. "Der zentrale Punkt ist nicht die Tatsache, dass wir zwei heiße Rennen direkt nacheinander haben, sondern wie gut die Kühlung des Motors allgemein ist."

"Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir bei beiden Events die Limits der Kühlung überschreiten könnten." Mattia Binotto

"Wenn man ein kaltes Rennen hat, das auf ein heißes folgt, dann kann man versuchen, den Motor beim ersten Rennen zu schonen, mit dem Wissen, dass man ihn im zweiten Rennen stärker belasten kann. Aber jetzt sind wir in einer Situation, in der wir bei beiden Events die Limits der Kühlung überschreiten könnten", erläutert Binotto die besondere Situation.

Kaum Zeit für Änderungen

Und es kommt noch ein weiterer erschwerender Faktor hinzu: Die beiden Rennen finden innerhalb von acht Tagen statt, so dass die Teams auf eventuell am ersten Wochenende auftretende Kühlungsprobleme nicht reagieren können. "Normalerweise kann man bei Bedarf immer zusätzliche Öffnungen am Auto anbringen, um die Kühlung zu verbessern, aber das bedeutet, dass die aerodynamische Effizienz des Wagens dramatisch reduziert wird. Daher ist das Verbessern der Kühlsysteme üblicherweise eine langwierige und komplizierte Aufgabe, die sich auf Arbeit im Windkanal und ausführliche Tests auf der Strecke stützt", meint Binotto zur zeitlichen Enge.

"Wenn wir jetzt irgendwelche Kühlungsprobleme haben, können wir in dieser kurzen Zeit nur zu einer Basislösung mit mehr Löchern in der Karosserie greifen oder den Motor auf verschiedene andere Arten schützen, indem man zm Beispiel die Drehzahl reduziert. Aber solche Maßnahmen vermindern die Leistungsfähigkeit des Autos", erklärt der Motorenspezialist die Problematik. Deshalb sei er froh, dass beide Ferraris in Bahrain zuverlässig unterwegs waren.

Kühlung schon beim Design wichtig

Das zweite Hitzerennen der Saison in Malaysia ist normalerweise noch etwas heißer als die Bedingungen in Bahrain, und auch die Luftfeuchtigkeit ist wesentlich höher. Diese Faktoren machen die Kühlung des Motors noch anspruchsvoller. Auch wenn ein V8-Motor naturgemäß weniger Hitze produziert als ein Zehnzylinder, bleibt die Problematik der Kühlung bestehen, da die Designer schon beim Bau der Autos kleinere Lufteinlässe verwenden, um die aerodynamische Effizienz zu verbessern.

"Bahrain und Malaysia sind die ersten richtigen Tests in der Hitze." Mattia Binotto

"Natürlich muss man bereits beim Design des Autos über die Anforderungen nachdenken, die ein heißes Rennen stellt", sagt Binotto, "aber dadurch, dass die Wintertestfahrten hauptsächlich in Europa durchgeführt werden, wo zu dieser Zeit kalte Temperaturen herrschen, sind Bahrain und Malaysia die ersten richtigen Tests in der Hitze, auch wenn Ferrari schon im Februar in Sakhir zum Testen war, wo es nur unwesentlich kälter war als beim ersten Rennen der Saison."

Höherer Volllastanteil durch V8-Motoren

Neben diesen bekannten Problemstellungen bringen die neuen V8-Motoren aber auch einige Besonderheiten mit sich, die berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der geringeren Leistung der neuen Aggregate fahren die Piloten in dieser Saison öfter und länger mit Vollgas: "Das ist ein sehr wichtiger Punkt in Bezug auf die Zuverlässigkeit des Motors", stimmt Binotto zu. "Der Vollgasanteil ist im Vergleich zum vergangenen Jahr um etwa zehn Prozent gestiegen", meint der Italiener weiter. "Die durchschnittliche Drehzahl pro Runde ist ebenfalls beträchtlich höher, weil der Motor nun höher dreht und die Fahrer die volle Leistung öfter benutzen".

"Die Motoren vibrieren beträchtlich." Mattia Binotto

Ein weiterer wichtiger Aspekt der neuen Generation der Triebwerke sind Vibrationen, die den Teams vor allem bei den ersten Testfahrten mit den neuen Motoren Probleme bereiteten. Die Motern "vibrieren beträchtlich", sagt Binotto, "jedoch dürfen wir in der Theorie alle Anbauteile des Motors wechseln, die von diesen Vibrationen beschädigt sein könnten", erläutert der Motorenspezialist. Doch trotz aller Versuche im Winter seien die Rennwochenenden immer ein Schritt ins Unbekannte, da die Umgebung jedes Mal ein kleines bisschen unterschiedlich sei.

Der letzte wichtige Punkt für die Zuverlässigkeit, aber auch für die Leistung eines Motors, sind die verwendeten Treib- und Schmierstoffe. Dabei sei vor allem die Reibung wichtig: "Die Reibung ist einer der wichtigsten Punkte in Bezug auf Leistungssteigerungen, und mit den V8-Motoren ist dieser Faktor jetzt noch wichtiger als in der Vergangenheit", meint Binotto. Er sei sich jedoch sicher, dass Ferrari und Partner 'Shell' in dieser Hinsicht über den Winter gute Arbeit geleistet haben und große Fortschritte erzielen konnten, wie der Italiener abschließend erklärt.