• 17.11.2012 02:18

Wurz: "Man darf mit dem Finger nicht nur auf Pirelli zeigen"

Alex Wurz im Interview: Warum er Pirelli trotz zu harter Reifen in Austin in Schutz nimmt, wieso es so viele Dreher gab und wie Vettel vom Technikpech profitierte

(Motorsport-Total.com/ORF) - Der Aachener Rennstreckenarchitekt Hermann Tilke holte sich beim Design des Kurses in Austin Rat bei Ex-Formel-1-Pilot Alex Wurz. Der Österreicher kennt daher den Kurs in Texas wie kaum ein anderer. Im Interview erklärt er, warum Pirelli nicht die alleinige Schuld an der zu harten Reifenwahl trägt, wieso es am ersten Trainingstag so viele Dreher gab und wie Sebastian Vettel von seinen technischen Problemen profitierte.

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Williams-Fahrercoach Alex Wurz findet, dass Pirelli über Gebühr kritisiert wird Zoom

Frage: "Alex, dein Eindruck von der Strecke?"
Alex Wurz: "Die Strecke ist cool, ich kenne sie ja schon ein bisschen, habe beim Design mitgeholfen. Sie ist aber für den Pirelli-Reifen und den Geschmack der Fahrer noch zu rutschig. Der Staub aus Texas hat sich hier noch in den Poren des Asphalts niedergelegt, und jetzt rutschen die Fahrer. Man hat aber schon beim ersten Training gemerkt, dass sich die Rundenzeiten um acht Sekunden verbessert haben. Wenn dann der Grip kommt, sagen alle Fahrer, dass die Strecke sensationell ist."

Frage: "Auch Pirelli musste etwas Kritik einstecken, weil man sich für die Mischungen Medium und Hard entschieden hat. Wäre es mit weicheren Reifen besser zum Fahren?"
Wurz: "Natürlich, ganz logisch. Wenn man aber jetzt mit dem Finger auf Pirelli zeigt, dann muss man auch auf die Teams zeigen, denn sie haben auf ihren Simulatoren mit Rundenzeiten um 1:33 bis 1:34 geträumt. Sie haben dabei vergessen, dass ein neuer Asphalt, der hier in Texas noch dazu staubig ist, lange braucht, um Bodenhaftung aufzubauen. Dementsprechend musste Pirelli mit diesen schnellen Zeiten rechnen."

"Die Energie, die in den schnellen Kurvenpassagen einwirkt, schreit nach den Mischungen Hard und Medium. Dass der Asphalt jetzt aber so rutschig ist und der Reifen gar nicht die Haftung aufbaut, ist zur Hälfte die Schuld Pirellis, zur anderen Hälfte die Schuld der Teams. Das muss man ganz ehrlich sagen."


Fotos: Großer Preis der USA


Frage: "Viele Fahrer haben sich langsam herangetastet. Lag das an den Reifen oder auch daran, dass es ein neuer, unbekannter Kurs ist?"
Wurz: "Das lag hauptsächlich daran, dass alle gerutscht sind. Wenn das Auto dann über die Vorderachse rutscht, dann wird der Reifen warm und erzeugt auf einmal die optimale Temperatur - aber erst nach zehn bis 20 Metern Rutschphase. Dann greift plötzlich die Vorderachse, dann kommt auch die Hinterachse - und dann passieren solche Dreher, wie wir sie heute oft gesehen haben und die sich lange ankündigen. Das ist ein Problem des Pirelli-Reifens, aufgrund der Temperatur."

Frage: "Vettel musste aufgrund eines Lecks im Wasserkreislauf lange zusehen, dann gelang ihm aber eine Superrunde."
Wurz: "Für ihn war es gut, dass er später rausgefahren ist, denn dadurch hat er sich die Reifen nicht staubig gemacht - die waren dann in etwas besserem Zustand als die der Konkurrenten. Die Strecke wurde für ihn quasi saubergefahren, und diese Strecke hat er dann auch noch super beherrscht. Es ist auch eine Strecke, die Red Bull entgegenkommt."